• 16.11.2024

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Das Damoklesschwert

damo

» Artikel vom

Gastautor: Icecube

Paul blickt immer wieder neidisch auf seinen Freund Michael. Beide sind in dem gleichen Alter, aber Paul glaubt, dass Michael ein wesentlich glücklicheres und besseres Leben führt. Michael hat eine attraktive Frau und zwei Kinder und ist zudem auf der Arbeit sehr angesehen. Paul hingegen lebt alleine und verreist mehrfach im Jahr in den Urlaub, er geht verschiedenen Sport- und Freizeitaktivitäten nach und hat mit der Meditation seinen Weg zur inneren Ruhe gefunden. Dennoch gibt es Momente, da schaut er argwöhnisch auf seinen Freund und glaubt, dass er etwas in seinem Leben verpasst hat.

„Michael, ich beneide dich nach Strich und Faden. Du führst einfach ein perfektes Leben“, sagte er eines Tages zu ihm, als er ihn nach der Arbeit traf.
„Nein, da irrst du dich“, erwiderte Michael. „Gerne kann ich dir zeigen, wie ich mich wahrhaftig seit meiner Beziehung fühle.“
„Da bin ich aber sehr gespannt!“, erwiderte Paul.

Sie gingen in den Keller von Paul. Paul wurde von seinem Freund Michael mit Paketklebeband an einem Stuhl befestigt. Michael hing direkt über dem Stuhl ein nur mit einem Pferdehaar befestigtes Schwert, das sogenannte Damoklesschwert. Beide wussten, dass das Pferdehaar jeden Moment reissen könnte und das würde eine schwere Verletzung oder gar den sicheren Tod für Paul bedeuten.

Michael erläuterte, was es mit diesem Experiment auf sich hat: „Das Damoklesschwert bedeutet, dass das Glück von der ständigen Gefahr überschattet wird, dass ich in jedem Augenblick vernichtet werden kann. Und genau so fühle ich mich!“
„Das kann ich nicht verstehen. Was meinst du damit?“, fragte ihn entsetzt sein Freund Paul, der seinen Kopf etwas zur Seite neigte, um ihn nicht direkt unter der Schwertspitze zu haben.

„Zu Beginn einer Beziehung hast du als Mann immer die Sorge, dass die Dame es sich anders überlegt. Du bist halt auch nicht jeden Tag gleich, mal hat man gute Tage und mal schlechte, aber die Frau legt alles auf die Waagschale. Wenn du mal viel Stress auf der Arbeit hast und keine Lust auf Intimitäten, dann merkt sie sich das. Und du musst regelmäßig für Spass und Abwechslung sorgen, denn ansonsten ist die Dame gelangweilt. Sie sagt es jedoch nicht direkt, sondern sie sammelt alles für sich auf einer Liste und überlegt sich irgendwann, dass sie sich von dir trennen wird. Und das haut sie dann direkt zum Neujahrstag heraus, kurz nachdem sie noch die üppigen Weihnachtsgeschenke und die Wellness-Kurzreise abgegriffen hat. Sie knallt es dir vor den Kopf und macht das sehr schmerzfrei, da ihre Entscheidung sowieso schon seit Wochen feststeht.“ Michael holte kurz Luft, dann führte er fort. „Generell musst du einer Frau immer genügend Sicherheit und Abenteuer bieten. Das sind übrigens die zwei Schlüssel, mit denen du jede Frau kriegen kannst. Lässt jedoch ihr Gefühl von Sicherheit nach, weil du deinen gut bezahlten Leitungsjob verlierst oder du bietest ihr nicht regelmäßig abenteuerliche Abwechslung wie Motorradfahren, auf einen hohen Berg steigen, Bungeejumping, exotische Reisen, dann verliert sich auch das Interesse an dir. Aufregung bei abenteuerlichen Aktivitäten setzt die Frau mit einer Erregung für den Mann gleich, die stärker dominiert, als guter Sex. Lässt das nach, dann macht sie auch den Hasenfuss. Du musst also immer für ausreichend Spass und Abwechslung sorgen und das ist sehr anstrengend.“

„Aber irgendwann kommen Kinder, das ist doch noch einmal das Fundament jeder Beziehung“, entgegnete Paul.

„Schön wäre es“, erwiderte Michael. „Irgendwann wird die Dame schwanger, weil sie entschieden hat schwanger zu werden und die Pille deshalb bewusst vergisst. Sie macht dann heimlich auf der Toilette einen Schwangerschaftstest und freundet sich etwa zwei Wochen damit an, dass sie schwanger ist. Von Tag zu Tag freut sie sich riesig auf das Baby. Irgendwann kommst du dann von einem stressigen Arbeitstag nach Hause und dann hält sie dir den Teststreifen unter die Nase. Wenn du nun falsch reagierst, also zum Beispiel leichtes Entsetzen zeigst oder nur eine falsche Gestik machst, dann wirft sie dir das dein Leben lang vor. Sie erzählt dann den gemeinsamen Kindern, dass du keine Kinder wolltest. Oder sie droht dir oft, dass sie sich von dir trennt, denn du wolltest ja keine Kinder. Stattdessen bist du in einer solchen Situation als Mann einfach nur überrascht, dass sie trotz Pille schwanger wurde.“

„Aber mit einem Kind, da ist doch alles besser“, erwiderte Paul.
„Mit dem ersten Kind wird es ganz schlimm, denn ab dann ist der Sex nicht mehr das, was er war. Erst einmal hat sie kaum mehr Lust und dann ist ihr Inneres total ausgeleiert. Das macht wirklich keine Freude. Ich bot ihr an, dass ich sie in der Zeit der Genesung einfach von hinten nehme, aber das gab einen Eklat. Sie sprach dann eine ganze Woche nicht mehr mit mir. Und irgendwann kommt nach dem ersten Kind auch das zweite Kind genauso überraschend hinterher geschossen. Hier lauert auch wieder die nächste Falle: Wenn das Kind dann auch noch eine Schwerbehinderung im Mutterleib diagnostiziert bekommt und nur wenige Jahre Überlebenschance hat, dann liegt auf der Hand, dass Mann eine Abtreibung in Erwägung zieht. Aber als Mann hast du kein Mitbestimmungsrecht! Wenn hier die Dame meint, dass sie es bekommen will, dann ist es gesetzt. Und natürlich musst du dir dann als Mann anhören, warum du eine Abtreibung überhaupt in Erwägung ziehen konntest“, seufzte Michael tief.

„Aber jetzt, da ist doch alles perfekt! Oder etwa nicht?“, entgegnete Paul.
„Ganz im Gegenteil! Ich bin mittlerweile in ein solches Abhängigkeitsverhältnis gerutscht, dass Entscheidungen niemals mehr ein Konsens oder Kompromiss bedeuten, sondern ich alles so machen muss, wie sie es will. Ansonsten droht sie mir mit Trennung und nimmt die Kinder natürlich mit. Ich muss mir auch dauernd vorwerfen lassen, dass sie wegen der Kinder nicht ihrem Wunschberufsweg nachgehen konnte. Ich habe mich für sie über viele Jahre auf der Arbeit reingekniet, damit sie sich voll und ganz den Kindern widmen konnte. Das ist nun der Dank dafür! Und du darfst halt nicht vergessen, dass die Halbwertzeit des Aussehens bei einer Frau auch mindestens doppelt so schnell vergeht, wie bei einem Mann. In einem Jahr ist die Frau zwei bis dreimal so schnell gealtert, wie ich. Ganz besonders dann, wenn die Kinder da sind, denn dann fühlt sie sich, als hätte sie ihre Schäfchen ins Trockene gebracht und bemüht sich kaum mehr um ihr Aussehen. So habe ich mir das nicht gedacht!“, entgegnete Michael.

„Das ist ja schrecklich!“, rief Paul mit entsetzter Stimme. „Bitte mach mich jetzt sofort wieder vom Stuhl los!“, befahl Paul. „Ich habe meine Lektion gelernt!“

Michael zerschnitt das Klebeband, mit dem Paul am Stuhl befestigt war. Sie waren gerade dabei, die Kellertür abzuschliessen. Auf einmal hörten sie einen lauten, dumpfen Schlag. Sie drehten sich um und sahen, dass das Pferdehaar gerissen war. Das Damoklesschwert steckte mittig im Sitz.

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