Die Drachennachbarin
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Gastautor: Dinosaurier
WOOOOOOOOCHENENDEEEEEEEEEEEEEEEEEEE!!!!!!!!
SAAAAAAAAAUUUUUUUUFFFFFEEEEEEEENNNNN!!!!!!!!
So, oder so ähnlich, eröffne ich mit euch regelmäßig das Wochenende. Zwei Tage außerhalb der Anstalt der Bekloppten und Bescheuerten – aka Dinos Firma – findet Kontakt zu normalen Menschen statt, es gibt meist gute Gespräche oder produktives Arbeiten an den freien Tagen. Quasi komplettes Kontrastprogramm zu den Wochentagen.
Und dann gab es da dieses eine Wochenende. Gemeinsam mit der Amiga und Junior-Dino besuchte ich einen, der in dieser Region im Herbst ständig stattfindenden, Märkte. Es gab eine Menge Programm für Jung und Alt, das Essen (Wild und Flammlachs) schmeckte, ich ahnte nichts Böses und dann geschah es: SIE. Drachennachbarin Nr. 1 nebst Sklave, äh Ehemann und Kindern stand plötzlich neben mir.
Warum? Was hatte ich getan? War ich schon zu betrunken, um die Umgebung im Blick zu behalten? Werde ich langsam alt? Was würde jetzt kommen? Eine Szene von ihr?
Der Hintergrund: Kurze Zeit zuvor lief sie im Garten Oben-ohne herum. Nun ist ihr Garten eigentlich rundum mit Sichtschutzzaun eingefriedet, sodass man von der Straße nicht einfach so hineinschauen kann. Aber, da ich auf einem Berg wohne, ihr und deren Haus etwas tiefer gelegen ist, und ich außerdem auch noch ein erstes Stockwerk habe, schaue ich aus dem Fenster meines Arbeitszimmers automatisch in ihren Garten. Die Amiga hatte an diesem Tag die Gardinen gewaschen, daher konnte sie mich dann als interessierten Zuschauer ausmachen. Ihr grimmiger Ruf in meine Richtung war damals nur: Hier gibt’s nichts zu gucken! Dinos Antwort: Stimmt! Daraufhin ging sie maulend ins Haus und zog sich was über. Und jetzt stand SIE vor mir. Was macht man in so einer Situation?
Kurze Begrüßung, etwas Smalltalk, die Kinder spielten miteinander und schneller als man sich verabschieden konnte, stand ein weiteres Bier in Maßen – oder eher Massen – auf dem Tisch.
Der Sklave, äh Ehemann, war sichtlich erleichtert. Gespräche, ohne angebrüllt oder verprügelt zu werden, scheinen bei ihm Seltenheitswert zu haben. Auf der einen Seite tut er mir zwar leid, andererseits hat er sie geheiratet und ist bis heute noch stolz darauf. Das macht das Mitleid haben schon sehr viel schwieriger.
Zu berücksichtigen ist, dass es vielleicht an Prägungen aus der Kindheit liegt. Seine Eltern kommen regelmäßig zu Besuch und seine Mutter habe ich auch noch nie ohne biestigen Gesichtsausdruck und noch nie lachen sehen. Immerhin waren seine Wunden vom großen Streit im Garten mittlerweile abgeheilt. Man sieht auch fast keine Narben.
Passenderweise ist er ITler (Programmierer), entsprechende dem Klischee, ziemlich introvertiert und kann in einer wunderbar monotonen, emotionslosen Tonlage erzählen, sodass in weniger als zehn Minuten Ermüdungserscheinungen bei den Zuhörern einsetzen.
Ziemlich überraschend war eher, dass Drachennachbarin Nr. 1 vergleichsweise locker drauf war. Nur so ca. alle 10 Minuten gab es bissige Anmerkungen im Feldwebel-Befehlston in Richtung ihres Eigentums. Die Kinder wurden etwas häufiger traktiert, daher hatte ihr Sklave etwas mehr Ruhe.
So eine Chance kann sich euer Dino natürlich nicht entgehen lassen. Also eine Flasche Maikäferflugbenzin bestellt (Das Zeug heißt wirklich so, wer es mal getrunken hat weiß auch warum). Da Drachennachbarin Nr. 1 normalerweise nur wenig trinkt, dauerte es auch nicht lange, bis sie leicht einen im Kahn hatte. Bekanntlich ist Alkohol ja die beste Wahrheitsdroge, entsprechend kam sie auch aus sich heraus. Ich erfuhr so im Verlauf des Abends, dass …
– sie froh ist, einen vernünftigen Mann gefunden zu haben, der sie nicht schlägt. DER BRÜLLER! Müsste wohl eher heißen: Sie hat einen Mann gefunden, der sich nicht wehrt.
– sie gleichzeitig über ihren Mann schimpft, weil er sooo viel trinkt. Er ist ein Säufer!
– ihre Tochter im Alter von vier Jahren schon jede Menge Eigenheiten der Mutter kopiert. Anmerkung hierzu: Der Sohn (der ältere der beiden Kinder) hat die totale Arschkarte gezogen. Kriegt Druck von oben und unten. Auffälligkeiten bei den Sozialkompetenzen sind offensichtlich. Das merkte selbst ich nach ordentlich Bier und Maikäferflugbenzin.
– sie damit kämpfen, dass das Konto jeden Monat überzogen wird. Immerhin arbeitet sie jetzt mehr, um die Einnahmen zu erhöhen.
– sie sich trotz der zuvor beschriebenen, eigentlich prekären Liquiditätslage für den besser verdienenden Teil in Deutschland hält. Wie sie zu dieser Einschätzung kommt, bleibt ihr Geheimnis. Drei Flachbildfernseher im Haus zu haben ist ja gut und schön, aber in meinen Augen alles andere als ein Statussymbol.
– ihr Mann nicht in der Lage ist, momentan eine Gehaltserhöhung zu bekommen, die die Inflation ausgleichen könnte.
– es am Haus einige Mängel gibt, die kostspieliger werden könnten, sie weiß nicht, was sie machen soll. Immerhin ist sie ja die Finanzministerin des Hauses. Ihr Mann braucht jetzt auch mehr Benzingeld im Monat.
– sie manchmal alles hinwerfen will, aber die Kinder doch ihr Ein und Alles sind.
– sie sich fragt, wie ihr Leben wohl verlaufen wäre, wenn sie andere Entscheidungen getroffen hätte.
– sie mal Erfahrungen mit einer Frau sammeln möchte (WTF?! Warum erzählt die mir sowas? Muss ich meine Amiga jetzt warnen???)
Je länger das Gespräch dauerte, desto mehr machte ich drei Kreuzzeichen, dass ich SIE nicht in meinen frühen 20ern getroffen habe. Damals wäre ich vielleicht noch bescheuert genug gewesen und hätte mit dem Typ Frau was angefangen. Auch ein Dino hat Hormone …
Auffällig ist: Sie hat stark abgenommen. Schlank zu sein ist ja grundsätzlich gut, das Niveau bei ihr ist aber schon heftig.
Zu allem Überfluss erzählte dann Amiga von unseren Plänen, nächstes Jahr nach Uruguay oder einer anderen Destination in LATAM zu reisen. Dazu Drachennachbarin Nr. 1: Wir denken auch über Urlaub in Afrika nach, ist ja viel billiger, wenn nur die Flüge nicht wären.
Es muss am Maikäferflugbenzin gelegen haben, aber irgendwie verspürte ich doch den Wunsch, ihr etwas Positives mit auf den Weg zu geben. Fragt mich nicht mehr, was genau ich gesagt habe. Ich befand mich zu der Zeit dann langsam im Futur Delirium. Ich glaube, ich habe ihr aus verschiedenen Geschichten aus dem Männermagazin erzählt. Amiga meinte, es wäre sehr tiefgründig gewesen. Ob ich evtl. Gedankengänge angestoßen habe? Keine Ahnung, aber das ist weder mein Job, noch meine Mission.
Der Kater am nächsten Tag war nicht schön, aber auszuhalten. Seit dem lächelt mich Drachennachbarin Nr. 1 aber sehr vielsagend an, wenn sie mir draußen begegnet …
Fortsetzung folgt – hoffentlich nicht!
Nachtrag: Die Fortsetzung hat leider doch schon stattgefunden, aber ob ich darüber noch einen Artikel schreibe, muss ich mir schwer überlegen.
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