Die damalige Entscheidung war richtig
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Es gibt Geschichten über Menschen, die klingen unglaublich und es trifft mich ganz besonders, wenn ich zum großen Teil dabei gewesen bin. Das Ende meines mehrteiligen Artikels nehme ich vorweg. Ein fast junger Mann, 12 Jahre alt, ist Spiel- und Smartphone süchtig, mit 27 kg Gewicht unterernährt und er spricht nur dann etwas, wenn er direkt angesprochen wird. Ärzte würden eine psychische Störung diagnostizieren. Leon heißt der Knabe und ist das Produkt einer gescheiterten Beziehung.
Im Jahr 2006 bin ich nach Thailand ausgewandert. Einige Monate später stand ein IT-Experte vor meiner Türe. Ich nenne ihn mal Jochen, und er kam wie gerufen. Mein IT-Geschäft brummte recht ordentlich und ich konnte Verstärkung gut gebrauchen. Jochen war nicht verheiratet oder geschieden, aber er hatte eine Chinesin geschwängert und nach der Geburt des Sohnes mit zu sich nach Deutschland genommen. Die Beziehung ging in die Brüche und seine chinesische Freundin zog mit ihrem Sohn Leon aus. Jochen wurde natürlich zu sattem Unterhalt verknackt. Nun hatte Jochen keinen Bock auf Unterhalt, und so nahm er Kontakt zu mir auf. Wir verstanden uns ganz gut und wurden uns schnell einig, dass er nach Thailand kommen würde. Er müsste noch einige Angelegenheiten regeln und in sechs Monaten könnte er in Thailand starten. Zu Weihnachten rief er mich an, dass sein Sohn Leon bei ihm sein würde, nachdem seine Chinesin einen Selbstmordversuch hinter sich hatte und in der Psychiatrie gelandet war. So hatte Jochen plötzlich das Sorgerecht sowie das Aufenthaltsbestimmungsrecht für seinen Sohn. In dieser Konstellation sprach nichts dagegen, dass der kleine Leon mit nach Thailand kommt. Gesagt, getan.
Meine damalige Freundin und spätere Ehefrau liebt Kinder, genauso wie unsere Haushälterin. Bei allem Ärger mit meiner Ex muss ich ihr zugestehen, dass sie eine erstklassige Mutter gewesen wäre. Die Haushälterin und meine Perle kümmerten sich fortan liebevoll um Leon. Nach wenigen Monaten ging Leon in einen internationalen Kindergarten und lernte spielend leicht thailändisch und englisch. Leon entwickelte sich zu einem agilen Jungen, auch wenn er manchmal eine etwas große Klappe hatte und alle auf Trab hielt. Thailand ist ein Traum für kleine Kinder. Leon entwickelte sich prächtig.
Nach einem Jahr begann das Drama schlechthin. Das Jugendamt meldete sich und teilte mit, dass es sich per Gerichtsbeschluss, freilich ohne jegliche Kenntnis von Jochen, das Aufenthaltsbestimmungsrecht unter den Nagel gerissen hat. Der Grund war, dass die Chinesin auf wundersame Weise wieder gesundet war und nun ihren Jungen zurückhaben wollte. Der wahre Grund war, dass die Chinesin ohne das Kind ihren Aufenthaltstitel in Deutschland nicht verlängert bekam.
Jochen und ich schöpften nun alle legalen Möglichkeiten aus, um eine Rückführung des Jungen aus seinen geordneten Verhältnissen heraus zu einer durchgeknallten Mutter zu verhindern. Die deutsche Botschaft und das Jugendamt arbeiteten jedoch bestens Hand in Hand und zogen alle Register. Zuerst versuchte eine internationale Kinderorganisation sich Zutritt zu unserem Haus zu verschaffen. Das ging so freilich nicht. Dann wurde das thailändische Jugendamt aktiv und konnte nur feststellen, dass Leon bestens betreut und versorgt wird. Der damalige deutsche Botschafter in Thailand, den ich bereits wegen Unterhalt an den Hacken hatte, wurde nun auch in der Sache Leon aktiv.
Die schönste Idee der deutschen Botschaft und der Chinesin war zugleich saudämlich: die Chinesin zeigte mich wegen angeblichem Kindesmissbrauch an. Wenige Stunden später stand ein Sondereinsatzkommando der thailändischen Polizei vor meiner Tür, bewaffnet mit Schnellfeuergewehren. Nur dem besonnenen Einsatz des Einsatzleiters war es zu verdanken, dass alles aufgeklärt wurde. Leider hatte die Chinesin ihre Anzeige nicht schriftlich formuliert, sonst wäre sie im Gefängnis gelandet. In Thailand ticken die Uhren bei Falschbeschuldigungen etwas anders, und zwar so, wie es eigentlich sein sollte.
Um nicht wegen Kindesentführung im Knast zu landen, musste Jochen seinen Sohn Leon letztendlich an die Mutter übergeben. Damit ist die Welt von Jochen zusammengebrochen. Er wurde arbeitsunfähig und große Teile des Geschäfts brachen mit ihm weg. Jochen und ich mussten uns zwangsläufig trennen. Das war eine schwierige Phase, und am Ende habe ich Thailand verlassen und bin wieder nach Europa zurückgekehrt.
Sicherlich kann diese Rückführung von Leon als großartiger Erfolg für Jugendamt und Amtsgericht bezeichnet werden. Dort waren sie ziemlich glücklich, dass ein Junge gerettet wurde und zu seiner Mutter zurückkehren konnte. Auch die deutsche Botschaft rieb sich die Hände, weil sie unsere lästige Akte endlich erfolgreich schließen konnte.
Kurz darauf heiratete Leons Mutter einen Chinesen in Deutschland. Dank des deutschen Jungen konnten beide in Deutschland bleiben und führten ein Leben als heile Familie. Doch Gottes Wege führen immer in die richtige Richtung. Die Mutter von Leon, ist vor drei oder vier Jahren verstorben. Nein, da man muss nicht traurig sein, denn nach dem buddhistischen Glauben ist sie längst wiedergeboren in ein glücklicheres Leben. Ihr Ehemann, nun alleinerziehend, hat Leon ruckzuck nach China zu den Großeltern des Jungen verfrachtet und so sauber entsorgt. Weg mit dem lästigen Leon, wird er sich gedacht haben. Doch nach einem Jahr konnten die betagten Großeltern nicht mehr und wandten sich an die deutsche Botschaft in Shanghai. Geld für ein Ticket gab es dort nicht und so mussten sich die finanziell klammen Großeltern das Geld für Leons Flugticket nach Deutschland zusammenleihen. Die deutsche Botschaft arrangierte mit dem Jugendamt die bevorstehende Ankunft von Leon.
Jochen ist in Thailand depressiv geworden und ging 2011 nach Deutschland zurück, um eine Hartz IV Karriere zu beginnen. Völlig durch den Wolf gedreht lebt er in den Tag hinein, und weil er sonst nichts zu tun hat, wurde Jochen spielsüchtig. Entweder er sitzt am Rechner oder am Handy oder an beidem. Eines Tages klingelte es hartnäckig an seiner Tür. Aus Angst rief Jochen die 112, also die Feuerwehr an und die sagte ihm, dass er die 110 anrufen solle. Das ist die Polizei. Er tat es und nach einiger Wartezeit sagte der Polizeinotruf zu Jochen, dass er keine Angst haben müsse, denn vor seiner Türe stünden nur Polizeikollegen. Sie wollten ihm eine Nachricht überbringen. Jochen soll seinen Sohn Leon vom Flughafen abholen. Er sei schließlich der Vater.
Nun sind Vater und Sohn wieder vereint, doch beide sind im Arsch. Spielsüchtig und geistig auf diese Spiele beschränkt stinken sie gemeinsam vor sich hin. Echte Spieler haben kein Interesse, sich zu pflegen oder gar mit anderen Menschen zu kommunizieren.
Die Karriere von einem glücklichen Vater und IT Experten hinunter bis auf die unterste Stufe der Sozialleiter ist nicht überraschend. Es überrascht auch nicht, dass der Junge Leon verhaltensgestört ist.
Fortsetzung folgt...
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