• 19.04.2024

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Bin dann mal unterwegs

on-the-road

» Artikel vom

Gastautor: Jens

Was tut man mit Anfang 30, wenn der Berufseinstieg geglückt ist und eigentlich alles läuft: Arbeiten und Kohle scheffeln, Auswandern, Familie gründen, Gammeln, Gärtnern, Hate verbreiten? Oder einfach so weitermachen bis zur Rente?

Kann man alles machen, jeder wie er will. Eine weitere Möglichkeit, über die ich hier bisher weniger gelesen haben: intensiv Reisen. Damit meine ich nicht Ausflüge in thailändische Beton-Pools oder auf Frachtschiffen zu exotischen Puffs. Aber bestimmt versteht jeder etwas anderes darunter.

Ich will euch berichten über das Was, Wie und Warum der Reise und der Vorbereitungen. Einfach als eine weitere Sichtweise auf das Leben und natürlich als Anregung.
Nach einigen Jahren im MINT-Studium und dann weiteren Jahren im Beruf, kam bei mir tief im Inneren eine Unruhe auf. Es fehlt der Kick, etwas muss sich ändern. Aber nicht kopflos, sondern eher sauber geplant und dann durchgezogen. Die Idee habe ich mir dann im Herbst 2019 in den Kopf gesetzt: 2022 werde ich etwas durch die Welt ziehen. Bis dahin sollte ein großes berufliches Projekt abgeschlossen, das Finanzpolster gewachsen und die Chancen bei der Jobsuche durch Berufserfahrung und Weiterbildung noch einmal besser sein.

Was braucht man für solch eine Aktion aus meiner Sicht? Etwas Zeit, nicht viel Geld, aber vor allem Unabhängigkeit. Und eine üppige Portion Neugier auf alles, was passieren könnte. Nicht alles wird gut werden, wenig ist vorhersehbar. Aber irgendwie suche ich genau das und genau das macht es auch aus. Pläne und Ideen kann man jedoch viele haben, was dann noch nötig ist: Mut.

Die ursprüngliche Idee war wandern auf den Long-Distance-Trails der USA. Stelle ich mir sehr geil vor! Die Gesundheit kam dazwischen, eine Verletzung durch falsches Schuhwerk + zu intensives Wandern (lol, fast schon peinlich). Die Idee wurde aufgeschoben, es wurde umdisponiert und jetzt geht es mit dem Auto in den Osten. Ziel: der Pamir-Highway in Tadschikistan. Zeit dafür: Ein halbes Jahr.

Der Job ist gekündigt, die Mietwohnung auch. Viele Möbel verkauft und es wurde kräftig Kleinkram ausgemistet. Dinge zu kaufen ist irgendwie deutlich einfacher als sie wieder loszuwerden. Natürlich unter der Voraussetzung, dass man sie nicht einfach wegwirft. Möglichst habe ich das Zeug verkauft oder verschenkt, um es in sinnvolle Weiterbenutzung zu geben. Und ein paar Taler sind natürlich auch willkommen.

Im wenigen Wochen geht es endlich los, die Planungen laufen schon seit dem Winter auf Hochtouren. Über die Türkei in den Kaukasus, dann weiter über das kaspische Meer nach Zentralasien und wieder zurück. Einen Abstecher in den Iran hatte ich überlegt, aber wieder verworfen. Ich befürchte, es stresst mehr, als dass es mir etwas gibt. Einfach zu viele Einschränkungen, Kosten und Risiken. Auch ist das Ganze vom Timing her nicht trivial. Im Sommer ist es in jedem der Länder abartig heiß, im Frühjahr und Herbst steigt in den Bergen die Schneegefahr und ich komme nicht vor oder zurück.

Ich rechne im Schnitt mit Kosten von ca. 1,000 € pro Monat. Also eher eine günstige Art zu reisen. Die Summe kann man im Urlaub auch ohne Probleme in der Woche rausblasen. Natürlich mit einem anderen Komfortlevel. In Deutschland gebe ich monatlich wahrscheinlich genauso viel aus. Manches wird wohl günstig, z.b. Essen, Unterkünfte und Diesel. Anderes kann teuer werden, wie Visakosten oder Fähren.
Das Fahrzeug ist ein Kombi auf einer beliebten Kleinwagenbasis. Er hat schon 200.000 km runter, nur noch den Fahrersitz, dafür aber ein selbstgebautes Bett und Stauraum. Alles wurde in den vergangenen Jahren gut erprobt. Heizung oder Kühlschrank gibt es nicht, alles ist eher einfach gehalten und praktisch. Wenn ich etwas Kaltes will, dann lege ich es über Nacht in den Fußraum und dann morgens eine Decke darüber. Das reicht meistens bis zum Mittag. Ansonsten kaufe ich kalt und verbraucht direkt. Um das Bierchen am Abend kümmert sich dann der Gebirgsfluss. Geländegängigkeit gibt es natürlich keine und nach der Aktion ist das Ding bereit für den Schrott. Aber Verbrenner sind ja auch böse, damit möchte ich danach eh nichts mehr zu tun haben, hehe. Mit schlechten Straßen kommt das Gefährt zurecht, auch über so manche Dirt-Road wurde es schon geprügelt. Da geht mehr als man denk und etwas Schwund ist ja immer. Meist werde ich frei stehend Übernachten auf bestimmt auch mal Instagram tauglichen Spots. Oder auf öffentlichen Parkplätzen, von denen es leider weiter östlich immer weniger geben wird. Für etwas Komfort auch mal auf einem Campingplatz, aber auch deren Dichte wird ziemlich sicher immer geringer werden.

Regelmäßig will ich aber unterwegs auch in Hostels oder Homestays absteigen. Einerseits um das Reisen zu entschleunigen (jeden Tag woanders fand ich in der Vergangenheit zu gehetzt), andererseits um die Locals und andere Reisende zu treffen. In größeren Städte ist es auch angenehm für ein paar Tage im Zentrum zu sein und es sich gut gehen zu lassen. Kein Instant Kaffee mit trockenen Cornflakes (bestes Frühstück unterwegs), sondern ein schönes Omelett mit Orangensaft im Hipstercafe. Oder etwas Gebäck in Stadtpark oder Fußgängerzone. Dann die Highlights erkunden oder sich einfach etwas treiben lassen, alle Vorräte wieder auffüllen, Wäsche waschen und wieder raus aus der Stadt.

Highlight könnten Istanbul werden und der große Kaukasus. Und vielleicht ein Raketenstart in Baikonur, das Pamir-Gebirge und evtl. auf dem Rückweg ein Abstecher nach Tschernobyl. Aber auf jeden Fall das jeweilige Local-Food! Da freue ich mich besonders drauf. Eventuell auch die Menschen, die ich auf dem Weg treffen. Ich hoffe es jedenfalls, weil ich meist nicht sehr gesellig bin, mal sehen, was sich ergibt.

Aber wer weiß schon, wie es werden wird. Es könnte auch ganz anders kommen. Vielleicht geht es voll in die Hose, der Motor platzt oder nach vier Wochen habe ich keinen Bock mehr. Der richtige Zeitpunkt ist wohl auch nie. Tollen Job gefunden, Freundin geschwängert, Gesundheitsprobleme oder frisch Pleite gegangen. Alles ist möglich, deshalb am besten einfach machen! Und zwar bald.

Die Reaktionen aus dem Umfeld waren überwiegend positiv, hat mich fast schon überrascht: „Geile Idee“ oder „Wenn du die Möglichkeit dazu hast, macht das auf jeden Fall“, aber auch „Cool, aber könnte ich nicht, ohne zu wissen wie es danach weitergeht“. Keiner kam mit „Aber was ist mit deinen Rentenpunkten?“.

Was danach kommt? Mal schauen. Eine richtige Deadline habe ich nicht. Wenn mir nicht nach Deutschland ist, verlängere ich das Ganze einfach. Anschließend werde ich dann arbeitslos sein. In den letzten Jahren habe ich genug eingezahlt, das steht mir zu! Irgendwann suche ich dann einen Job mit einer spannenden Mischung aus Maschinenbau und IT. An einem Ort, an dem ich mich auf die kommenden Vorhaben vorbereiten kann. Die nächsten Jahre heißt es dann leichtes Gepäck, es gibt viele Ideen und ein großer Hausstand oder ein Kredit stehen da im Weg. Die nächsten 10 Jahre könnten wild werden! Aber wer weiß das schon....

Wo wart ihr unterwegs? Ein paar Reiseberichte der Haterschaft würden mich interessieren.

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