• 29.11.2024

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Der Freier

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Gastautor: Der Spieler

Alles hier Geschriebene ist dem Sinne nach wahr, lediglich Zahlen und Orte sind teils verändert. Viele von meiner Sorte gibt es nicht auf der Welt. Ich bin nie in der Öffentlichkeit in Erscheinung getreten, im Internet gibt es nichts über mich. Ich habe außer dem MM keine sozialen Medien und hatte noch nie eine Kreditkarte. Reich bin ich nicht, aber ich schlafe ruhig. Da ich bekennender Frugalist bin, brauche ich nicht viel. Ich habe Klamotten, die 30 Jahre alt sind.

Früher habe ich einiges in der Gastronomie gelassen. Auch dem Suff war ich zugeneigt: Ein sehr teures Hobby. Nachdem sie mein Geld aber nicht mehr wollen und mich der Räumlichkeiten verwiesen (2-3G), kann es von mir GAR NICHTS MEHR geben. NULL! Ich habe dem Staat gekündigt, 98% meiner "Freunde" gecancelt, nur noch mein Wohlergehen im Visier. Ich habe Empathie für Menschen mit Problemen, aber ich mache diese Probleme nicht zu meinen.

Vergoldetes Toilettenknie, etwas Crypto, die paar Jahre bis zum Ende reicht das. Heutzutage gehe ich keine Risiken mehr ein, kleine Gewinne, kaum Verluste. Früher war das anders. Um nach vorne zu kommen, muss man Gelegenheiten anpacken, auch wenn sie riskant sind. Heute bin ich nur noch im Verteidigungsmodus. Zum Neuanfangen bin ich zu alt, und für meine Bedürfnisse reicht der Bestand.

Warnendes Beispiel: Ein Kumpel, bis 2020 super laufende Firma mit mehreren Filialen, sitzt jetzt insolvent mit schwerer Depression in der Psychiatrie. Alles weg, völlig geistig und materiell gebrochen. Haus, Porsche, Nutten, alles futsch. Obdachlosigkeit droht mit Mitte 60. Sein erster Fehler: Nicht rechtzeitig erkannt zu haben, mit wem er sich da anlegt: Dem gierigen Staat. Coronahilfen und Kurzarbeitergeld müssen jetzt zurückgezahlt werden, Anwaltskosten im mittleren sechsstelligen Bereich. Der Kardinalsfehler: Kein Toilettenknie, keine Bitcoin, kein Plan B+C mit Ausstieg in Asien, nichts dergleichen. Alles ins Geschäft und Anwälte gesteckt.

Ich habe ihn besucht und bin einmal mehr überzeugt, dass Minimalismus und Bescheidenheit entscheidende Tugenden zu einem zufriedenen Leben sind. Solche Opfer wie er sind zahlreich, aber kaum der Öffentlichkeit bekannt. Leider ist dieser Kumpel ein Freier. Er war nicht vorbereitet. Klingt empathielos, aber Freier sind weit verbreitet. Selbst ich produziere immer wieder unglaubliche Freierstücke.

Dostojewski schrieb vielleicht gut und war alles Mögliche, aber ein Spieler war er sicher nicht – er war ein Freier. Um diese besondere Spezies – die Freier – dreht und drehte sich alles in meinem Leben. Der Freier als solcher hat mir eine über 50-jährige Berufsspielerkarriere ermöglicht, welche sich nun in moderatem Wohlstand mit MESA und viel Zeit zum Nachdenken, Meditieren und Schreiben dem Ende zuneigt. Ich dachte mal daran, ein Buch zu schreiben, habe das aber verworfen. Material gäbe es für drei Bücher. Geld brauche ich keins, und Arbeit bzw. Unternehmertum liegen mir nicht, bzw. wie schon erwähnt, ich bin zu alt.

Und nein, der Freier ist nicht ausgestorben, wie man meinen könnte. Wie ich vergangene Woche mal wieder live in einem Casino erleben durfte. Es war nicht ein Freier, es waren 100. Im realen Leben durchaus oft sehr erfolgreiche Leute, verfreiern sie oder ihre Clownfrauen im Casino teilweise Summen an einem Abend, die andere im ganzen Leben nicht verdienen.

Meine Aufgabe ist es, ein paar kümmerliche Brosamen dieser Freierei aufzupicken, die mir das Casino übrig lässt. Natürlich würden die am liebsten alles für sich haben, jedoch braucht man solche Bandwürmer wie mich, um die Gäste zu unterhalten und Spiele zu eröffnen, und später am Leben zu erhalten. Hierbei dreht es sich um ausgesuchte Pokerrunden, Blackjack- und Automatenturniere, Skat- und Watten-Veranstaltungen sowie Promotionevents, wie die Einführung neuer Spielautomaten oder eines neuen Crapstisches. Baccarat war früher auch beliebt, ist aber aufgrund der Altersstruktur am Aussterben. Es scheint aber so, dass immer neue Freier nachwachsen, trotz Internet und genügend anderem Material zum Schlaumachen.

Früher habe ich viel in Kneipen gezockt: Skat, Rome, Backgammon, Kniffel, Dart, Billard. Sehr einträglich, sehr gefährlich, sehr kraftraubend. Heute ist mir das zu anstrengend, ich bin zu alt, und die Kneipen sterben aus.

Bei Promotionevents werde ich dazu missbraucht, solche Veranstaltungen erst möglich zu machen, denn so viele potente Freier laufen nun auch wieder nicht herum, ich bin sozusagen die Lockhure. Der Freier will sich nicht zu acht in einem großen Raum langweilen. Er will unterhalten und bewundert werden. Er will seine Erfolge vom Leben erzählen und seine jungen, geilen Gespielinnen präsentieren.

Ich bin demzufolge zu ausgesuchten Menschen extrem freundlich und hilfsbereit. Humor, perfekte Manieren und kurzweilige Unterhaltung sind die Basis des Geschäfts. Wer diese Eigenschaften nicht verkörpert, wird in diese Kreise nicht wieder eingeladen, d.h. lebenslange Sozialsperre. Beruflich trete ich als Gegenteil des Frugalisten auf, ein nicht immer einfacher Spagat.

Auch heißt es vorsichtig sein, wenn man einen anderen Spieler beim Klauen oder Bescheißen erwischt. Das tun auch Freier durchaus. Sind sie große Verlierer und es kommt zum Streit, ist die Wahl des Casinos immer klar, ich bin raus. Deswegen lasse ich das Meiste durchgehen, immerhin weiß ich, was der andere so treibt, aber er weiß nicht, dass ich es weiß. Casinos sind gierige Betrüger, bescheißen selber und hinterziehen Steuern. Auch im deutschsprachigen Raum.

Natürlich tritt man nie direkt gegen das Casino an. Es gibt viele Spieler, die eigentlich erfolgreich sind, aber den Sidegames der Casinos nicht widerstehen können. Dies führt früher oder später immer in den Untergang, das kann dann durchaus in der Gosse und Obdachlosigkeit enden. Beispiele kenne ich genug. Man kann das Casino benutzen, um Kosten zu senken und Kontakte zu knüpfen, aber holen kann man heutzutage nichts mehr von denen. Früher, als es keine Mischmaschinen gab, konnte man auch vom Casino nehmen, diese Zeiten sind aber vorbei. Heute zahlt nur der Freier die Miete. Falsch: Ich zahle gar keine Miete, weil ich keine Wohnung habe. Ich bin immer unterwegs. Zur Erholung und Freieraquise verbringe ich viel Zeit in deutschsprachigen Kurorten und auf Campingplätzen, wenn ich mich nicht in Asien oder Indien aufhalte.

Ich war in jungen Jahren mehrmals pleite, im Fachjargon flach. Da galt es, immer wieder aufzustehen und von vorne anzufangen.

Angefangen hat das Ganze in den goldenen 60ern, als wir Kinder zu Weihnachten ein Spielzeugroulette geschenkt bekamen. Dieser Heilige Abend, da war ich gerade mal sechs, hat mein Leben bis heute geprägt.

Wollt ihr mehr hören, tut dies bitte kund. Ich habe durchaus Verständnis, dass dieses Thema nicht jeden anspricht. Ich hasse Zeitverschwendung, will aber der MM-Gemeinschaft gerne etwas zurückgeben. Ich bin hier seit Anfang an dabei, der Meister höchstpersönlich hat mich mal rausgeschmissen, weil ich Neger geschrieben hatte!



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