Bernd ist ein Glückspilz!

» Artikel vom
Gastautor: Friendzoneverweigerer
Oh, wie langweilig! Da wird zum wiederholten Mal so ein trotteliger Beta-Bernd vorgeführt... Nein! Auch wenn dies für den Kontext unvermeidbar ist, geht es hier um etwas völlig anderes.
Bernd ist Mitte dreißig, im Beruf erfolgreich und hat eine geräumige und luxuriöse Wohnung in bester Lage. Finanziell geht es ihm blendend, er leistet sich tolle Urlaube, gönnt sich einige Hobbys und hat ein Auto der gehobenen Klasse. Nur mit der Liebe will es irgendwie nicht so recht klappen.
Ein paar tolle Frauen hatte er bereits, doch war das nie von Dauer. Oft genug musste er sich schon nach einigen Wochen oder Monaten anhören, dass er wirklich ein toller Mann und auch voll nett sei, aber irgendwie doch nicht das, was sie sich für die Zukunft vorstelle. Vor kurzem schien sich das Blatt jedoch zu wenden. Er lernte online in einer Singlegruppe eine Frau kennen, gerade dreißig, mit einem Kind, und bezaubernder Ausstrahlung. Die Chemie zwischen ihnen passte auf Anhieb und Bernd war auf Wolke sieben.
Nach einigen Wochen war es dann so weit, dass sie ihm sagte, sie wolle mit ihm reden. Sie schlug hierzu dass edle Restaurant vor, in dem sie damals ihr erstes Treffen hatten. Irgendwie war ihm nicht wohl bei der Sache. Er ahnte eigentlich schon, dass er wieder den ewig gleichen Satz hören würde, den er nun so langsam nicht mehr ertragen kann. Aber warum suchte sie sich dazu dieses edle Lokal aus? Die anderen Frauen teilten ihm das entweder daheim oder einfach per Kurznachricht mit. Vielleicht hat sie aber auch einfach nur mehr Stil als die anderen. Vielleicht wollte sie auch, dass der Kreis sich an dieser Stelle schließt – Hier begann es, hier wird es enden. Aber andererseits sagte sie auch nicht, sie müsse, sondern sie wolle mit ihm reden...
Das Treffen rückte näher, und er nahm sich vor, die Nachricht mit Fassung und Souveränität entgegenzunehmen und ihr nicht zu zeigen, wie sehr genervt und niedergeschlagen er sein würde. Als er ankam, wartete sie bereits im Lokal auf ihn, ohne Kind. Er erkundigte sich nach dem Kind. Sie sagte, das wäre bei ihr daheim mit einer Freundin und die würde dort auch übernachten, so hätten sie den Abend für sich. Hää? Darauf konnte er sich nun gar keinen Reim machen. Er platzte vor Neugier und konnte es kaum erwarten, sie betont mitfühlend zu fragen „Na, bringen wir es hinter uns, was hast Du auf dem Herzen?“.
Sie entgegnete klagend, dass ihre Situation momentan ganz furchtbar wäre und dass sie zum Glück ihn hat, der ihr Halt und Kraft gibt, das durchzustehen. Sie wisse gar nicht, was sie ohne ihn machen würde. Auf Arbeit wäre der Chef zudringlich zu ihr geworden, und als sie ihn zurückwies, machte er ihr unmissverständlich klar, dass es das für sie in der Firma ein für alle Mal war, wenn sie ihre Meinung nicht ändere. Mit dem Vermieter gibt es ebenfalls gerade richtig Stress, er mobbt sie nur noch wo er kann. Hängt sicher auch damit zusammen, dass sie seinen penetranten Annäherungsversuchen stets auswich. Sie wolle zwar nicht mit der Tür ins Haus fallen, aber sie sei sich ohnehin mit ihm so sicher und könne sich eine Zukunft ohne ihn nicht mehr vorstellen und wolle ihn fragen, ob sie zusammen ziehen wollen, also sie mit dem Kind bei ihm einzieht. Eine ganze Armee Schmetterlinge schwirrten plötzlich durch seinen Bauch und er machte innerlich Jubelsprünge. Aber nach außen gespielt souverän und gefasst erwiderte er „Na dann wagen wir es. Meine Wohnung ist ohnehin groß genug für uns!“
Die Wohnung hatte er vor einigen Jahren gekauft, seine Eltern hatten ihm mit ordentlich Eigenkapital kräftig unter die Arme gegriffen, zudem verdiente er da schon sehr gut. So wählte er vorausschauend damals schon eine familientaugliche Wohnung. Irgendwann würde ja auch für ihn die Richtige kommen. Und jetzt war es so weit! Vor ein paar Wochen noch Single und jetzt Familienleben! Der Abend wurde regelrecht zelebriert, bevor die Beiden euphorisch und beschwingt zu ihm nach Hause gingen. Selbstredend wurde im künftig gemeinsamen Schlafzimmer gebührend weiter gefeiert. Er konnte vor Freude lange nicht einschlafen und hielt sie fest im Arm.
Dabei schossen einige Gedanken durch seinen Kopf. Noch nie hatte er darüber nachgedacht, mit welchen Problemen eine so attraktive Frau wie sie zu kämpfen hat. Klar hätte sie jederzeit viele Verehrer um sich herum, aber dabei leider auch so schmierige Typen wie ihr Chef oder ihr Vermieter. Und schwuppdiwupp sind Job und Wohnung in Gefahr. Zudem ihr Ex, der ein Tyrann durch und durch war, der sich auch nie um das gemeinsame Kind gekümmert hat. Ja, was diese bezaubernde Frau alles schon durchmachen musste! Man muss sich für viele Männer einfach nur schämen. Aber sie hat ja jetzt ihn, und er wird ihr und dem Kind so viel Schutz und Geborgenheit geben. Dafür hatte er ja jetzt auch endlich eine bezaubernde Frau, die seine Qualitäten auch wirklich zu schätzen weiß, mit einer ebenso bezaubernden Tochter, der er ganz sicher ein guter Vater sein würde, den sie auch verdient hat. Nicht so wie ihr Erzeuger...
Der Tag des Umzugs kam. Viel musste nicht transportiert werden. Bernds Wohnung war ja schon gut und wertvoll eingerichtet. Ihre Möbel konnte sie ja zum Glück dem Nachmieter überlassen. So mussten sie nur ein paar persönliche Sachen von ihr und der Tochter holen, da waren allerdings eine Menge Schuhe dabei und ziemlich viele Klamotten, durchaus ansehnlich und nicht gerade billig. Sie hat halt Geschmack und Stil. Das Kinderbett auch noch. Einen passenden Schrank für das Kinderzimmer muss man halt noch kaufen. Dann noch auf dem Amt die Meldebescheinigung erledigt und schon stand dem Familienglück nichts mehr im Weg.
Die Harmonie hielt jedoch nicht lange. Den Job hatte sie ja bereits hingeschmissen, was Bernd zunächst auch gut verstand. Wer weiß, was dieser schmierige Chef sonst mit ihr schon zwischenzeitlich gemacht hätte! Allerdings hockte sie fortan nur noch daheim oder ging in die Stadt bummeln, während er auf Arbeit und das Kind in der Kita war. Schließlich musste sie sich ja auch von den ganzen Strapazen der letzten Monate erholen, hat sie ihm gesagt. Sie und die Tochter haben doch so viel durchgemacht. Ambitionen, sich einen neuen Job zu suchen, zeigte sie keine.
Und auch im Haushalt machte sie praktisch nichts, außer ständig irgendwelche Sachen zu bestellen. Irgendwann fragte Bernd vorsichtig, ob sie sich nicht auch mal an den laufenden Kosten beteiligen wolle. Da wurde sie schnippisch und fragte, ob er es denn nicht mitbekommen habe, dass sie den Job selbst hinschmeißen musste und daher auch kein Geld bekommt. Wie solle sie sich denn da beteiligen? Aber das wäre doch kein Problem, er verdiene doch so gut. Bald kamen nicht nur Pakete, sondern auch Briefe ins Haus, die sie ungeöffnet auf dem Wohnzimmertisch liegen ließ. Bernd fragte sie, ob sie die nicht mal öffnen wolle. Sie bat ihn, das für sie zu tun. Es waren Mahnungen.
Sie setzte einen Hundeblick auf und bat ihn, ihr dabei zu helfen, die Forderungen zu erfüllen. Die „Hilfe“ sah allerdings so aus, dass er das alleine begleichen sollte, sie hat ja kein Geld. Er wurde ernst und meinte, dieses eine Mal würde er das tun, aber dafür hört die Bestellerei auf, und sie soll sich endlich einen neuen Job suchen. Als er ein paar Tage später die nächsten Pakete sah, wurde er dann tatsächlich ungehalten und fragte sie, welchen Teil der Abmachung sie denn nicht verstanden habe (obwohl die Antwort ja offensichtlich war). Sie meinte, er soll sich mal nicht so haben, schließlich wären ja auch Sachen für die gemeinsame Wohnung dabei, sie wolle es mit ihm doch einfach ein bisschen schöner haben. Bernd sagte, jetzt sei aber Schluss mit lustig, so habe er sich das Zusammenleben nicht vorgestellt, und so geht das nicht weiter. Dann ging er erst einmal auf den Balkon, um sich zu beruhigen.
Da hörte er von drinnen auf einmal einen Höllenlärm. Er stürmte rein und musste ansehen, wie sie in der Küche alles Geschirr aus den Schränken holte und zu Boden warf, anschließend alles Besteck, dann die Töpfe und die Pfannen. Dabei schrie sie wie von Sinnen, ihre Tochter schrie ebenfalls. Er wollte das weinende Kind zu sich und in Sicherheit nehmen. Da schrie sie ihn an „FINGER WEG VON MEINEM KIND...UND...RAUS HIER!!!“.
Er schnappte sich seinen Schlüssel, das Handy hatte er bereits in der Hosentasche, behielt seine Hausschuhe an und machte sich nach draußen so schnell er konnte. Draußen vor der Haustür lief ihm erst einmal ein kalter Schauer über den Rücken, dann rief er die Polizei. Er wechselte die Straßenseite und ging den Weg dort auf und ab. Die Polizei brauchte nicht lange, aber ihm kam es vor wie eine Ewigkeit. Sie begrüßten ihn freundlich, es waren zwei Männer und eine Frau. Er ging mit ihnen nach oben zur Wohnung. Kaum war die Tür offen, schaltete die Frau blitzschnell und rief „Bloß gut, dass Sie da sind. Wer weiß, was noch passiert wäre. Ich habe ja solche Angst!“. Dann ging alles ziemlich schnell, recht bald sagte einer der beiden Männer zu ihm „So Freundchen, mitkommen!“.
Er verstand die Welt nicht mehr „Hä, was haben Sie denn jetzt vor? Was habe ich denn getan?“ „Das klären wir auf der Wache!“ Er bekam noch kurz Zeit, ein paar persönliche Dinge mitzunehmen, seine Geldbörse, Autoschlüssel, Papiere, Ladegerät, Handy hatte er ja sowieso schon dabei. Der eine sagte noch zu seiner Kollegin „Lisa, wenn Du fertig bist, kommst Du auch runter, ja?“. Und schon ging es mit Bernd und den beiden Männern nach unten. Im Auto warteten sie bis die Kollegin kam, dann ging es zur Wache. Als er da so saß, spürte er eine Leere in seinem Kopf, irgendwie wie aus der Ferne nahm er die Belehrungsfloskeln wahr. Alles was er noch konkret aufschnappte, war:
Betretungsverbot... Näherungsverbot... zunächst vierzehn Tage... hohe Strafe bei Nichtbefolgung... Dann wollten sie noch eine zustellfähige Adresse von ihm, unter der er vorübergehend postalisch erreichbar wäre. Er gab die seiner Eltern an. Der eine Kollege gab ihm noch auf dem Weg mit „Ich gebe Ihnen den Tipp: Um Konflikten vorzubeugen, meiden Sie alle Orte, wo sich Ihre Partnerin gewöhnlich aufhält, weiträumig!“
Und schon war er an der frischen Luft. Was nun? Er ging erstmal ziellos umher, musste sich etwas sammeln. Dann rief er seine Eltern an. Zum Glück wohnten die noch in dem Haus, in dem er seine Kindheit verbrachte, und es war zum Glück in der Nachbarstadt. So konnte bzw. musste er zunächst für vierzehn Tage wieder in sein altes Kinderzimmer ziehen. Unangenehm war es natürlich, den Eltern die ganze Geschichte zu erzählen, die sie auch recht ungläubig aufnahmen.
Am Folgetag holte zwei Freunde sein Auto ab, er durfte sich ja seiner Wohnung nicht mehr nähern. Auch die nahmen seine Geschichte sehr ungläubig auf. In den Folgetagen musste er sich noch neu einkleiden, seine Sachen waren ja in der Wohnung. Ein Freund gab ihm noch einen Hinweis zu einer Beratungsstelle, zu der er auch Kontakt aufnahm. Die treffen sich jeden Donnerstag, da ging er dann auch hin. Auf dem Weg malte er sich noch genüsslich aus, wie beeindruckt die Anderen von ihm sein würden
"So ein toller Vater, der so viel durchmacht und doch so entschlossen um sein Kind kämpft, welches noch nicht einmal seins ist. Die werden große Augen machen!", dachte er. Da war er sich ganz sicher! Im Raum angekommen begrüßte er die anderen und nahm Platz. Der Versammlungsleiter, ein älterer Herr von Mitte siebzig mit Brille, grauem Haar und Bart, eröffnete die Sitzung mit ernster Mine „Die meisten von Euch kennen ja Reiner. Der hat letzte Woche vor Gericht eine krachende Niederlage hinnehmen müssen und wurde dabei so unwürdig vorgeführt, Details spielen jetzt mal keine Rolle. Aber er liegt jetzt nach einem Suizidversuch im Krankenhaus. Uns bleibt jetzt leider nicht mehr, als ihm das Beste zu wünschen.“ Betretenes Schweigen.
Danach sollte jeder sich und seinen Fall kurz vorstellen, zuerst waren die Neufälle dran. Vor ihm schilderte jemand seine Erlebnisse beim Jugendamt, wo seine Ex allerlei haltlose Sachen gegen ihn vorbringt, ihn sogar des Kindesmissbrauchs beschuldigt, sich dabei aber teilweise so offensichtlich selbst widerspricht, und der trotzdem vorbehaltlos alles geglaubt wird, er hingegen bekommt nicht einmal die Chance, seine Sicht der Dinge darzulegen. Erbost platzte es aus Bernd raus: „Das geht ja gar nicht! Denen würde ich aber mal was erzählen!“. Ein genervtes Stöhnen ging durch den Raum. Der Versammlungsleiter sagte ruhig, dass der Vater an dieser Stelle leider erstmal nicht viel machen könne, nur alles so detailliert wie möglich für sich protokollieren und die weitere Situation abwarten. Dann war Bernd dran. Er schilderte, dass er aus seiner Wohnung raus musste, die Ex mit dem Kind drin blieb und er sich große Sorgen um das Kind macht.
Der Versammlungsleiter fragte, ob er das gemeinsame Sorgerecht habe. „Nein“ sagte Bernd „Es ist ja auch nicht mein leibliches Kind.“ „Na, das hättest Du auch im Vorfeld erwähnen können, dann hättest Du Dir den Weg hierher gespart.“, entgegnete der Versammlungsleiter. Bernd: „Aber das geht doch nicht. Das Kind braucht doch einen sozialen Vater, der leibliche ist nämlich ein totaler Tyrann, sowas kann man dem Kind doch nich antun!“. Wieder ein genervtes Gestöhne im Raum, einer ließ mit einem lang gezogenen „Gääääähn“ seinen Kopf langsam auf die Tischplatte sinken. Der Versammlungsleiter entgegnete: „Wenn es nicht Dein leibliches Kind ist, kannst Du so viel sozialer Vater sein oder gewesen sein wie Du willst. Das interessiert niemanden außer Dich. Damit können wir das abschließen, oder gibt es sonst noch was zu klären?“.
Bernd erklärte, dass er von der Polizei aus der Wohnung geworfen wurde, obwohl er gar nichts gemacht habe, im Gegensatz zu seiner Ex „ob Ihr das glaubt oder nicht.“, „Doch das glaube ich.“, entgegnete der alte Mann. „Und gerade heute,“ fuhr Bernd fort „habe ich ein Schreiben vom Gericht bekommen, nur kurz überflogen, noch nicht alles verstanden, aber irgendwie was von sechs Monaten. Heißt das, dass ich jetzt unschuldig ein halbes Jahr nicht in meine Wohnung darf?“. „Ah Gewaltschutzgesetz...“, entgegnete einer aus der Gruppe süffisant, und „Nö, wird kein halbes Jahr dauern, sondern ein ganzes.“. „Das ist übrigens Thorsten.“, sagte der Versammlungsleiter ruhig „Der kann Dir nachher sicher mehr darüber erzählen. Fertige ansonsten mal Gedächtnisprotokolle über den Hergang an, lege die offiziellen Schriftstücke bei und lasse mir das mal alles zukommen! So, und nun können wir weiter machen. Nächster Fall...“.
Bernd war erstmal geplättet, aber für den Versammlungsleiter und auch für die Anderen schien das alles irgendwie Routine zu sein. Es folgten verschiedene Geschichten, vieles konnte Bernd einfach nicht glauben oder nicht fassen. Einer schilderte, dass er pünktlich den Kindesunterhalt zahlt, obwohl die Mutter den Umgang verweigert, und er jetzt trotzdem gepfändet werden soll. Ein anderer schilderte, wie seine beiden Kinder mit Verletzungen - von der Mutter zugefügt - zu ihm flüchteten und er die Kinder sofort ins Krankenhaus brachte, und wie die Mutter diese dann auch prompt wieder dort abholte. Und jetzt solle er dafür auch noch Ärger bekommen. Das Jugendamt ist auf Seite der Mutter.
Da platzte Bernd der Kragen „Sowas muss man doch an die Öffentlichkeit bringen. Die Presse ist sicher scharf auf sowas!“. Wieder ein Raunen im Raum, der Gähner von vorhin meinte schnippisch „Sag mal, merkst Du´s nicht? Du langweilst uns!“. Der Versammlungsleiter entgegnete „Nun nimm Dich mal ein bisschen zurück, Nils. Als Du damals das erste Mal hier warst, warst Du noch genauso unbedarft.“ Bernd schämte sich. Er wollte doch die Anderen so beeindrucken und war jetzt selbst bis auf die Knochen blamiert. Für den Rest des Abends hielt er einfach nur noch die Klappe. Als letzter war Thorsten dran. Er sagte, dass er nun wieder in sein Haus durfte, Die Ex wäre draußen, wie ihm mitgeteilt wurde, leider auch mit dem Kind. Wie denn nun die Chancen stehen würden, dass er wieder geregelten Umgang bekommen könne. „Leider nicht so rosig.“, entgegnete der Versammlungsleiter. „In der Zwischenzeit ist ja eine Kontinuität geschaffen. Die Gegenseite würde darlegen, dass die Entfremdung jetzt weit genug fortgeschritten wäre. Aber natürlich, versuche es!“.
Nachdem der alte Mann die Versammlung beendet hatte, ging Bernd auf Thorsten zu „Du kennst Dich also mit dem Gewaltschutzgesetz aus, was muss ich denn da jetzt machen?“. „Erstmal um Dich kümmern.“, entgegnete Thorsten, „Bist Du wenigstens gut untergekommen?" „Ja, bei meinen Eltern“, sagte Bernd leise. „Na immerhin.“ „Aber wieso eigentlich Gewaltschutz, schließlich ist sie doch völlig ausgetickt und nicht ich!“. Bernd holte sein Handy raus, suchte ein Bild mit seiner Ex und dem Kind und zeigte es Thorsten „Sieh sie Dir an, sowas hätte ich ihr nie zugetraut!“, da wurde Thorstens Blick plötzlich trüb und mit zitternden Lippen sagte er ganz leise „Na wenigstens siehst Du glücklich aus, meine Kleine. Ich vermisse Dich, mein Kind!“. Das fuhr durch Bernd wie ein Schlag, nun war er vollends blamiert. Das sollte also der Tyrann sein, dem sein Kind ja so egal war und der seine Ex so übel behandelte – und den er vorhin auch noch vor der ganzen Gruppe unwissend so bezeichnete... „Sag mal, was meintest Du da vorhin mit einem ganzen Jahr?“.
„Ja, wird verlängert, da kannst Du Dir jetzt schon sicher sein. Und danach kannst Du mühsam versuchen, sie aus Deiner Wohnung zu bekommen, wenn sie nicht von alleine weiterzieht.“ „Oh Gott! Mir hat sie von Problemen mit ihrem Vermieter erzählt, ich bin so ein Idiot!“. „Na wenigstens das war ja nicht vollständig gelogen“, lachte Thorsten, „Sinngemäß war ich ja sogar ihr Vermieter. Du hast übrigens theoretisch die Möglichkeit, Miete von ihr zu verlangen. Aber praktisch? Vergiss es!“. „Ihren Job ist sie übrigens auch los.“ „Hä? Was für einen Job? Die hat noch nie irgendwas gearbeitet.“ Bernd wäre am liebsten im Boden versunken vor Scham. Danach wollte Thorsten noch einiges über sein Kind wissen...
Auf dem Heimweg wurde Bernd klar, dass er sich nun schnellstens eine Wohnung zur Miete suchen muss – was gerade jetzt nicht einfach wird. Bei seinen Eltern könne er unmöglich noch so lange bleiben. Die Situation hat sich in den letzten Tagen zunehmend verschlechtert. Seine Eltern vertraten rigoros den Standpunkt „Da hast Du uns sicher nicht alles ganz ehrlich erzählt, da muss doch was gewesen sein. Das machen die doch nicht einfach so. Schließlich sind wir hier in Deutschland und nicht in irgendeiner Bananenrepublik!“...
Dieser Artikel ist nicht autobiografisch. Ich bin nicht Bernd und auch nicht Thorsten. Aber ich bin haarscharf an einer vergleichbaren Situation vorbeigeschrammt. Die geschilderten Geschichten auf der Versammlung haben sich so und mehrfach ähnlich tatsächlich zugetragen, wurden hier nur zu einer Geschichte zusammengefasst. So etwa laufen Beratungsabende in Vätergruppen tatsächlich ab. Oder vielleicht doch nicht? Schließlich ist das hier ja ein Satiremagazin.
Was Bernd angeht: Wenn er begreift, dass er letztlich mit einem blauen Auge davongekommen ist, und wenn er aus dem Erlebten und Gehörten die richtigen Schlüsse zieht – ja, dann ist er ein Glückspilz!
Diskutiere über diesen Artikel und teile Deine Erfahrungen mit anderen Lesern!
Beachte bitte die Kommentarregeln!
Wenn Du selbst spannende Themen oder interessante Erfahrungen hast, dann schreib doch einen Gastartikel darüber, natürlich völlig anonym. Unser Gastartikelportal mit weiteren Informationen findest Du hier.
Hast Du auf dieser Seite einen Fehler entdeckt? Auf unserer Fehlerhinweisseite kannst Du uns darauf aufmerksam machen und eine Korrektur vorschlagen.