Süß und falsch
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Gastautor: P.
Mittlerweile weiss es jeder: Honig liegt weit vorn. In der Spitzengruppe der Häufigkeit von Lebensmittelfälschungen. Honigfälschungen sind zu einem hochspannenden Wirtschaftskrieg geworden, Stellvertreter für viele andere Probleme mit Lebensmitteln und einer internationalen Handelspraxis. Aber selten passiert es so heftig wie bei Honig. Die Schlagzeilen prasseln nur so herein: "Honig - der grosse Fake", "Lebensmittelbetrug: Das Geschäft mit dem gefälschten Honig", "Gepanscht und verfälscht: Der grosse Honigschwindel", "Betrug: Gefälschter Honig flutet Europa". Fälschungen in so grossem Stil sind organisierte Kriminalität. Sie sind Verbrechen an den Verbrauchern, an den Bienen und an den Imkern. Kein Monat vergeht ohne neue Hiobsmeldungen. Anfang des Jahres wurde eine grosse EU-Untersuchung bekannt, die Verfälschungen als Normalfall aufdeckte, im Oktober untersuchte der Deutsche Berufs- und Erwerbsimkerbund (DBIB) eigenständig Honige aus deutschen Supermärkten. Das Ergebnis: 80 % der Proben waren gepanscht.
Wer fälscht da? Wie macht man das? Was hat es für Folgen? Was tun die Lebensmittelkontrolleure? Wie kann ich das vermeiden? Das sind so die üblichen Fragen, zu denen Imker oft gefragt werden. Lernen wir etwas darüber.
Wer fälscht da?
Die letzten hunderttausend Jahre war Honig nicht fälschbar, weil alle anderen Süssungsmittel noch schwieriger zu bekommen waren als Honig. Wasser reinschütten ging auch nicht, dann fing er an zu gären. Das kann erwünscht sein, aber dann erhält man Met und keinen Honig. Die Geschichte der Honigfälschungen beginnt erst mit dem Aufkommen von billigem Zucker aus Zuckerrüben, der industriell in ganz grossem Massstab produziert werden konnte. Rübenzuckerzumischungen gingen aber bald wieder stark zurück, weil auch die Labortechnik besser wurde und sie im Labor mit der Zeit leicht feststellbar waren.
Die Zahl der Honigfälschungen explodierte erst wieder in den letzten Jahrzehnten. Diesmal sind sie eine chinesische Domäne, direkt und indirekt. Herkunftsdeklariert wird der Falschhonig freilich oft anders. Importverbote umgehen die chinesischen Händler, indem sie in Drittländer, bevorzugt welche mit chinesischem Bevölkerungsanteil exportieren, dann dort im Mafiastil von anderen chinesischen Firmen umdeklarieren lassen und erneut exportieren. So stieg beispielsweise nach einem Importverbot wegen eines Antibiotika-Skandals die exportierte Menge Malaysias genau um die Menge, die vorher China exportiert hatte. Dasselbe Spiel über Bande passiert mit Vietnam und mittlerweile auch Kanada. So lassen sich auch Zweifel besänftigen, die aus dem begründet schlechten Image chinesischer Ware entstehen, die wegen mangelnder Hygiene, hohem Wassergehalt, Verfälschungen und zu hohen Rückständen von Arzneimitteln und Pestiziden immer wieder in die Kritik steht.
Mit der Zeit kam eine zweite grosse Verwertungsstufe hinzu. Händler kaufen gar keinen chinesischen "Honig" mehr, sondern andere chinesische Grundprodukte, um damit selbst zu mischen, nämlich fälschungsgeeignete Sirupe in grossem Stil. Der Sirup wird offen auf den bekannten chinesischen Plattformen hektoliterweise verkauft, versehen mit der Werbung, er sei im Labor im Honig nicht zu entdecken. Es gibt ihn in vielen Farben und Geschmacksrichtungen – zusammen mit dem garantierten Versprechen, dass sie den „Labortest bestehen“, und den ganz legalen Analyse-Parametern der „EU-Honig-Direktive 2001/110/EC“ entsprechen. Bei der letzten richtig grossen Untersuchung sind damit verfälschte Honige aus Grossbritannien und der Ukraine aufgeflogen und auch die Türkei erreichte satte 93 % Fälschungsrate Dank der grosszügigen Verwendung chinesischer Sirupe. Von 320 in der EU gehandelten Honigen waren es 46 %, die auffällig waren. Die hohe Nachfrage beflügelt die Betrüger. Weltweit preschen jüngst Indien und Vietnam mit Fälschungen vor, das schlechte Beispiel macht Schule.
Wie gehen die Fälscher vor?
Betrogen wird auf viele Arten, zwei sind besonders häufig. Die Erste ist relativ einfach und in China absoluter Standard. Der Honig wird völlig unreif mit hohem Wassergehalt aus den Bienenvölkern entnommen. So lässt er sich sehr leicht schleudern und die Dauerernte in kurzen Abständen bei hoher Ausbeute lässt die Erträge in extreme Höhen steigen. Die Bienen arbeiten ihn nicht mehr um, fressen nichts davon, er wird sofort entnommen. Dieses Wasser-Nektargemisch wird anschliessend industriell in der Fabrik getrocknet, konzentriert und bekommt je nach Zielmarkt und Fälschungswillen noch weiter Zusätze. Das Ergebnis ist ein enzym- und aromaschwacher Sirup, in dem nur Spuren wertgebender honigtypischer Stoffen enthalten sind. In der EU durfte getrockneter Rohhonig noch nie als Honig verkauft werden. Immerhin war es mal was, das von Bienen gesammelt wurde. Dieses Vorgehen ist dort so selbstverständlich und gilt als normal, dass die Trocknung auch bei Werksbesichtigungen gezeigt wird.
Krass wird es bei Kunstsirupen, dem Grundstoff für alle vollen Fälschung. Es ist eigentlich Abfallverwertung, hergestellt aus minderwertigen Stärkeresten allerlei organischen Materials mit Hilfe gentechnisch hergestellter Enzymen in Reaktoren, dann mehr oder weniger aromatisiert. Die Stärke stammt beispielsweise aus nicht mehr geniessbarem Reis, Getreide und Mais mit Schimmelbelastung, aus Holzverzuckerung. Reis wird bevorzugt, weil er eine C3-Pflanze ist, so wie Nektar hauptsächlich aus Blüten von Pflanzen des C3-Zyklus stammen, was im Labor mittlerweile gut von Zucker aus C4-Pflanzen (z.B. Mais) unterschieden werden kann. Danach greifen die Fälscher auf ein stetig ausgebautes Sammelsurium von Zusatzstoffen zurück, um Labors zu täuschen. So werden beispielsweise Pollen beigemischt, Hilfsstoffe, Farbe.
Abgemischt wird je nach Zielland mit unterschiedlichem Aufwand. Es gibt einen Zusammenhang des Exportpreises für chinesischen "Honig", der je nach Kontrollintensität mit NMR-Spektroskopie (eine analytische Methode zur Bestimmung der Molekularstruktur und chemischen Zusammensetzung einer Probe) korreliert. England und Portugal bezahlen in dieser Aufstellung den niedrigsten Preis, dort gibts es keine gute Labortechnik, auch einfachere Fälschungen fliegen nicht auf. NMR-fester Sirup ist etwas teurer. Interessanterweise liegt der Preis für chinesischen Honig im chinesischen Inland 3-bis 5-mal höher als der Exportpreis, er ist sogar teurer als die Exportpreise von südamerikanischem Honig. Das ist nur mit einer anderen Qualität bzw. der Durchsetzung von verschiedenen Qualitätsstandards für Import und Export durch die chinesische Regierung zu erklären. Der Müll wird exportiert, wohin es eben geht. Viel Geld gibt es aber nicht dafür, der Exportwert von Neuseelands Manukahonig ist grösser als all die gigantischen Mengen chinesischen "Honigs" zusammen!
Was tun die Lebensmittelkontrolleure?
Nichts. Es wird trotz der bekannten grossflächigen kriminellen Fälschungspraxis auch weiter ungebremst fleissig gefälschter Honig importiert. Die Analyseergebnisse des letzten grossen Tests waren so krass, dass auch EU-Kommission, Verbraucherschutz, die Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (SANTE), Polizei und Europol eingeschaltet wurden, aber auch diesmal werden von deren Seite wachsweiche Erklärungen ohne weitere Konsequenzen folgen.
Ein Hauptproblem liegt bei den Laboren. Die Fälschungen sind für die meisten Untersuchungsmethoden viel zu ausgefeilt. Das wird sogar von den Fälschern getestet, es kommen regelmässig Honigproben zweifelhafter Herkunft aber neutralen Absendern, die laut Laborleitern danach riechen, dass hier nur das Labor selber getestet werden soll, ob etwas der nachfolgenden grossen Exportpartie auffliegen könnte. Fliegt es auf, wird eben in ein Land mit weniger guter Labortechnik verkauft.
Für die besseren Analysen mussten die Imker bei der letzten Aktion sogar nach Estland ausweichen. Deutsche Labore nutzen nur NMR-, IRMS-, LC/MS-Untersuchungen, Analysemethoden, die viele neue Fälschungsmethoden nicht feststellen können. Deutschland ist bei Technik nur noch Mittelmass. In Estland wurde eine DNA-Sequenzierung des Honigs vorgenommen. Ergebnisse: Keine Bienen-DNA in mehreren Proben zu finden, mexikanischer Honig war zweifelsfrei aus Asien, Fälschungen enthielten laut DNA-Profil Pflanzen, die von Bienen gar nicht beflogen werden - da wurde zugemischt, um Aroma und herkömmliche Analysen zu täuschen. Die beiden deutschen Proben waren einwandfrei. Sogleich meckerte der Verband der Honigimporteure, die verwendete DNA-Methode werde bisher nicht als Referenzmethode angesehen.
Was hat es für Folgen?
Diese Kunstprodukte haben natürlich Folgen auf die Gesundheit des Konsumenten. Man könnte glauben, gefälschter Honig sei ja auch nur Zucker, also kein grosser Unterschied und keine grossen Folgen für den, der das Zeug isst, Zucker essen wir schliesslich täglich. Also rauf aufs Brot damit, mild ist ja auch gut und stört nicht. Weit gefehlt. Echter Honig enthält neben vielen verschiedenen unterschiedlichen Zuckerarten, Flavonoiden, Polyphenolen und Antioxidantien, wie Alkaloide, Glykoside, Anthrachinone und flüchtige Verbindungen, die im Körper eine starke biologische Aktivität entfalten. Alle Imitationen und auch der ganz legal verkaufte vegane "Honig" enthalten das nicht. Ihr glykämischer Index ist sehr hoch, die Insulinausschüttung ist um ein Vielfaches höher als bei echtem Honig. Sie verursachen einen Zuckerkick, Heisshunger durch die Blutzucker-Achterbahnfahrt, Fettleibigkeit, Diabetes sind die Folgen.
Ein Teelöffel Honig in warmem Wasser ist das beste Mittel, um abzunehmen. Honig trägt zur Gewichtskontrolle bei, die durch das Hormon Leptin gesteuert wird. Heisshunger und Lust auf mehr Süsses wird gedämpft. Bei gefälschtem Honig ist zwar der Leptinpegel hoch, aber es wird eine allgemeine Leptin-Resistenz entwickelt, so dass es in Folge zur Gewichtserhöhung bis hin zur Fettleber kommt. Der Industriesirup führt im Körper zur oxidativem Stress, mit entsprechenden Folgen: Koronare Herzerkrankungen nehmen zu, Insulinresistenz und Diabetes mit allen ihren Folgeerscheinungen greifen sich Raum. Letztendlich werden alle Organe negativ beeinflusst. Ratten, die acht Wochen mit gefälschtem Honig gefüttert werden, bekommen Fettpolster, werden kränker, dieselbe Menge Honig verursacht das nicht.
Honig ist ausserdem nicht nur Genuss-, sondern auch Heilmittel, hilft bei chronischen Darmentzündungen, sorgt für positive Immunreaktionen, hat antibakterielle Wirkung. Gefälschter Industriesirup-Honig verursacht sogar chronische Entzündungen im Körper, Exzessive Glykation, erhöhte Darmdurchlässigkeit, erhöhtes LDL-Colesterin, was mit höheren Werten des C-reaktiven Proteins (CRP) korreliert, einem klassischen Entzündungsmarker. Das ist alles sehr gut erforscht und gilt unstrittig für die industriell hergestellten Zuckersirupe mit ihrer isolierter Glukose, Fruktose, Saccharose oder Dextrose.
Während echter Honig wegen seiner Bakterienhemmenden Nebenstoffe und Zuckerzusammensetzung keine Karies verursacht, tun das die Sirupe kräftig. Viele Fälschungssirupe enthalten auch noch Arsen. Der Glucosesirup wird am häufigsten aus Reis von belasteten Böden hergestellt. Der Verbraucher vergiftet sich schleichend mit diesem Schwermetall.
Folgen haben die Fälschungen aber auch auf Imker. Heimischer Honig unter 10 EUR pro Kilo im Endpreis kann niemals kostendeckend sein, in Österreich werden sogar 20 EUR gerechnet, billiger wird es nur, wenn einem Hobbyimker Einnahmen egal sind oder wenn eben importiert wird. Importhonig liegt bei 2,17 EUR pro Kilo, der Sirup bei 40 bis 60 Cent. Kein Imker auf der Welt kann mit dem Kunstsirup konkurrieren. Exportstarke und sauber arbeitende südamerikanische Imkereien mussten deshalb schliessen, in Australien und Kanada haben die Billigimporte die Märkte für Imker zusammenbrechen lassen, in den USA wurde der Honigimport kurzerhand stark begrenzt, dort war das politisch leichter möglich wie in anderen Ländern. Das schadete dann auch ehrlichen Exporteuren und führte auch zu Probleme in Europa.
Wie kann ich das vermeiden?
Gefälschter Honig lässt sich relativ einfach vermeiden. Kleine, lokale Imker fälschen nicht - wie auch? Möglichst bienenvolknah kaufen ist eine sichere Strategie. Deutscher Honig aus seriöser Quelle ist generell nicht gefälscht. Danach wird die Vermeidung nicht mehr so einfach. Dünner wird es nämlich schon bei innereuropäischen Honigen, auch hier gilt: Direkt von echten Imkern ist es auch echter Honig. Im Grosshandel, bei den Abfüllern sieht es dann je nach Herkunft schon wieder nicht so gut aus. Kristallisierter Honig ist dabei als ein Qualitätsmerkmal zu werten. Falscher Honig (gepanscht oder auch zu stark erhitzt) wird weder dickflüssig noch fest. Leider gilt das nicht für Mischungen. Sortenhonig ist besser als unbezeichnete Mischungen mit Fantasienamen. Eine weitere Stufe abwärts stehen die Honigmischungen aus verschiedenen Ländern auch ausserhalb der EU. Hier kann man sich fast schon darauf verlassen, dass auch gefälschte Partien enthalten sind, mal mehr, mal weniger. Ganz unten steht der Honig, den wir nicht aus dem Glas konsumieren, sondern der als Zutat in anderen Lebensmitteln enthalten ist, etwa im Müsli, in Süssigkeiten, Backwaren. Dort herrscht maximaler Preisdruck, die Ware wird sowieso zusätzlich aromatisiert, die Nachweisanalyse ist nochmal schwieriger. "Enthält Honig" sollte man eher als Warnung verstehen denn als Qualitätsmerkmal.
Jede industriemässige Abfüllung von Honig bringt zudem erhebliche Verringerung der Naturbelassenheit mit sich. Auch ungefälschter Importhonig kristallisiert bereits beim Schiffstransport in grossen Fässern. Er muss dann lange erwärmt werden, um ihn in Gläsern abfüllen zu können.
Im Zweifel ist es besser, gar nichts zu kaufen. Soll es ein süsses Frühstücksbrot sein und der Imkerhonig ist einem zu teuer, dann Marmelade. Mit der bekommt man wenigstens Aroma zum Zucker. Und der besteht aus konventioneller Saccharose aus Rüben oder Zuckerrohr ist und nicht Stärkeabfälle, die mit gentechnisch veränderten Bakterien in Fructose und Glucose verwandelt wurden, dann in betrügerischer Absicht um den Globus herum verschifft wurden.
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