Die Not ist groß!
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Gastautor: Quotenhomo
Samstagabend. Ich bin mit ein paar Freunden verabredet, wir wollen einen trinken, die Männer vielleicht eine Mieze aufreißen.
Ich zieh mich mittelmäßig an, ich will nicht allzu gut ankommen. Außerdem habe ich heute ein Experiment vor. Verdeckt will ich mich ausgeben, als einer der wichtigsten Philosophen und Gelehrten der modernen Zeit. Ein Mann, voller Weisheit und Erfahrung. Herrscher über einen eingeschworenen Kreis, nur Untergebener einer Vierbeinerin, der er verfallen ist.
So fahren wir mit dem Taxi in die Stadt. Wir lassen es locker angehen, sind zuerst essen, danach in eine Kneipe, um uns einige Bier schmecken zu lassen und dann in eine hervorragende Bar, in welcher die Chancen gut sind, dass Testosteron auf Östrogen trifft.
Wir kommen an, checken die Lage. Auf der kleinen Tanzfläche findet sich eine 5er Gruppe Damen. Sie nuckeln am Cocktail, lachen gekünstelt, bewegen sich leicht zur Musik.
Sie schielen zu uns als wir ankommen. Kaum wahrnehmbare Körpersprache signalisiert auch den beiden, die uns den Rücken zuwenden, dass gerade Potenzial ankam.
Wir geben die Jacke ab. Seuchencheck, Belehrung, dann kann’s losgehen. Fordernd mustere ich eine der Damen im Vorbeigehen. Ab an die Bar: Whisky-Sour für mich. Dazu stilles Wasser.
Ich plaudere mit den Männern. Wir lachen. Ich checke weiter die Lage, schenke dem Rudel auf der Tanzfläche keine Beachtung mehr.
Wie aus dem Bilderbuch und jedem zweiten mittelmäßigen Hollywoodfilm, verlegen die fünf ihr Lager von der Tanzfläche an die Bar. Keine 5 Minuten später fragt mich meine Wahl vom Anfang, was ich denn tolles trinke. (Unterhaltung aus dem Gedächtnis)
„Whisky-Sour“, entgegne ich. „Und du?“
Sie hätte gerade ausgetrunken, ob ich eine Empfehlung hätte. Ich lächle, weiß ich doch, wo die Reise hingehen soll. „Klar! Der Barkeeper macht dir sicher einen hervorragenden Tequila-Sunrise.“ Ob ich ihr einen bestellen würde, fragt sie. Innerlich grinse ich. Sie verliert keine Zeit. Ich entgegne ihr, dass ich ihr vielleicht den nächsten bestelle. Sie lacht. Volltreffer.
„Wie heißt du?“, fragt sie mich. „David, und du?“ lüge ich.
„Sabrina. Schön dich kennenzulernen. Wo wohnst du?“
„Danke. Hier in der Stadt, nicht weit.“
„Haben euch eure Frauen heute ausgehen lassen?“, fragt sie und lacht. Donnerwetter, ganz schön forsch, die Not muss groß sein.
„Mich nicht. Ich brauche keine Frau zu fragen. Aber meine Freunde waren tolle Freunde und Ehemänner, heute dürfen sie mal raus.“ gebe ich als Bilderbuchantwort. Sie lacht, ein Freund bekommt es mit und lacht ebenfalls. Er dreht sich zu uns und sagt: „Das richtige Glück einer guten Ehefrau musst du noch suchen.“ Er zwinkert ihr zu. Jackpot.
„Jaja, da hast du recht“, antworte ich etwas traurig.
„Da hast du wohl als einziger die Richtige noch nicht gefunden“, antwortet sie und streichelt mir über die Schulter. „Ich komme gleich wieder“, sagt sie und verabschiedet sich. Sie verschwindet mit einer Freundin in Richtung WC.
Ich wende mich den Männern zu. Sie grinsen, einer sagt, dass ich ein Arsch sei, wissen sie doch von meiner Resistenz. Ich muss lachen, und antworte, dass er das in 20 Minuten nochmal sagen soll. Wir prosten uns zu und freuen uns am schönen Leben.
Etwa zehn Minuten später sitzt Sabrina wieder neben mir an der Bar. Das Make-up hat eine kleine Auffrischung erfahren. Ich schau ihr auf die Brüste, und frage, was sie denn für Hobbys habe. Die Dating-Basics eben. Sie fängt eine längere Geschichte an: Tennis früher, wegen C. aber scheiße. Aktuell Yoga, zu Hause, sonst lese sie gerne. Ich frage, welches Buch sie denn aktuell liest. Sie nennt einen Titel, den ich mir nicht merken konnte. Es ging um eine Frau, die ihre Schwester rund um den Planeten sucht, blablabla. Langweilig.
Sie fragt nach meinen Hobbys. Ich lüge, dass ich in meiner Freizeit gerne kiten gehe, aktuell aber keine Saison wäre. Deshalb bin ich im Winter eher in meiner Werkstatt und schreinere kleine Möbel oder arbeite an einem neuen Treppengeländer. Sie will wissen, was denn kiten ist. Ich erkläre, dass es wie Windsurfen ist. Auf einem Brett im Wasser mit einem Schirm. „Wo macht man sowas denn?“ „Am Wasser, gerne am Meer, Bali, Malediven oder auch am Atlantik, wenn man die Kälte aushält.“ Sie antwortet, dass sie das auch mal ausprobieren würde. Ich lächle, empfehle für Anfänger den Comer See.
Jetzt will sie wissen, was ich denn beruflich mache. Interessant, wie sie das Gespräch führt, ist das sonst meine Aufgabe, geht aber wunderbar in die Richtung, in die ich möchte. Ich lüge, dass ich Elektroingenieur sei. „Wow, ein toller Job und im Moment wäre ich bestimmt ein ganz gefragter Mann!“ Ich lache, zu einfach! Woher will sie wissen, ob das ein toller Job ist? Egal.
„Das mag sein, ich bin aber aktuell arbeitslos“, gestehe ich mit gesengtem Blick. „Wieso denn das?“, ist die forsche Reaktion. „Wegen meiner Ex.“, die Antwort.
„Was hat denn deine Ex mit deinem Job zu tun?“
Ich antworte, dass das eine längere Geschichte sei und sie sich das bestimmt nicht anhören möchte. „Die möchte ich sogar gerne hören“, antwortet sie. Wie fertig muss man sein, dass man sich beim Smalltalk die Geschichten der Ex anhören will, frage ich mich. Oder geht es etwa gar nicht um die Ex? ;)
„Na gut, ich bestelle aber noch ein Getränk. Was möchtest du trinken?“
„Einen Tequila-Sunrise bitte.“ Sie musste nicht lange überlegen.
Ich bestelle beim Barkeeper und wende mich ihr zu.
Ich fange an, erzähle von der kleinen Stadtvilla meiner Eltern, in die wir nach kurzer Kennenlernphase einzogen und der darauffolgenden Schwangerschaft und der Hochzeit kurz vor der Geburt unseres ersten Kindes. Kurz darauf die nächste Schwangerschaft. Als die Kinder 4 und 5 waren haben wir uns getrennt und es begann ein langer und zermürbender Rosenkrieg.
Sie schaut ganz mitleidig.
Ich erzähle weiter, dass ich ihretwegen meine Kinder nicht sehen darf, obwohl der Richter über 3.000 € Kindesunterhalt jeden Monat ausgeurteilt hat, welchen ich pünktlich Monat für Monat bezahlte und, wonach ich noch rund 2.000 € zum Leben habe.
„Sowas hört man öfter, das finde ich nicht gut“, antwortet sie. „Aber was ist mit deinem Job?“
Ich erkläre, dass ich, nachdem sie unsere Umgangsregelung nicht mehr eingehalten hat, die Zahlungen eingestellt habe.
Es kamen fiese Schreiben vom Rechtsanwalt. Ich sollte gepfändet werden. Also habe ich gekündigt, so kann mir das nicht passieren. Hartz 4 kann man nicht pfänden. Und ich habe fast das gleiche Geld zum Leben wie vorher.
Sie schaut verdutzt. „Ein krasser Schritt, das tut mir für dich und deine Familie leid. Warum muss das so sein?“, sagt sie.
„Danke, ich weiß es auch nicht“, antworte ich. „Zum Glück habe ich gute Freunde, die mir über die schwere Zeit helfen.“
Sie bleibt cool, will sie sich wohl nichts anmerken lassen. „Kommst du denn so über die Runden?“
„Ja, das geht gut. Ich habe immer etwas zu tun, und zwinkere ihr zu.“ Sie erzählt mitleidig, wie schlimm sie meine Situation findet und, dass meine Ex ein ganz mieses Stück ist.
Bis hierhin bin ich also ein geschiedener Familienvater, pleite, habe einen Rosenkrieg am Hals und es gibt keine Aussicht auf Besserung.
Ich grinse gequält und sage ihr, dass ich auch meinen Teil an der Trennung hatte. Sie schaut verdutzt und fragt, was ich meine und nach dem Trennungsgrund. Ich antworte ihr, dass ich meine Ex mit ihrem besten Freund betrogen habe. Und beiße mir auf die Zunge, damit ich nicht anfange zu lachen.
Sie schaut immer noch verdutzt und hakt nach. „Wie? Du – sie – mit ihrem besten Freund?“
„Ja“, ist meine knappe Antwort.
Kurz habe ich Hoffnung, dass sie mich als miesen Lügner entlarvt, schaut sie prüfend in meine Augen. Ich bring den Hundeblick und nehme einen kräftigen Zug aus dem Sour. Sie glaubt jedes Wort.
„Das ist ungewöhnlich. Bist du denn schwul?“ will sie wissen. Ich antworte, dass ich beides kann, und zwinkere ihr zu. Sie ist überzeugt, gibt man als Mann schließlich normalerweise nicht damit an.
Sie beendet das Thema und nippt an ihren Cocktail.
„Was habt ihr denn heute noch vor?“
„Wir werden noch etwas hier bleiben und dann weiterziehen.“
Sie schaut verlegen. Macht eine Pause, überlegt.
„Dürfen wir euch begleiten?“, fragt sie.
„Bestimmt“, antworte ich. „Mein Freund arbeitet an der Bar im Hyatt und stößt nach Feierabend zu uns. Er hat immer gute Tipps, wo wir hingehen können.“
„Dein Freund?“, schießt es wie aus der Pistole.
„Ja. Er muss bis 23 Uhr arbeiten.“
„Ah, okay“, antwortet sie, nippt kräftig am Tequila-Sunrise und verabschiedet sich nochmal zur Toilette.
„Du bist echt so ein Arsch“, haucht es hinter meinem Rücken von einem Kumpel. Ich wende mich den Männern zu und wir lachen kurz über meine neue Eroberung.
Sie kommt von der Toilette und tuschelt mit ihren Freundinnen. Sie kommt zu mir. Einer Freundin sei übel, sie gingen nach Hause.
„Gute Besserung, ist hoffentlich nichts Schlimmes“, entgegne ich ihr.
Verabschiedung, Abmarsch. Wieder eine Erfahrung reicher. Die Not muss groß sein!
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