• 23.04.2024

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Erbhöfe

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Gastautor: P.

Die meisten Hobbys lassen uns viel mehr vom Leben lernen, wie ein braver Beruf oder ein glänzender Lebensstil. So auch bei der Imkerei, sofern man nicht nur eine Handvoll Bienenvölker im Garten hält und einen alles darüber hinaus nicht interessiert.

Nach vielen Jahren mit dieser Tätigkeit, Bemühen um Faulheit und Fortschritt (hoher Ertrag für wenig Arbeit), Kontakt mit einer Vielzahl von Leuten und Organisationen, die sich mit Imkerei, Landwirtschaft, Natur und Biologie beschäftigen, lernt man nach wie vor täglich dazu. Interessant ist auch, wie sich die Wege der Leute entwickelt haben, die auch schon eine Weile mitmachen. Die meisten haben freilich wieder aufgegeben. Die Quote der Aufgeber liegt konstant bei 50 %. Etwa die Hälfte wirft ein paar Jahre später wieder hin, wenn sie mal angefangen hat. Die Gründe dafür haben eine ganz klare Ordnung:

Gesundheit. Nicht so oft, wie mancher denkt, aber noch oft genug. Der Kollege, der nach einem Motorradunfall anhaltende Bewegungsprobleme hatte, die zunehmend Rückengeschädigten, das Alter, eine mit Multiple Sklerose, eine gefährlich gewordene Bienengift- oder Propolisallergie – alles kommt im Bekanntenkreis vor.

Veränderte Lebensumstände. Häufiger sind persönliche Veränderungen – Umzüge, am neuen Ort keinen Platz mehr, Berufsaufstieg mit Reisen, die keine Tierhaltung mehr zulassen, Pflegefälle, die wichtiger werden wie das Hobby, Scheidungen mit Verlust von Ressourcen …

Mit großem Abstand der häufigste Grund ist aber: Der Urlaub, die Familie, kombiniert mit falschen Vorstellungen über sich und das Hobby. Denn als Tierhalter muss man präsent sein, in der Imkerei ab Anfang April bis Anfang August oft und regelmäßig. Das ist am Anfang immer einfach. Der Jungimker ist eifrig dabei, entdeckt schöne neue Dinge, die Familie engagiert sich auch gerne mit. Die ersten Völker bringen ein bisschen Honig, man kann mitreden, kauft sich neue Spielzeuge (Schleuder, Abfüllkanne, den tollen Rührer …), entwirft engagiert schöne Etiketten, erfreulich. Im zweiten Jahr lässt das Engagement schon ein bisschen nach, weil man ja auch noch andere Dinge treiben will. Die ersten Rückschläge kommen vor, die Viecher schwärmen davon, sterben im Winter. Man macht Fehler und schafft es nicht, stetigen Kenntniszuwachs und Gefühl zu erlangen. Richtung drittes Jahr schlägt dann die Freundin oder Frau vor, doch mal zu pausieren, sie wolle endlich wieder in den Pfingstferien in den Urlaub. Im Spätsommer sei es einfach zu heiß, zu teuer und zu oft ausgebucht. Längere Urlaube sind als Tierhalter aber einfach nicht drin. Kein Tier fragt nach deinen Urlaubsplänen, und weder Tier noch die gesamte Natur kümmern sich um Feiertag oder Werktag. Was getan werden muss, muss getan werden, auch wenn es zu Ferienbeginn Sonntagmorgen vor Sonnenaufgang ist. Und so tritt man mal ein bisschen kürzer mit dem Hobby, pausiert mal – aber daraus wird „für immer“. Ich kenne nur einen einzigen Fall, wo wieder begonnen wurde.

Es gibt auch Leute, die das Hobby stetig ausbauen können. Auffallend ist, dass es ein erstaunlich unbeachtetes gemeinsames Merkmal gibt, das fast monofaktoriell darüber entscheidet, ob es beim kleinen Nebenhobby bleibt oder ob jemand auch Einkommen mit der Imkerei erwirtschaftet, sich spezialisiert, mit der Zeit viele Bienenprodukte selbst produziert, mehr lernt, mehr Völker hält. Dieser gemeinsame Faktor schlägt fast alles andere. Was könnte das sein? Ein intelligenter, offener Imker? Eine Familie, die eifrig mitarbeitet? Gute Plätze für Bienenstände?

Weit gefehlt. Nichts davon ist entscheidend, aber etwas anderes, das eine Vielzahl wichtiger Faktoren bündelt. Es ist die Immobilie, die jemand hat und bewohnt. Hier gibt es eine ganz klare Teilung des Feldes: Der Wohnungsimker, der Hausimker, der „Erbhofimker“. Ein Wohnungsimker war ich auch einmal. Damals drei kleine Kinder, Dreizimmermietwohnung. Dazu ein kleiner Kellerverschlag. Es war übel und praktisch unmöglich, das dauerhaft zu betreiben. Kein Platz für gar nichts: Noch nicht einmal einen Wachsschmelzer konnte man einsetzen, ohne Ärger zu verursachen. Der Hausimker, der in unserer Gegend 75 % ausmacht, bleibt im Normalfall ein bürgerlicher Kleinhobbybetreiber, dem weitergehende Ambitionen versagt sind. Er hat 2–12 Völker, meist ein Gartengrundstück irgendwo, wenige Völker am Haus, die Garage ist das Lager für das Imkerzeug. Alles, was darüber hinausgeht, ist zwar möglich, wird aber schnell mühsam und der Mehraufwand zahlt sich nicht aus.

Nur der Erbhofimker ist es, der die Möglichkeiten und Ressourcen hat. Er hat einen bescheidenen Resthof geerbt, irgendetwas, in dem einmal landwirtschaftliche Tätigkeit betreiben wurde. Der Opa war vielleicht Nebenerwerbsbäuerchen und verdiente tagsüber auf dem Bau oder in einem Schlosserbetrieb dazu. Der Vater legte die Reste davon still und arbeitete beim städtischen Bauamt. Es gibt aber noch eine Scheune, meist einen alten Traktor, eine Obstwiese, oft einen alten kleinen Stall, kleine Nebengebäude, einen heute ungenutzten Garten, eine einfachere, ältere und oft eine neuere Wohnimmobilie. Das alte Haus hat einen echten Lagerkeller. Irgendwo ist ein Werkstattraum, alte Werkzeuge. Die paar Felder sind heute verpachtet. Das bescheidene Stück Wald, das immer dazugehörte, nutzt man selber für Brennholz und selten zum Stammverkauf, wenn es das hergibt. Wer dort lebt, der lebt und arbeitet völlig anders; Die Unterschiede zum Bürgerpalastbewohner in seinem Einfamilienhaus sind viel gravierender als auf den ersten Blick zu sehen. Worin liegen die Unterschiede?

Soziales Kapital satt: Im Gegensatz zum heutigen deutschen Normalfall, wo sich der Bürger im ganzen Land oder sogar über Kontinente herum hetzten lässt und nach Gold sucht, wo ihn Staat oder ein Arbeitgeber gerade einsetzen will, ist der Erbhofbesitzer oft seit Generationen an einem Ort. Ist er mal weg, kehrt er später wieder zurück. Er hat überall Verwandte in der Nähe. Er kennt die Herkunft der Nachbarn, die Besitzer jedes Stücks Land in der Umgebung, die Gemeindeverwaltung, die Amtsträger, die Jagdpächter, die Kontrolleure des Landratsamts. Er hat ein Leben lang Zeit und Raum für Freundschaftsaufbau und „Verbindungen knüpfen“, er kann beurteilen, mit wem man sich besser nicht anlegt und wen man aussortiert, was man sich leisten kann unter Umgehung von Genehmigungen und Bürokratie. Er muss nicht herausbekommen, wem der interessante Waldrand gehört, der sich für einen Bienenstand so gut eignen würde. Er weiß, dass der Vater seines Schwagers dort schon Bienen hatte. Wem der Wald gehört und das Feld davor. Er braucht keine Erlaubnis, um über Feldwege dorthin zu fahren. Soziales Kapital ist die größte und heute am meisten unterschätzte Ressource überhaupt.

Raum: Etwas ernsthafter betriebene nichtvirtuelle Tätigkeiten benötigen immer Platz. Der Einfamilienhausimker hat den selten. Erst mit etwas Platz ist auch eine rationellere Wirtschaftsweise möglich. Der Raum mit Warmwasser und Kacheln für die Schleuder in der alten Milchküche, das Beutenmaterial in der Scheune, Mittelwände selber giessen, Honig in einem kühlen Raum lagern, Wachs verarbeiten, ohne anschließend immer alles komplett wegräumen zu müssen, weil der Raum wieder anders genutzt werden muss, Fachbesucher empfangen, Platz für Feste, Zwischenaufstellung von Bienenvölkern, Abstellen von Fahrzeugen, Anhängern, Hubgerät, Lagern von Futter und Gläsern – die Liste ist endlos. Schon die Wirtschaftsweise der Erbhofimker ist anders. Sie merken das aber gar nicht, sondern gehen immer von sich aus, meinen, es müsse jeder so machen, weil das richtig wäre. Ist es. Aber gar nicht möglich ohne Erbhof. Der Einfamilienhausimker kann beispielsweise das Material gar nicht einfach zugreifbar unterbringen, das für einige Wirtschaftsweisen nötig wäre.

Kenntnisse: der Erbhofimker ist mit Werkzeug und Werkstatt aufgewachsen. Immer. Das ergibt sich automatisch. Er hat schon erlebt, wie ein Traktor repariert, ein Weg gepflastert, eine Gartenmauer gemauert, Bäume gepflanzt werden. Und wenn er etwas nicht weiß, kennt er Freunde oder Verwandte, die es wissen. Er repariert seine Bienenkästen selbst oder baut sie sogar.

Geistige Haltung: Erbhofimker wissen, dass sie örtlich stärker fixiert sind und bauen ihre Tätigkeiten deshalb von vornherein langfristiger, investieren besser, weil sie wissen, dass ihnen die Investition auch zugutekommt. Viele haben sowieso schon eine Tierhaltung. Hier sind das unter anderem Schafe, Ziegen, Hühner, Pferde oder auch nur Zuchtkaninchen. Einer in meiner Nähe hat eine kleine Fischzucht mit frischem Wasser aus der Quelle seines Steilhangs. Für diese Leute stellt sich die Frage nach Realisierung von großen Urlaubsträumen gar nicht. Sie leben stärker in der Umgebung und akzeptieren solche Einschränkungen. Sie sehen das als geringen Preis für den Gewinn anderer Möglichkeiten. Diese Möglichkeiten sind exklusiv: Einen Urlaub buchen, ein Haus am See kaufen oder ein lustiges Auto fahren kann jeder, wenn er Geld ausgibt; Fische, Schafe oder Bienen halten, hat ganz andere Schwellen.

Im Moment noch erscheint dieser Lebensstil weniger attraktiv, oft sogar rückständig, und als Hindernis zu Reichtum und einer Pseudoflexibilität. Aber das ändert sich wieder. In den früheren schlimmen Zeiten waren auch kleine Erbhofleute die, die nie hungerten, die immer Tauschmaterial hatten, an die der Staat schwer herankam mit Steuern und Regeln. Sie sind viel stärker als andere in der Lage, ohne Hilfe von aussen zu überleben. Auch hinter einer selbstgebauten Mauer. Wer einmal in Afrika oder dem Nahen Osten war, in Gesellschaften mit Stress, der weiß, dass jeder mit ein bisschen Besitz zuerst eine möglichst unüberwindliche Mauer hochzieht: Ausschließlich im Schutz hinter der Mauer gibt es Freiheit, Leben ohne Kontrolle von außen, dort wachsen Dinge in Beeten und werden nicht gestohlen. Die Mauer trennt Familie, sozialen Vertrauensraum von Staat und Chaos ab. So wie Staaten ohne Mauern nicht existieren können, kann ohne Mauer nur existieren, wer ein wertloser Habenichts ist. Wer die Mauer hat, schützt und kontrolliert Räume. Je besser die Mauer, desto besser der Schutz.

Erbhofbesitzer kann man nicht planbar werden. Man muss erben, bekommt sie nur über familiäre Herkunft. Viel häufiger werden solche Erbhöfe aufgelöst. Irgendeine Erbengeneration reißt ab, planiert, teilt auf und verkauft drei Bauplätze, dann stehen dort die üblichen drögen Bürgerpaläste und alles ist zu Ende. Verkauft zur Erhaltung wird sehr selten etwas, und wenn, dann sehr teuer und/oder sehr renovierungsbedürftig. Auch wer das Glück hat, so etwas zu kaufen, kauft sich damit nur eine Immobilie, all die anderen wichtigen Faktoren kann er sich nicht kaufen: weder Kenntnisse noch Familie noch soziales Kapital. Meist geht aber einfach gar nichts. So ging es mir, der Erbhof des Großvaters ging an mir vorbei. Ein Neffe übernahm, riss komplett ab und baute einen riesigen, grausamen Klotz aus dem Katalog dorthin. Der Garten ist jetzt eine Terrasse oder zu 100 % zugepflastert, der Bach ist befestigt, damit er nicht den gekauften Freizeitkrempel überflutet; die Kuhweide sind drei Großgaragen mit Zufahrt. Der sanfte Südhang ist aufgeschüttet und mit riesigen Mauersteinen zugeklotzt. Die Äpfel und Birnen sind alt geworden, gehen ein, gepflanzt wird Zierkirsche, Ginko, Säuleneiche. Wasser der eigenen Quelle, früher Selbstversorgung damit, wird nicht mehr verwendet. Aber Steuern fliessen jetzt reichlich und das verdiente Geld wurde und wird auch ganz staatstragend ausgegeben. Und das Schönste: Die Ehefrau hat „Landlust“ abonniert.



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