• 29.04.2024

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Gute Küche?

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Gastautor: P.

Schon während meines Studiums und Leben im Studentenwohnheim ist mir aufgefallen: Männer kochen häufiger und engagierter ihre Mahlzeiten selbst, legen mehr Wert auf gute Küche. Und Frauen werden öfter eingeladen. Für Frauen ist das auch so eine Art Wertigkeitsbeweis oder eine Validierung: Wie oft und wer lädt mich ein? Was bin ich wert?

Männern macht es meistens mehr Spaß, sich mit guter Küche zu beschäftigen. Das bezieht sich auch auf die Beschaffung der Zutaten. Wir sind eben doch noch etwas Jäger und Sammler. In der Küche kann man leicht Kreativität entwickeln, erfahrbare Ergebnisse erreichen. Unsere Nahrung gehört ja auch unter die Top-3 der Bedürfniszentren unseres Lebens in allen bestimmenden Dimensionen.

Nicht im Studium oder an einem Arbeitsplatz, nicht über Partnersuche im Internet, nicht im Zug oder Flugzeug, nicht in Kneipen, sondern immer über gute Küche sind fast alle meine Freundschaften und auch Beziehungen entstanden. Ja, man kann sich in ihr Höschen kochen. Männer, die gut kochen können, sind beliebt. Man hat sie gerne als Freunde, man lernt gerne von ihnen, man lässt sich durchaus mit ihnen gerne ein. Nicht nur Hantel-Hakan ist beliebt bei Frauen, sondern auch Gourmet-Georg. Das habe ich weltweit so erlebt. Und setze es auch umgekehrt ein: Niemals Selbstgekochtes miteinander essen, mit einer Frau, die man auf persönlicher Distanz halten will. Viele Kontakte sind zwar sinnvoll und nützlich, aber man möchte trotzdem einen Graben zu bestimmten Damen gezogen wissen.

Häufig wird man von den Damen nach dem Genuss zu den Rezepten befragt. Besonders beliebt ist die Frage nach den Würzmitteln. Was ist das Geheimgewürz, das meine Gerichte lecker macht und bei ihr für misslungene Ergebnisse sorgt, weil sie es nicht hat? Wo kriegt man das Kräutlein Machmichgut? So etwas ist natürlich Quatsch. Auch meine Küchengeräte erregen Verwunderung. Kein Thermomix, keine ausgefeilten Teile in der Küche, nicht mal viel Platz. Was die besten Basisfähigkeiten sind, wird jedoch immer übersehen. Zählen wir sie auf:

1) Gute Zutaten
Ist jedem klar. Und keinem ist klar, was gute Zutaten eigentlich sind. Häufig wird damit verbunden: Ware vom Wochenmarkt, vom Erzeuger, vom Bioladen. Möglichst frisch aussehend. Nehmen wir ein Allerweltsgemüse als Beispiel: Sellerieknollen. Kaufen die meisten Leute als Suppenzutat oder für Salate. Und alle diese gekauften dicken Knollen wirken ähnlich langweilig. Denn sie haben ähnliche Probleme, es fängt mit den Sorten an. Auch Bioanbauer verwenden, wie jeder kommerzielle Produzent, sogenannte Profisorten, oft nur mit Nummern bezeichnet und kaum für den Hobbygärtner erhältlich. Die bringen die Ware, die er will, nämlich die, die Masse produziert und er gut an den Händler verkaufen kann. Wichtige Eigenschaften: Gleichmäßige Ergebnisse, innen auch beim Kochen sehr hell bleibend, weil das der Kunde angeblich will, kein Grünkragen, unter guten Bedingungen maximale Hektarerträge liefernd. Der Anbauer kauft sie perfekt vorbereitet, als Erdtopfpille und geprimt. Und so schmeckend, dass sich keiner über Aromen beklagen kann. Weil sie schwach sind. Und worüber sich nicht beklagt wird, das zählt als „gutes Aroma“. Bis man erlebt hat, was in den Knollen stecken kann: Ich hatte schon Erweckungserlebnisse beim erstmaligen Kosten einiger alter Gemüsesorten, auch Sellerie.

Marktstände sind keine bessere Quelle, oft sogar Betrug. Sie bedienen aber eine besondere Kundengruppe, die bereit ist, mehr Geld auszugeben und Zeit hat, zu Zeiten über einen Markt zu spazieren, in denen die meisten Leute arbeiten. Die Kundengruppe, die guten Inhalt will, ist nicht im Fokus. In manchen Städten nimmt das abartige Formen an, der Wochenmarkt ist da zum „Mütter mit Kind im Kinderwagen, viel Geld und sehr viel Zeit“ Event degeneriert. Untrügliches Zeichen sind Freßstände auf dem Markt, wo die Leute und vor allem Damen herumstehen und gleich auf dem Markt futtern, statt zu Hause – in früheren Zeiten undenkbar, die Zeit und das Geld hatte gar niemand. In manchen Gegenden ist das völlig außer Rand und Band geraten. Wer sich das zum Beispiel im Sommer in Kempten auf dem Hildegardplatz umsieht, erlebt eine Art Volksfest mit Kinderwagenprämierungen von Mütter-Heerscharen, gefressen wird in einer eigenen immer größeren und durchaus nicht billigen Völlereibudenzone, gewickelt und gekotzt wird auf der Wiese, praktischerweise gleich mit künstlichem Fließgewässer. Man trifft sich und zeigt seinen lallenden Glatzkopf Friedrich-Benedikt her, der sabbernd im Kinderwagen liegt, der zahlende Vater hockt zu dieser Zeit im Büro und fragt sich, ob seine Schmerzen ein Herzinfarkt sind. Unten im AngelCab-Kinderwagen legt man schandenhalber ein paar gekaufte Äpfel rein für den Eheochsen, um sich dann noch ein Sojawürstchen mit Seetang zu genehmigen und heimlich zum Abschied noch verschämt einen dicken Leberkäs, um die Hohlräume nach der Schwangerschaft aufzufüllen.

Verkauft wird auf Marktständen jedoch überwiegend Großmarktware, also massenhaft zugekaufte Ware aus den üblichen Vertriebskanälen. Das ist zwar schön präsentiert und enthält auch die weniger gängigen Gemüsearten, ist aber dieselbe Qualität wie bei Aldi um die Ecke. Erzeuger, die sich auf Eigenware beschränken, hätten immer nur wenig verschiedene Produkte zu verkaufen. Haben sie aber nicht, sondern massenhaft weiteres Zeug. In der Praxis wird auch bei Verkäufern, die wirklich Erzeuger sind, feste aufgefüllt: Man erhält dann den selbst angebauten Kohlrabi plus viel und lange herumgereichte Handelsware von Dritten.

Wer keinen eigenen Garten schafft, kommt noch bei Hofläden (auch Selbstbedienungsstände von Erzeugern) direkt bei einem Anbauer mit Bio-Zertifizierung eines großen Anbauverbandes (nicht nur EU-Bio) am ehesten zu tauglichen Sachen. Firmen in diesen Verbänden betreiben auch Saatgutvermehrung und Zucht, was zwar keine Garantie für gute Ware ist, aber die Chancen dafür erhöht. Der Düngereinsatz erfolgt sparsamer und gezielter, weil nur organischer Dünger verwendet werden darf. Was mehr Geld kostet, wird bewusster eingesetzt. Hinter dem Hofladen steht auch selten ausgefeilte Lagertechnik, sodass der Erzeuger gezwungen ist, dort Frischware anzubieten, statt in spezieller Atmosphäre bei kontrollierter Temperatur und Luftfeuchtigkeit gut aussehende, aber innerlich abgebaute Ware auslegen zu können.

2) Begreifen, was man eigentlich macht. Tun die Wenigsten. Sie wenden Vorbilder aus Videos oder Kochbüchern an, verstehen aber nicht, was eigentlich passiert. Warum sollten Kartoffelstücke kurz in Wasser gelegt werden, bevor man sie frittiert? Warum gelingen Champignons nur auf einer leistungsstarken Kochstelle gut? Kennt man die Begründung für solche Grundlagen, kann man sie auf allgemeiner Basis anwenden und versteht, was eigentlich abläuft bei der Zubereitung. Alles hinterfragen anstatt sich sagen: „Meine Mutter hat das so gemacht, es war gut, also mach’ ich das auch so“. Oder „der coole Cody-Tyler kocht auf Youtube so, probier ich auch!“ Was probieren? Nur imitieren oder verstehen, was eigentlich läuft?

3) Zurück zu den Ursprüngen. Die Küche unserer Vorfahren war einfach, aber perfekt. Alle Zutaten waren im Land vorhanden, die Gerichte ließen sich leicht skalieren – für ein Großelternpaar im Ausgedinghaus wie für einen großen Hof mit Familie, Knechten, Mägden und Kegel. Viel Zeit und Geräte hatte man nie für die Zubereitung, man hat effizient gekocht und verwertet. Anstatt Ginseng und Jujuben nachzujagen, um richtiges Samgyetang zu kochen, sollte man erst einmal lernen, gute Knödel herzustellen oder Linsen richtig zuzubereiten. Ohne Grundrezepte keine gute Küche. Die Grundlagen sind das, was sie heißen: Grundlagen. Das sind auch Dinge, die den meisten Leuten schmecken. Vor allem, wenn sie gut gemacht sind.

4) Offenheit und in der Realität lernen statt in Internet-Videos. Zusammen kochen! Voneinander lernen in der Realität, per echter Erfahrung und Dialogmöglichkeit. In den Videos wird geschnitten und abgeblendet. Wenn der Videomacher meint, etwas wäre nicht wichtig. Weiß er aber gar nicht, was für andere Köche wichtig ist. Kochen ist ein ganzheitlicher Vorgang. Zeigt er, wie er das große Kochmesser vor dem Schneiden schärft, ohne, dass die Zutat gar nicht fein genug geschnitten werden kann? Wie er sich seine Zutaten effizient arrangiert? Wie er die Zutat Sauerkraut angesetzt hat?

5) Fokussieren auf Küche, nicht auf Technik. Das mit Abstand beste Essen in China bekam ich in einem heruntergekommen alten Wohnblock in Shanghai. Jede Familie hatte ein Zimmer, gekocht wurde vor dem Zimmer zusammen mit den anderen Hausbewohnern in einer Art Gemeinschaftsflur, düster, höchstens zwei Meter Platz für jede Kochstelle. Ich war bei einem chinesischen Freund eingeladen, den ich in Deutschland im Studentenwohnheim kennengelernt hatte.

Im Elternhaus meiner Mutter wurde bis zum Tod ihrer Eltern in einer kleinen, gekalkten Küche gekocht. Es war der zweite heizbare Raum eines 200 Jahre alten Hauses: Auf einem Holzherd, keine Arbeitsflächen (nur der Esstisch, der auch noch dort eingezwängt war), schwach laufendes eiskaltes Wasser von der eigenen Quelle, ein Buffetschrank. Warmes Wasser gab nur aus dem „Schiffchen“ am Herd. Im Winter waren die Fensterscheiben morgens innen gefroren. Für heutige Verhältnisse ist es unglaublich, was dort an Leckereien entstanden ist. Heute herrscht dagegen Maschinenküche, alle paar Jahre wird technischer Krempel wie eine neue Sau durch die Küche getrieben. Was hat man nicht alles propagiert: Mikrowelle, Sous-Vide Garer, Induktionsplatten, Dampfgarer, 4D-Heißluft, ein endloser Strom angeblich toller Grilltechniken bis zum Abwinken (Infrarot-Brenner, Turbozonen, Indirektgrill …), all die Thermomix-artigen Geräte, sauteure Messer, Fritteusen …

Ausnahmslos alle traditionellen Gerichte sind ohne jeden Krempel gekocht worden. Und wie gut das werden konnte! Es sind Inhalte, Wissen und Können, nicht eine angeblich moderne Technik, die gutes Essen ausmachen. Und so beginnt gute Küche heute für Viele mit einer Entrümpelung, mit loslassen, mit weniger, mit Fokussierung statt medienbefeuerter Inflation.



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