Hilfe, mein Freund wird verrückt!
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Gastautor: Herr S.
Das Männermagazin – abgekürzt MM – hat ja oft lustige Beiträge und Themen, und der Firlefanz, den Frauen (und Männer) betreiben, um mal wieder zu FickenFickenFicken, ist ja auch amüsant. Und enorm. Und meist vergebens. Aber heute geht es um kein so lustiges Thema – auch, wenn es seine absurd-lustigen Momente hat. Es ist aber ein Thema, das alle Männer betreffen kann, insbesondere jene, die sich nicht vor 50 selbst umbringen wegen Liebeskummer und so.
Mein Freund wird verrückt. Plemplem. Langsam, aber sicher, und irgendwie, so scheint es, unaufhaltsam. Zuerst hat er nur ab-und-an mal etwas vergessen, eine Verabredung zum Schwimmen, zum Beispiel, oder einen Besuch. Nerv! Aber er ist ein toller Kamerad: hilfsbereit, selbstlos, umgänglich. Etwas geizig (Frührentner), obwohl er eigentlich vermögend ist. Hat er doch zwei schöne Häuser: das eigene, das er nach der Scheidung aufgekauft hat, und das seiner Mutter, die er bis zu ihrem Tod gepflegt hat. Die Mutter war dement, Alzheimer, bestimmt keine leichte Aufgabe. Aber so ist er eben: hilfsbereit, aufopferungsvoll, selbstlos.
Irgendwann fing das an: Wir hatten uns, wie schon so oft, am Freitag für eine Aktion am Wochenende verabredet. Und ich wurde einfach vergessen! Er war nicht da, sein Telefon hatte er auch nicht mit. Ich wurde komplett vergessen. Bei so etwas werde ich ziemlich sauer. Aber es passierte noch öfter.
Am schärfsten war sein Geburtstag Anfang Mai: Der Kamerad hatte zum Grillen eingeladen. Und wer war nicht da: das Geburtstagskind selbst. Er hatte seinen Geburtstag vergessen und war stattdessen außerhäusig saufen!!! Da waren aber einige Gäste leicht angesäuert. Gut, er hat sich entschuldigt und eine Woche später nachgefeiert – allerdings mit etwas verkleinerter Gästezahl.
Schließlich war es genug: Ich redete mit ihm, und er versicherte glaubwürdig, dass er halt so vergesslich sei. Und nachdem seine Mutter auch schon Alzheimer hatte, schickte ich ihn (sehr unterstützt von seinen Söhnen) zum Arzt. Und er hielt sich daran. Es war dann eine Ärztin, die machte ein paar Tests, und das niederschmetternde Ergebnis: Alzheimer. Das war im Juni. Seither nimmt er Tabletten, die gegen Alzheimer helfen sollen, aber er beschwert sich, dass die ihn so wuschelig machen. Ja, so hat er das genannt. Zerstreut. Unkonzentriert. Vergesslich. Ob das wirklich von den Tabletten kommt?
Ich habe mich dann auch ein wenig informiert, und der liebe Dr. John Campbell hatte einen Gast, der empfahl viel Fischöl und viel Vitamin B. Ich habe dem Freund den Link gesandt, und am nächsten Tag sind wir dann in die Stadt, einen Liter Lebertran kaufen, den wir uns geteilt haben. Dazu diverse Vitamin B Präparate, Brausetabletten, B-Komplex Depot und Vitaminsaft. Hat er alles brav und mutig eingenommen: jeden Morgen einen Esslöffel Tran, ungesüßt, ex-und-hopp. Ich nehme meinen lieber mit Marillenlikör von Greizer ein: da schwimmt das Öl auf dem Alkohol, und ich schmecke nur die Marillen. Kann ich also weiterempfehlen. Es ist ja auch äußerst angenehm, den Tag mit einem Likör zu beginnen, gell?
Leider ist mein Sorgenkamerad auch dadurch keinesfalls geheilt worden. Immer noch versetzt er mich relativ regelmäßig am Wochenende, obwohl ich ihm doch jetzt so kleine Zettelchen schreib. Und immer noch vergisst er allzu häufig entweder sein Telefon, oder es aufzuladen. Herr, lass Hirn regnen!
Neulich waren wir zusammen im Urlaub in einem nahegelegenen Königreich. Genaugenommen war er im Urlaub, und ich arbeitete dort, während er bei mir wohnte. Gleich am ersten Tag Entsetzen: wir wollten nach meiner Arbeit eine Radtour durch das wundervolle Königreich machen, aber Kamerad war nicht da. Und Telefon hob er auch nicht ab. Er war viel zu spät! Das übliche Drama – und ich machte mir wirklich Sorgen: mein vergesslicher, zerstreuter Freund alleine in der fremden Metropole. Wahrscheinlich ausgeraubt, entführt, verführt, überfahren, hat sich verlaufen, hat die Adresse vergessen, findet den Weg nicht oder alles zusammen. Er tauchte erst 1 ½ Stunden nach der vereinbarten Zeit endlich auf. „Handy vergessen“. „Uhr vergessen“. Und Kopf vergessen auch, ja? Ich muss mich da mit dem Schimpfen, der Häme und dem Spott echt zurückhalten, denn er ist ja krank.
Außerdem erzählt er immer wieder dieselben Geschichten, vorgestern, gestern, heute, morgen. Zum Beispiel heute erzählte er mir lang und breit und sehr stolz, dass er eine Geschichte über PMC Wagner in Afrika kannte, die wir gestern gemeinsam (!) auf meinem (!) PC bei History Legends angeschaut hatten, nachdem ich (!) ihm das gezeigt hatte. Klar, da habe ich sehr neugierig nachgefragt, und er hat bereitwillig Details erzählt, von den Tuareg und dass eine ganze Kompanie Wagners in den Hinterhalt geriet. Daran konnte er sich prima erinnern. Und es freut mich ja auch, wenn er sich an Sachen detailgetreu und in allen Einzelheiten erinnert. Er hat ja nuuuur vergessen, dass ich ihm den Link geöffnet hab und dass wir das zusammen angeschaut hatten!
Demenz ist heutzutage leider keinesfalls selten. Derzeit gibt es fast 2 Millionen Demente in Deutschland, mit einem starken Anstieg wird gerechnet. Bei Männern jünger als 64 Jahre sind nur 0,2 % betroffen, aber mit zunehmendem Alter steigt das Risiko sehr an: im Alter von 85 20 %, im Alter von 90 schon 33 %. In den Altersheimen der Republik machen sie deswegen „Gedächtnistraining“, das sind Rätselspiele oder Quiz. Risikofaktoren für Demenz sind Fettleibigkeit, Bluthochdruck, Diabetes, Depressionen, Rauchen. Hilfreich sind gesunde Ernährung, Sport und soziale Beziehungen (mal ganz ehrlich, das wird ja immer und bei allem empfohlen, die alte Leier, das wirkt sehr eintönig, ich hätte gerne mal andere Vorschläge). Wikipedia sagt auch, „das Risiko, an Demenz zu erkranken, ist um das 1,85-fache höher, wenn dreizehn oder mehr Zähne fehlen und die Lücken nicht mit festem Zahnersatz versorgt sind.“ Wem 13 Zähne fehlen, der hat vielleicht öfter mal harte Schläge auf den Kopf erhalten? Diese partielle Korrelation hat nur noch keiner näher untersucht. Meinem Sorgenkamerad fehlen allerdings keine Zähne, er ist sehr sportlich, kein bisschen übergewichtig, raucht nicht und trinkt nur, wenn ich ihn zwinge. Also, fast immer.
Ganz im Ernst: was mach’ ich denn jetzt mit meinem Freund? Es wird ja nicht besser. Wird er zum Zombie werden, Hirn rausgefressen? Wird er mich eines Tages einfach so vergessen? Oder wird er auch so ein aggressiver Alter werden, der ständig herumschreit, er wäre beklaut worden, weil er seine Sachen nicht mehr findet, wie ein ex-Nachbar von mir? Das war damals echt beschissen. Hat jemand von euch mit so etwas Erfahrung? Wertvolle Hinweise? Ein gutes, wirksames, billiges Heilmittel? Oder hattet ihr das mal, und habt aber alles doch wieder vergessen?
Danke schön für eure Hilfe.
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