• 16.11.2024

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Im schönsten Land der Welt

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Gastautor: Paul Springbok

Es waren die 80er. In einer westdeutschen Kleinstadt. Stefan und ich waren Teenager, eher die Außenseiter und introvertiert. Wir waren nicht unbeliebt, aber definitiv keine Partylöwen. Kennengelernt haben wir uns in der Schule und schlossen sofort Freundschaft. Es gab auch etwas, das uns verband: Alleinlebende, katzenliebende, verhaltensgestörte Deutschlehrerinnen gab es schon damals. Und wir hassten sie.

Stefan hatte es nicht leicht. Seine Mutter war permanent am Rumkreischen, nie entspannt, immer auf 180. Und immer grundlos. Heute weiß ich, dass man das wohl eine histrionische Persönlichkeitsstörung nennt. Damals fand ich seine Mutter trotzdem irgendwie geil und ich dachte, sowas lässt sich doch wegficken. Den Ausdruck „MILF“ kannte man damals noch nicht, aber nach meinen Maßstäben war sie für ihr Alter optisch noch einwandfrei. Top Figur. Im Gesicht Typ Audrey Hepburn. Nur minimale Gebrauchsspuren. Aber ein kleiner Defekt im Hirn. Logisch. Was ist schon perfekt?

Stefans Vater hatte eine Fahrschule und sein Fuhrpark war 1A. Immer die neuesten Autos, Motorräder und Enduros, einfach alles, was das Herz eines heranwachsenden Mannes begehrt. Okay, er nuckelte permanent an der Flasche und das fand ich recht seltsam für seinen Berufsstand. Aber dafür war er immer tiefenentspannt. Ich denke, dass damals wahrscheinlich in seiner Ehe nicht mehr viel lief und er seinen Kummer mit dem Alk betäubte. Vielleicht waren auch einfach seine Nerven runter von den unzähligen, unfähigen Fahrschülern. Wer weiß?

Am besten waren die Wochenenden. In unserer Nähe gab es einen Steinbruch und dort wurde am Wochenende nicht gearbeitet. Wir konnten den über einen Feldweg erreichen, der nahe an Stefans Haus vorbeiführte. Also haben wir uns auf die Enduros der Fahrschule gesetzt und sind damit in den Steinbruch gefahren. Dort sind wir dann stundenlang über die Pisten gebrettert, bis wir vor Erschöpfung nicht mehr konnten. Oder der Sprit ausging. Helme? Hatten wir nicht. Führerschein? Fehlanzeige. Wenigstens konnten sie uns so auch keinen wegnehmen.

Wenn wir dann mit unserer kleinen Motocross-Einlage fertig waren, haben wir mit dem Gartenschlauch den Staub von den Maschinen gespritzt und sie wieder in der Fahrschule abgestellt. Stefans Vater sah in unsere leuchtenden Augen und wusste, dass wir unseren Spaß hatten. Er klopfte uns anerkennend auf die Schulter und ging seiner Wege.

Danach zog es uns meistens in die Natur. Direkt am Haus gab es einen kleinen Fluss und im Sommer gingen wir dort immer schwimmen und angeln. Manchmal konnten wir die Forellen sogar mit der bloßen Hand einfangen. Abends legten wir dann auf den Grill, was wir hatten. Fisch, Würstchen, Steak. Was auch immer Natur und Geldbeutel so hergaben. Wir jobbten beide neben der Schule, also waren wir auch immer liquide.

Das Leben war schön. Im schönsten Land der Welt.

Ab und zu gingen wir in die Disse. Clubs hießen damals noch Diskotheken, also Disse. Handys und Smartphones gab es noch nicht. Die Mädels suchten tatsächlich noch Blickkontakt. Hielt man ihm stand, wanderte ihr Blick schüchtern nach unten, um einen direkt darauf wieder frontal und herausfordernd anzuschauen. Blondierte lange Haare waren gerade im Trend und den meisten Mädels stand es ganz gut. Selbst die Hässlichen versuchten noch wie Frauen auszusehen. Hatte eine Interesse, dann gab es eindeutige Signale. Fehlte das Interesse, gab es die auch. Alles war klar, alles war eindeutig.

Natürlich waren die meisten Mädels auch damals schon Schlampen, aber sie hätten es niemals zugegeben. Und auch nicht damit angegeben. Ein großer Unterschied zu heute. Insgesamt denke ich, dass wohl auch etwas weniger Schwanzkilometer auf der Uhr waren als heute. Das berühmte Einhorn habe ich nie getroffen. Aber Legenden sterben nie aus. So oder so, wir hatten auch auf diesem Gebiet unseren Spaß.

Randale und Ärger gab es selten. Alles war friedlich. Tätowiert waren nur Hells Angels, Knackis und Schwermatrosen. Und Piercings kannte man nur von Fotos weit entfernt lebender Indianerstämme. Amazonas und so. Zugegeben, unbelehrbare Sozen gab es auch damals schon. Aber Helmut Schmidt konnte sie mit seiner Klasse noch etwas veredeln. Und einnorden.

Das Leben war schön. Im schönsten Land der Welt.

Doch das schönste Land der Welt gibt es für mich heute nur in der Vergangenheit. Deshalb heißt die Vergangenheitsform bei den Linguisten wohl auch „Perfekt“. Denn das war es für mich. Perfekt.

Heute lebe ich in der Großstadt. Clown World. Gehe ich vor die Tür, sehe ich nur wenig Aufmunterndes. Szenen wie aus dem Film „Die Klapperschlange“. Elend und Siff haben Kultur und Stil langsam abgelöst. Kein großer Knall, vielmehr ein schleichender Prozess. Manchmal werfen mir junge Dinger einen lasziven Blick zu. Da tippe ich dann immer auf einen Vaterkomplex und ignoriere es. Wir wissen ja alle, wohin das am Ende führt: Sackgasse, Game Over.

Vor vielen Jahren habe ich den Fernseher abgeschafft, das war sicher eine der besten Entscheidungen in meinem Leben. Die freie Zeit nutze ich seitdem für Sport und Weiterbildung. Ich kann nur jedem Mann empfehlen, es genauso zu tun. Denn es hält einen mental und physisch jung. Apropos Sport: Vor Corona habe ich mir öfter mal Profis gegönnt. Kolumbianerinnen kann ich da absolut empfehlen. Aber es ist eigentlich eine nutzlose Empfehlung, denn ich bin mir sicher, dass Prostitution demnächst verboten wird. Weil hier jetzt alles verboten wird, was Männern Spaß machen könnte und ein wenig Freude in den Alltag bringt. Andererseits haben mich Verbote nie besonders interessiert.

Auch das Internet sehe ich nur als Medium der Informationsbeschaffung und zum Geld verdienen. Privat nutze ich keine Social Media. Manchmal sehe ich im Web Schlagzeilen über irgendwelche Prominente und muss dabei schmunzeln. Weil sie „prominent“ sind und ich sie nicht kenne. Daran erkennt man den echten abgehängten Loser.

Doch ich bin guter Dinge. Aktuell bereite ich meinen Abgang aus dem besten Land der Welt vor. Wohl wissend, dass es das Paradies nirgends gibt und die nutzbare Weltkarte für uns Männer immer kleiner wird. Es wird keine Flucht, sondern ein geordneter Rückzug. Kein Familiengericht und kein Jugendamt auf meinen Fersen. Keine Gläubiger und auch kein Strafrichter mit einem Haftbefehl. Die ganz großen Fehler im Leben habe ich bisher wohl nicht gemacht. Alles okay, sozusagen.

Aber im Herbst werde ich noch hier sein. Sollte die Wahl wirklich stattfinden, gehe ich wählen. Diesen Dienst werde ich diesem schönsten Land der Welt aus meiner Jugendzeit noch erweisen. Selbst wenn auch das am Ende nutzlos ist.

Mein Jugendfreund Stefan hat bereits gewählt. Er ist schon weg.

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