Gastautor: Icecube

Die Eltern waren ratlos. Sie hatten noch nie von Gender Studies gehört, aber wenn ihre Tochter endlich ein Ziel hatte...

"Ist das denn... praktisch?", wagte der Vater zu fragen.

Bequemia schaute ihn an, als hätte er gefragt, ob die Erde eine Scheibe sei: "Papa, du verstehst das nicht. Nicht alles im Leben dreht sich um Geld. Manche Menschen wollen auch etwas für die Gesellschaft tun!"

Diese moralische Überlegenheit, vorgetragen mit der Selbstgerechtigkeit einer Missionarin, ließ jeden weiteren Einwand verstummen. Wer wollte schon seinem Kind vorwerfen, die Welt verbessern zu wollen?

Kapitel VI: Das Studium

oder "Wie man fünf Jahre lang professionell träumt"

Die Universität empfing Prinzessin Bequemia mit offenen Armen. Hier, in diesem Biotop der ewigen Jugend, wo Verantwortung ein Fremdwort und "Selbstfindung" ein Vollzeit-Job war, fühlte sie sich endlich zu Hause. Das WG-Zimmer, das Papa für sie ausgesucht und eingerichtet hatte (Bequemia war zum Besichtigungstermin "leider krank" gewesen), wurde zu ihrem neuen Königreich. Die Mitbewohner, zwei Philosophie-Studenten namens Kevin-Pascal und Finn-Luca, die ihre Zeit hauptsächlich damit verbrachten, die Ungerechtigkeit der Welt zu beklagen, während sie von ihren Eltern finanziert wurden, erkannten in Bequemia sofort eine Seelenverwandte.

"Weißt du", erklärte Kevin-Pascal bei ihrem ersten gemeinsamen Abend, während er sich das vierte Bier öffnete und dabei tiefsinnig in die Ferne blickte, "die Universität ist eigentlich ein kapitalistisches Konstrukt zur Unterdrückung freien Denkens."

Bequemia nickte weise, obwohl sie nicht ganz sicher war, was er meinte. Aber es klang wichtig und gesellschaftskritisch, und das gefiel ihr. Die ersten Vorlesungen waren eine Offenbarung. Endlich war sie in einer Welt angelangt, wo ihre größten Schwächen als Stärken gefeiert wurden. Ihre Unfähigkeit, konkrete Aufgaben zu erledigen, wurde als "ganzheitliches Denken" interpretiert. Ihre Tendenz, alles auf andere zu schieben, galt als "systemkritische Analyse". Ihre komplette Ahnungslosigkeit in praktischen Belangen wurde als "Befreiung von patriarchalen Denkmustern" gefeiert.

"Das Problem ist", erklärte sie ihren Eltern bei einem der wöchentlichen Telefonate, "dass die Gesellschaft Frauen immer noch in alte Rollenmuster zwängt. Deshalb kann ich auch nicht einfach einen normalen Job machen. Ich muss erst einmal an mir arbeiten."

Der Vater, der um sechs Uhr morgens aufstand, um auf Arbeit zu fahren und abends erschöpft nach Hause kam, während Bequemia um zwölf Uhr mittags aufwachte und den Tag mit Kaffeetrinken und "Selbstreflexion" verbrachte, nickte dabei nur noch resignierend: "Du hast Recht, Schatz. Nimm dir die Zeit, die du brauchst."

Kapitel VII: Das große Erwachen (oder auch nicht)

Im vierten Semester geschah etwas Unvorhergesehenes: Bequemia verliebte sich. Der Auserwählte war Maximilian von Gutbetuchter, ein BWL-Student im achten Semester, dessen größte Sorge darin bestand, ob er nach dem Studium in die Firma seines Vaters einsteigen oder erst einmal "Erfahrungen sammeln" sollte.

Maximilian war das, was man einen "guten Fang" nennt: gutaussehend in dieser generischen Art, wie Männer gutaussehend sind, die in Katalogen für teure Uhren posieren, finanziell gut ausgestattet und – am wichtigsten – völlig ahnungslos bezüglich weiblicher Manipulationstechniken.

"Er ist so anders als die anderen", schwärmte Bequemia ihren Mitbewohnerinnen vor. "Er hat Ziele im Leben!"

Diese Ziele bestanden hauptsächlich darin, das Leben zu führen, das sein Vater für ihn vorgesehen hatte, aber das klang in Bequemias Interpretation wie visionäre Lebensplanung. Die Beziehung entwickelte sich nach einem vorhersagbaren Muster. Maximilian, erzogen in dem Glauben, dass Gentlemen Damen umsorgen, übernahm bereitwillig alle praktischen Aspekte von Bequemias Existenz. Er brachte ihr Essen, wenn sie "zu gestresst zum Kochen" war, erledigte ihre Einkäufe, wenn sie "keine Zeit" hatte, und schrieb sogar gelegentlich ihre Hausarbeiten, wenn sie unter "kreativen Blockaden" litt.

"Du bist so selbstständig", bewunderte er naiv, "du machst dein eigenes Ding und lässt dich von niemandem reinreden!"

Bequemia strahlte. Endlich hatte jemand erkannt, was für eine starke, unabhängige Frau sie war!

Kapitel VIII: Die Kunst der strategischen Unselbstständigkeit

Nach zwei Jahren Beziehung war aus dem anfänglichen Schwarm eine ernsthafte Partnerschaft geworden, zumindest aus Maximilians Sicht. Bequemia hatte derweil ihre Position als "kreative Partnerin" perfektioniert, was hauptsächlich bedeutete, dass sie Ideen hatte und Maximilian sie umsetzte.

"Schatz", säuselte sie eines Abends, als sie gemütlich auf dem Sofa lag, das Maximilian finanziert hatte, in der Wohnung, die Maximilian bezahlte, "ich hab' eine tolle Idee! Wir könnten zusammenziehen!"

Maximilian, der bereits praktisch bei ihr wohnte, da er jeden Abend kam, um ihr beim Kochen zu helfen (sprich: zu kochen, während sie Tipps gab), fand die Idee wunderbar.

"Aber", fügte Bequemia mit einem nachdenklichen Stirnrunzeln hinzu, "ich brauche unbedingt ein eigenes Zimmer für meine kreativen Projekte. Und eine große Küche. Und eine schöne Badewanne. Du weißt schon, für die Work-Life-Balance."

Die Work-Life-Balance war ein interessantes Konzept in Bequemias Fall, da sie weder work noch life in dem Sinne hatte, wie andere Menschen diese Begriffe verstehen. Ihr "Work" bestand aus gelegentlichen Uni-Besuchen und dem Verfassen von Essays über "Die Dekonstruktion patriarchaler Machtstrukturen in der postmodernen Gesellschaft", und ihr "Life" bestand hauptsächlich aus Instagram, Netflix und dem strategischen Einsatz von Migräne.

Die gemeinsame Wohnung wurde zu einem Meisterwerk asymmetrischer Aufgabenteilung. Maximilian, der inzwischen im Berufsleben angekommen war und zehn Stunden am Tag arbeitete, übernahm auch den Großteil des Haushalts, da Bequemia "einfach zu sensitiv für Putzmittel" war und außerdem "allergisch auf Stress" reagierte.

"Gleichberechtigung ist so wichtig", erklärte sie ihren Freundinnen, während Maximilian im Hintergrund das Geschirr spülte. "Maximilian und ich, wir teilen uns alles fifty-fifty!"
Diese Fifty-Fifty-Aufteilung funktionierte nach einem eigenwilligen Prinzip: Maximilian machte die Arbeit, Bequemia bekam die Hälfte der Anerkennung dafür.

Kapitel IX: Der große Plan nimmt Gestalt an

Mit fünfundzwanzig wurde Bequemia zunehmend von einer merkwürdigen Unruhe erfasst. Ihre Freundinnen begannen zu heiraten, Kinder zu bekommen oder – noch schlimmer – richtige Jobs anzunehmen. Auch Maximilian stellte neuerdings irritierende Fragen wie "Was sind eigentlich deine Pläne für die Zukunft?" oder "Wann denkst du denn, mit dem Studium fertig zu werden?"

Diese Fragen verursachten bei Bequemia das, was Psychologen als "kognitive Dissonanz" bezeichnen: der Konflikt zwischen der Realität und der sorgfältig konstruierten Traumwelt, in der sie lebte.

"Ich muss erst herausfinden, was ich wirklich will", erklärte sie Maximilian eines Abends, während sie sich die Nägel lackierte und er die Steuererklärung für beide machte. "Ich kann doch nicht einfach irgendeinen Job annehmen. Das wäre... das wäre Verrat an meinen Prinzipien!"

Maximilian, der jeden Morgen um sieben aufstand und bis abends arbeitete, um ihre gemeinsamen Lebenshaltungskosten zu decken, nickte verständnisvoll. Er hatte gelernt, dass Diskussionen über praktische Angelegenheiten bei Bequemia sofort zu "Kopfschmerzen" führten.

Die Lösung kam in Form einer Eingebung, die Bequemia während einer ihrer ausgedehnten Wellnesstage in einem teuren Spa hatte (bezahlt von Maximilian, versteht sich): "Ich werde Influencerin!"

Diese moderne Berufung, so erklärte sie begeistert, vereinte alles, was ihr wichtig war: Kreativität, Selbstverwirklichung und die Möglichkeit, andere Menschen zu inspirieren, ohne dafür das Haus verlassen zu müssen.

"Das ist brilliant!", rief sie aus und umarmte Maximilian stürmisch. "Ich kann über Lifestyle, Fashion, Feminismus schreiben... Ich kann die Welt verändern!"

(Fortsetzung folgt in einer Woche!)



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