Gastautor: Andyka
So, der Plan war also gefasst, unserem herrlichen Land den Rücken zu kehren. Das war noch die leichteste Übung, denn die Umsetzung ist doch nicht "mal eben" gemacht. Wir kalkulierten ungefähr 10 Monate, das wäre dann zu Weihnachten 2024. Folgende Punkte galt es zu klären:
a) Visum
b) Familie und Freunde
c) Hab und Gut
d) Firma
e) und zu guter Letzt muss man in Thailand ja auch irgendwo wohnen.
Das Visum ist die kleinste Hürde. Im Internet buhlen etliche Firmen um die Gunst von blöden Kunden, diesen Dienst für eine absurde Provision zu übernehmen. Das ist völliger Blödsinn. Auf der Homepage der thailändischen Botschaft steht genau erklärt, was man braucht. Alle Dokumente können bequem online eingereicht werden, die Bearbeitung dauert etwa 3 Wochen und kostete 130 Euro. Man muss über 50 Jahre alt sein, um ein sog. "Rentnervisum" zu bekommen. Damit kann man ein Jahr in Thailand leben und dieses dann verlängern. Dazu braucht man ein Bankkonto in Thailand mit 20.000 Euro Guthaben oder Nachweise über regelmäßige Einkünfte. Des Weiteren braucht man natürlich einen aktuellen Reisepass, ein polizeiliches Führungszeugnis, Gesundheitsbescheinigung vom Doc, eine Meldebestätigung und - das ist das Kniffeligste - eine Krankenversicherung in Thailand, die auch von der Botschaft anerkannt wird. Ich bin da auf Nummer sicher gegangen und habe das bei der Allianz in Thailand für 220 Euro im Monat abgeschlossen. Vermutlich viel zu viel, aber das werde ich dann im kommenden Jahr v.O. klären. Aus Unsicherheit habe ich das Visum schon im September beantragt. Hat auch problemlos geklappt, aber da es Anfang Oktober schon da war, war es viel zu früh. Das hat den unangenehmen Effekt, dass die Uhr läuft, nämlich ist das Visum ab Ausstellungsdatum gültig und nicht erst ab der Einreise.
Bei Familie und Freunden sah die Angelegenheit schon anders aus: Meine Tochter brauchte ab 2025 noch etwa 18 Monate für die Uni. Mehr als selbstverständlich und auch kein Problem, sie in der Zeit noch finanziell zu unterstützen. Sie zeigte zwar keine Begeisterung für meinen Plan, aber ein gewisses Verständnis. Anders bei meinem Großen. Der war zwar schon lange in Lohn und Arbeit, hatte es sich aber im Hotel Papa gemütlich gemacht. Damit soll jetzt Schluss sein? Ja mein Herr, sonst lernst Du es nämlich nie. Er ist bis heute stinksauer.
Auch bei Freunden stieß ich auf krasses Unverständnis. Jaaaaa, in Thailand mal Urlaub machen, das ist ja gut und schön. Aber da wohnen, man weis ja nie und dann mit 'ner Ausländerin? Da trennte sich dann die Spreu vom Weizen, nur wenige freuten sich mit mir, für viele war ich damit zum übergeschnappten Spinner geworden. Das Beste war die eigen nähere Verwandtschaft: Jubelte doch der Ein oder Andere von den tollen Reisen, die man unternahm, von fremden Kulturen und schönen Gegenden, die allemal besser als Deutschland waren. Da würde man auf jeden Fall hinziehen, wenn die Rente da sei. Jetzt war ich der Erste, der "Nägel mit Köpfen machte".
"Waaaaas? Du hast 'se ja nicht alle! Das geht doch niiiiieeee gut ..." usw. usw. Es war mir schlichtweg egal. Feiglinge! Ganz besonders interessant war die Reaktion der AEs aus dem näheren und weiteren Umfeld die mich in ihrem Orbit als den netten Andyka hatten, der immer Rat wusste auch eine Bohrmaschine im Keller hat. JA, ROTZBUB, FRECHER!!! Einfach so die Biege machen, unglaublich!
Die Dinge, die man sich im Laufe eines Lebens angeschafft hatte, teils mit viel Mühe und hohem finanziellen Aufwand, entpuppten sich auf einmal als großer Ballast. Da war zum einen das schöne große Haus in guter Lage und zum anderen der ganze Krempel, den man über die Jahre so angesammelt hat. Auch das größte Haus bekommt man mit der Zeit bis zum Dachboden voll.
Das Haus verkaufen? Neee, der Gedanke war mir unsympathisch. Das würde zwar reichlich Bargeld in die Kasse spülen, aber dafür hatte ich keine Verwendung. Vermieten? Möglichst an jemand Unbekannten? Das schon gar nicht. Bei allen Bekannten, die als Vermieter agierten, gab es früher oder später mächtig Ärger. Kein Wunder, da der Vermieter in Deutschland ähnlich gut da steht, wie der Familienvater vorm Scheidungsrichter. Es gab aber trotzdem eine gute Lösung: Ein Freund von mir, Handwerker, war schon lange nicht abgeneigt mit seiner Holden in ein neues Domizil zu ziehen. Er hatte bei mir über Jahre die ganzen schweren Arbeiten in und um das Haus gemacht und so kamen wir überein, dass er die Hütte zu einem fairen Preis mietet, sich dafür aber auch um die Instandhaltung kümmert. Das würde zum einen für den Werterhalt sorgen und mir andererseits monatlich einen ordentlichen Betrag generieren, der in Thailand zum Leben reicht.
Dinge mitnehmen nach Thailand ist so eine Sache. Es ist teuer, aufwendig und sehr fraglich. Am besten gar Nichts, aber das kam in meinem Fall nicht in Frage. Da war 1. meine geliebte Stereoanlage nebst einer Tonne Schallplatten, 2. mein Werkzeug welches ich nicht missen möchte. In Thailand gibt es da nur Chinadreck. Und 3. ein paar Dinge, von denen man sich ungern trennt: der bequeme Sessel von der Oma, die Eisenpfanne, die schöne Tiffany Lampe usw. Wie das logistisch funktionierte erfahrt Ihr im nächsten Teil.
Alles Andere? Kann weg! Die Möbel bekamen mein Junior und die Ex für die neue Wohnung, Hausrat ebenso und der Rest wurde schlicht und ergreifend verschenkt oder kam auf den Müll. Ich kann mich heute noch darüber ärgern, was da an nutzlosem Zeug auftauchte.
Dann gab es da noch meine Firma, eine gut laufende GmbH für Medizintechnik. Mir war aber mittlerweile die Lust vergangen, mich jeden Tag mit den Dingen auseinanderzusetzen, die in Deutschland nicht funktionieren und dafür horrende Abgaben zu bezahlen, die dann an Leute verteilt werden, die nie auch nur einen Cent erwirtschaften werden. Jetzt kann man eine GmbH aber nicht einfach schließen. Das ist ein langer Prozess, der natürlich mit erheblichen Gebühren behaftet ist. Aus dem Ausland ist das natürlich nochmals schwieriger.
Auch hier hatte ich Glück. Ein IT Kollege aus dem Nachbarkaff, auch selbstständig und schon lange Kooperationspartner, bot mir an, den Laden zu kaufen. Da musste ich nicht lange überlegen. Das löst nämlich die ganzen Probleme auf einen Schlag und ich konnte als Angestellter meiner ehemaligen Firma weiter remote arbeiten. Dass das aus anderen Gründen 2025 bitter nötig wurde, erfahrt Ihr auch im nächsten Teil.
Im fernen Thailand eine gute Bleibe zu finden, ist ebenfalls eine Herausforderung. Sogenannte Condos, das sind 1-3 Zimmer-Appartements gibt es zu Hauf zu mieten. Das macht Sinn, wenn man flexibel sein möchte und einem regelmäßigen Ortswechsel nicht abgeneigt ist. Für meinen Fall aber uninteressant, weil 1. in den nächsten Jahren kein Ortswechsel stattfindet und 2. Mieten generell nicht mein Ding ist und 3. ich äußerst ungern mit anderen Leuten in einem Haus wohne.
Also gab es nur die Option eines Eigenheimes. Das ist in Thailand eine riskante Sache, da Ausländer kein Land erwerben dürfen. Es gibt aber legale Lösungen, z.B. über Gründung einer Firma, die dann als Pächter auftritt. Es sollte einem aber klar sein, dass im schlimmsten Fall Totalverlust droht. Desweiteren werden hier fast nur komplett möblierte Immobilien an den Mann gebracht, was natürlich auch nicht jederzeit den eigenen Geschmack trifft. Zusätzlich ist die Lage natürlich so eine Sache. Die Hauptstraßen sind stark befahren, laut und vor allem reichlich müffelig. Da will man nicht wohnen.
Im Frühsommer 2024, auf meiner letzten Urlaubsreise habe ich mir dann einige Buden angekuckt und für völlig ungeeignet befunden. Was will ich mit 5 Schlafzimmern und 4 Bädern? Dann oft recht düster eingerichtet, die Thais haben wohl 'nen Faible für schwarze Möbel und Türen. Nee nee, das hat mir alles nicht gefallen. Dann also genauen Plan gemacht, was wir brauchen: 1. Nah zur Arbeit von P., 2. ruhige Lage, 3. möglichst ohne Möbel, 4. großes Wohnzimmer, separate Küche, Schlafzimmer, Gästezimmer und ein Büro plus Bad natürlich.
Zum Glück lebt P. am Ort und ist mit Immobilien beruflich vertraut. So machte sie sich dann alleine auf die Suche und schickte mir online die Angebote. Wir fanden auch etwas Passendes. Die Bude gehörte einem Inder, sah ordentlich aus und der Preis stimmte. Dann taten wir das einzig Richtige: Wir übergaben die Ausarbeitung des Kaufvertrages und der erforderlichen Dokumente einem Fachanwalt. Das waren die am besten investierten 500 Euro meines Lebens. Es stellte sich nämlich heraus, dass der Besitzer sein Anwesen ohne Genehmigung erweitert hatte, und somit das Anwesen nicht dem entsprach, was das Grundbuchamt eingetragen hatte. Der Anwalt riet vom Kauf ab, das könne richtig Ärger mit den Behörden geben. Der Verkäufer druckste auf unser Nachfragen herum (ich kann das ohnehin wie Zahnweh nicht leiden, wenn mich eine verarscht). Jaaa, das wäre nur 'ne Kleinigkeit, das würde er mit den Behörden gleich in Ordnung bringen, bla bla bla... Die Bude steht bis heute leer.
Nach einigen weiteren Besichtigungen fanden wir dann doch das Richtige: 15 Minuten von Job und Strand entfernt. Ruhige Lage, zweistöckiges Haus, ein großes, helles Wohnzimmer, separate Küche, Büro, großes Schlafzimmer mit Ankleideraum, großes Gästezimmer, ein kleines Gästezimmer, 2 x Bad, Balkon, das Ganze auf 350qm Grund mit schönem Garten für 220k. Das Objekt direkt vom Bauträger, fertig Dezember 2025. Passt !!!
Die Abwicklung ging schnell und die Bezahlung war unproblematisch. In den gängigen Foren steht viel Mist über Geldtransfer. Kleine Beträge sind mit Wise, einem online Anbieter, sinnvoll. Bei großen Beträgen teuer und sehr schwierig. Man geht zu seiner Bank mit den nötigen Daten, Ausweis und nach 15 Minuten ist es erledigt. Kostete 180 Euro und nach 4 Tagen war das Geld da. P. und der Anwalt kümmerten sich um die Papiere, insbesondere um das sog. Hausbuch. Wer da drin steht, ist de facto der Besitzer.
Mittlerweile war es November 2024 - noch knapp 8 Wochen.
Ich packte meinen Kram für Thailand zuerst und lagerte alles in meinem Büro. Mit meinem Mieter war ich einig, dass ich mein Büro auf unbestimmte Zeit weiter nutzen kann, er brauchte es eh nicht. Dann kam die Entrümpelung: Alle brauchbaren Sachen verpackt, den Rest ab auf den Müll.
An meinem Geburtstag Anfang Dezember kam das Umzugsunternehmen und räumte das Haus leer. Soll die Familie damit machen, was sie will. Jetzt musste ich noch 3 Wochen in einem fast leeren Haus wohnen. Ich hatte noch meine marode Küche, die Einbaumöbel aus dem Kinderzimmern und meinen Wintergarten. Es gab noch ein rauschendes Geburtstagsfest mit Freunden, dann begannen aber die schrecklichsten drei Wochen an die ich mich erinnern kann.
In einem Haus zu leben, was man mit viel Aufwand über 20 Jahre hergerichtet hat und nun in einem erbärmlichen Zustand sieht, ging an die Nerven. Der Flug war eigentlich für den 20.12. gebucht. Da machte der Notar einen Strich durch die Rechnung, wir mussten wegen des Firmenverkaufs nochmals erscheinen, zum Glück konnte ich den Flug gerade noch umbuchen. Also am 20.12. mittags zum Notar, Gott sei Dank alles erledigt. Ich ging mit meinem Nachfolger noch Essen, uns war jetzt beiden wohler, dass alles in trockenen Tüchern war. Zum Abschied umarmten wir uns und wünschten uns viel Glück. Ich würde mich sofort melden, sobald ich in Thailand angekommen war.
Um 19 Uhr war ich daheim, der letzte Abend in Deutschland. Es waren noch Bier und ein paar Zigarren da. Koffer war gepackt, also mich in den Wintergarten gesetzt und es Krachen lassen. Keine Ahnung wieso, aber ich musste an Bordi aus FFM denken, vielleicht weil es kurz vor Weihnachten war und sie in den vergangenen Jahren diese an sich schöne Zeit mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks zu Hölle gemacht hatte.
Ich bekam auf einmal den Moralischen. Oje, geht das alles gut? Ein kompletter Neuanfang, alles hier aufgegeben. Mir ging es nicht gut. Irgendwann muss ich ins Bett gefallen sein. Morgens um 4 Uhr schweißgebadet aufgewacht. Schnell duschen und noch mal durchs Haus. Ok. Heizungen waren alle runtergedreht, alle Geräte abgeschaltet und noch mal die Papiere gescheckt. Dann gings los. In strömendem Eisregen mit Sturm lief ich zur S-Bahn. Ich drehte mich noch nicht mal mehr um. Mit einem schweren Koffer und einem noch größeren Kater beladen, sollte das Abenteuer beginnen.
Fortsetzung folgt
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