Gastautor: Icecube
Prolog: In einem Land vor unserer Zeit …
Es war einmal in einem Königreich namens Moderne Gesellschaft, wo die Gesetze der Physik außer Kraft gesetzt waren und Schwerkraft nur für manche galt, da lebte eine ganz besondere Prinzessin. Ihr Name war Bequemia von Selbstverständlich, und ihre Geschichte ist so außergewöhnlich wie ein Einhorn mit Kreditkarte – märchenhaft unrealistisch und doch so real wie die Miete am Ersten des Monats.
Unsere Geschichte beginnt nicht mit "Es war einmal", sondern mit "Es ist leider immer noch so", denn Prinzessin Bequemia ist keine Figur aus vergangenen Zeiten, sondern eine zeitgenössische Heldin, deren Superkraft darin besteht, aus dem Nichts alles zu bekommen und dabei noch als Opfer der Umstände dazustehen.
Kapitel I: Die Geburt einer Legende
Im Jahre des Herrn Zweitausendirgendwas erblickte Prinzessin Bequemia das Licht der Welt, und bereits ihr erster Schrei war weniger ein Ausdruck des Schmerzes als vielmehr eine Forderung nach besseren Konditionen. Die Hebamme bemerkte sofort etwas Besonderes an diesem Kind: Während andere Neugeborene hilflos um sich blickten, schien die kleine Bequemia bereits zu kalkulieren, wer von den Anwesenden am ehesten bereit war, ihre Bedürfnisse zu erfüllen.
Die Eltern, ein durchaus wohlmeinendes Ehepaar mittlerer Einkommensklasse, erkannten sofort, dass sie ein ganz besonderes Geschöpf zur Welt gebracht hatten. Während ihr drei Jahre älterer Bruder bereits als Säugling demonstriert hatte, dass Leben Kampf bedeutet – er schrie, wenn er Hunger hatte, kämpfte gegen den Schlaf und machte deutlich, dass Überleben Arbeit ist –, zeigte die kleine Bequemia von Anfang an eine erstaunliche Fähigkeit: Sie brauchte nur zu glucksen, und schon eilten alle herbei.
"Ach, die Süße", riefen die Tanten in Chor, "die wird später mal alle Männer um den Finger wickeln!" Diese prophetischen Worte sollten sich als Programmierung erweisen, denn bereits im zarten Alter von sechs Monaten hatte Bequemia verstanden: Das Leben ist ein All-inclusive-Resort, und sie hatte das Platin-Paket gebucht.
Die Großmutter mütterlicherseits, eine Frau von vorkriegspragmatischer Erziehung, beobachtete das Schauspiel mit der Weisheit ihrer achtzig Lebensjahre und murmelte leise vor sich hin: "Das Kind lernt gerade, dass Tränen Türöffner sind." Doch ihre Bedenken verhallten ungehört im Konzert der Bewunderung, das die kleine Prinzessin bereits um sich versammelt hatte.
Kapitel II: Die frühen Lehrjahre der Macht
Die Kindheit der Prinzessin Bequemia war geprägt von einer Serie kleiner Wunder, die Soziologen später als "systematische Konditionierung zur erlernten Hilflosigkeit" bezeichnen würden, die aber ihre Familie als völlig normales Verhalten eines "sensiblen" Mädchens interpretierte. Mit drei Jahren hatte sie bereits den Doktor in angewandter Niedlichkeit erworben. Während ihr Bruder Max mit Bauklötzen kämpfte und dabei lernte, dass Häuser nur stehen bleiben, wenn man sie richtig baut, saß Bequemia daneben und ließ sich von Papa die Türme bauen, die sie dann mit entzücktem Gequietsche umwarf. "Sie ist eben eine kleine Künstlerin", erklärte Mama den Nachbarinnen, "sie dekonstruiert!"
Der erste große Triumph kam im Alter von vier Jahren, als die Familie beschloss, dass jedes Kind eine kleine Aufgabe im Haushalt übernehmen sollte. Max bekam die ehrenvolle Aufgabe, den Müll rauszubringen – eine Sisyphusarbeit, die ihn in die Geheimnisse der Verantwortung einweihte. Bequemia sollte ihre Spielsachen wegräumen.
"Aber Papa", hauchte sie mit der Stimme eines Engels und den Augen eines Rehkitzes, "ich bin doch so klein und schwach! Außerdem sind das so viele Sachen!" Das Ergebnis war vorhersagbar: Papa räumte auf, während Bequemia daneben saß und "aufpasste", dass auch ja nichts kaputtging. Die Mutter, eine moderne Frau mit progressiven Ansichten, rechtfertigte dies gegenüber besorgten Verwandten: "Wir wollen sie doch nicht überfordern. Mädchen entwickeln sich anders als Jungen. Sie ist eben sensibel."
Diese Sensibilität erwies sich als äußerst selektiv. Wenn es darum ging, stundenlang vor dem Fernseher zu sitzen oder Süßigkeiten zu fordern, zeigte Prinzessin Bequemia eine erstaunliche Zähigkeit. Wenn es jedoch um das Aufräumen ihres Zimmers ging, überkam sie plötzlich eine mysteriöse Schwäche, die nur durch die Intervention eines Erwachsenen geheilt werden konnte.
Kapitel III: Die Schule der höheren Manipulation
Als Bequemia in die Schule kam, offenbarte sich das ganze Ausmaß ihres Talents. Während andere Kinder mühsam lernten, ihre Schulranzen zu packen, ihre Hausaufgaben zu machen und ihre Termine zu verwalten, etablierte Bequemia ein ausgeklügeltes Support-System.
"Mama, ich kann meine Hausaufgaben nicht finden!" wurde zu einem täglichen Ritual, das stets damit endete, dass Mama nicht nur die Hausaufgaben fand, sondern sie gleich noch einmal erklärte, während Bequemia mit glasigen Augen dabeistand und "zuhörte".
Die Lehrerin, Frau Müller, eine erfahrene Pädagogin mit dreißig Jahren Klassenzimmer-Erfahrung, erkannte das Muster sofort. Doch als sie es bei einem Elterngespräch ansprach, stieß sie auf eine Mauer des Unverständnisses.
"Bequemia ist eben ein träumerisches Kind", erklärte die Mutter, "sie hat so viel Fantasie! Wir wollen ihre Kreativität nicht durch zu strenge Regeln einschränken."
Der Vater nickte zustimmend: "In der Schule wird ohnehin viel zu viel Druck gemacht. Hauptsache, sie ist glücklich."
Frau Müller versuchte es anders: "Aber Selbstständigkeit ist wichtig für die Entwicklung. Wenn Bequemia lernt, ihre Aufgaben eigenverantwortlich zu erledigen..."
"Sie ist doch erst acht!" unterbrach die Mutter. "Außerdem hilft Max ihr ja so gerne beim Ranzen packen, nicht wahr, Max?"
Max, der mit seinen elf Jahren bereits die Verantwortung für sein eigenes Leben und einen erheblichen Teil von Bequemias Leben trug, nickte müde. Er hatte längst aufgegeben zu protestieren, nachdem ihm erklärt worden war, dass "große Brüder sich um ihre kleinen Schwestern kümmern".
Kapitel IV: Die Pubertät oder Die Kunst des strategischen Weinens
Mit dreizehn Jahren erreichte Prinzessin Bequemia den Gipfel ihrer Macht. Die Pubertät, diese Zeit des Umbruchs und der Rebellion, nutzte sie nicht etwa, um ihre Unabhängigkeit zu erklären, sondern um ihre Abhängigkeit zu professionalisieren.
"Ich kann nicht abwaschen, ich habe Rückenschmerzen!" wurde zu ihrem Schlachtruf, gefolgt von einem kunstvoll inszenierten Zusammenbruch auf dem Sofa. Die Tatsache, dass sie anschließend drei Stunden in unbequemen Positionen vor dem Computer verbringen konnte, ohne auch nur das geringste Anzeichen von Beschwerden zu zeigen, fiel niemandem auf – oder besser gesagt, niemand wagte es, darauf hinzuweisen.
Die Erfindung der Menstruation als Universalausrede war Bequemias Meisterstreich.
"Ich kann nicht … ich bin indisponiert", hauchte sie mit der Leidensfähigkeit einer Operndiva, und sofort verwandelte sich die Familie in ein Pflege-Ensemble. Papa brachte Wärmflaschen, Mama kochte Tee, und Max übernahm stillschweigend alle Aufgaben, die eigentlich Bequemia hätten zufallen sollen. Der Höhepunkt dieser Strategie wurde erreicht, als sie entdeckte, dass "Periodenschmerzen" nicht nur bei tatsächlicher Periode funktionierten, sondern auch bei allen anderen Gelegenheiten, bei denen körperliche oder geistige Anstrengung gefordert war. Die Familie, in ihrer aufgeklärten Sensibilität für "Frauenleiden", wagte es nicht, die Glaubwürdigkeit ihrer Beschwerden in Frage zu stellen.
"Weißt du", erklärte Bequemia ihrer besten Freundin Lisa während einer dieser "Krankheitstage", während sie gemütlich Chips knabberte und Netflix schaute, "Erwachsene sind so bescheuert. Du musst nur wissen, welche Knöpfe du drücken musst."
Lisa, deren Eltern aus einer anderen Kultur stammten und andere Vorstellungen von Pflichten und Verantwortung hatten, schaute sie verwundert an:
"Aber machst du nie etwas selbst?"
Bequemia lachte, als hätte Lisa einen besonders naiven Witz erzählt: "Warum sollte ich? Andere können das doch viel besser!"
Kapitel V: Die Ausbildung zum professionellen Träumen
Nach dem Abitur, das Bequemia mit einer für ihre Verhältnisse respektablen Drei-Minus absolvierte (hauptsächlich dank Max' nächtlichen Nachhilfe-Sessions und Papas strategischen Gesprächen mit besonders verständnisvollen Lehrern), stand die große Frage im Raum: Was sollte aus der Prinzessin werden?
"Ich will etwas mit Menschen machen", verkündete sie mit der Überzeugung eines Propheten. "Etwas Sinnvolles. Etwas, wo ich mich selbst verwirklichen kann."
Diese Aussage, so vage wie ein Horoskop und so konkret wie Morgennebel, wurde von der Familie mit ehrfürchtiger Bewunderung aufgenommen. Endlich zeigte ihre Tochter Ambitionen!
"Was schwebt dir denn vor?", fragte der Vater vorsichtig.
"Naja", Bequemia lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, als würde sie über die großen Fragen der Menschheit philosophieren, "ich dachte an etwas Kreatives. Vielleicht Psychologie? Oder Soziologie? Oder... ähm... was studiert man, wenn man Menschen helfen will?"
Die Eltern tauschten einen Blick aus. Papa dachte an seine eigene Ausbildung zum Maschinenbauingenieur – vier Jahre harte Arbeit, komplizierte Mathematik, endlose Praktika.
"Gender Studies!", rief Bequemia plötzlich aus, als hätte sie eine Erleuchtung gehabt. "Das ist es! Da kann man die Welt verbessern und muss nicht diese langweiligen Sachen wie Mathematik lernen!"
(Fortsetzung folgt in einer Woche!)
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