Stinkfaul (Arbeitswut II)
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Gastautor: Drecksköter
Es ist im Arbeitsleben schon sehr auffällig: Immer wenn es darum geht, dass der Chef die Beweggründe für eine unzureichende Arbeitsleistung eines Arbeiters oder Angestellten benennt, dann darf der Chef dem Arbeitnehmer praktisch alles vorhalten: Frust, Burnout, Krankheit, „mit falschem Fuß aufgestanden“, „jeder hat mal ’n schlechten Tag“, „Periode“, „blauer Montag“, „Stress mit Kollegen“, ja sogar mangelnde Motivation oder gar der berüchtigte „Boreout“ (das Gegenteil von Burnout, das aber ähnliche Folgen haben kann) dürfen genannt werden. Nur eine Ursache darf nie genannt werden:
Faulheit. Schlicht und ergreifend Faulheit.
Zumindest im deutschsprachigen Raum gibt es in der Arbeitswelt keine Faulheit. Das Wort ist offiziell tabu und verstößt gegen jeden männlichen Arbeitsethos. In Deutschland, wo der „Beruf“ schon direkt mit „Berufung“ zusammenfällt, gibt es nur Strebsamkeit, Arbeitsamkeit und unermüdlichen Fleiß. Da ist die Arbeit nicht wie im angloamerikanischen Sprachraum einfach nur ein „Job“, sondern eben ein(e) „Beruf(ung)“. Lagen die alten Germanen noch sprichwörtlich „auf der Bärenhaut“, so ist es mit den faulen Zeiten in Deutschland spätestens seit dem protestantischen Reformator Calvin endgültig vorbei. Denn dieser postulierte sinngemäß: Da sich Gottes Gnade bereits im Diesseits zeigt, ist der Wohlstand, der aus harter Arbeit und Fleiß erwächst, ein untrügliches Zeichen, dass Gott es mit dem Gläubigen gut meint. Und wer wollte da noch zurückstehen?
Und Calvin hatte recht. Sagt doch bereits der Psalmist in Psalm 90:10: „Der Mensch wird 70, wenn es hochkommt, 80 Jahre. Und wenn es ein gutes Leben war, dann war es ein Leben voll Arbeit und Mühe.“ Und die Vertreibung von Adam und Eva aus dem Paradies ist natürlich auch sofort verbunden mit der Drohung „im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis dass du wieder zu Erde wirst“. Das Ganze kombinieren wir dann noch mit preußisch-korrekter Dienstauffassung, schwäbischem Fleiß und der berühmten Präzision eines „Schweizer Uhrwerks“, dann ist für Freizeit, Freude, Firlefanz und Faulheit überhaupt kein Platz. Im Gegenteil.
Jede Pause im modernen Arbeitsleben ist tarifvertraglich festgehalten und als Raucher hat man ein echtes Problem: „Der Müller ist schon wieder draußen am Rauchen, wenn man das mal hochrechnet, was der jeden Tag draußen am Qualmen ist, während wir …“ Und schon brennt nicht nur die Zigarette, sondern auch gleich „die Hütte“. Der giftig-neidische Volksmund hat für solche faulen Kameradenschweine natürlich auch gleich die passenden Sprichwörter parat:
„Langes Fädchen, faules Mädchen“, „Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps“, „Wer saufen kann, kann auch arbeiten!“, „Müßiggang ist aller Laster Anfang“ und beim Militär ist gern gehört: „Jaja, nachts zentnerschwere Weiber stemmen und am Tag nur Luft im Sack!“. Welcher Mann will sich das schon nachsagen lassen? Eben!
Faul sind immer nur die anderen. Insbesondere die Nachbarn. Natürlich ist der Deutsche insgeheim etwas neidisch, aber er gibt es nach außen nicht zu.
Wer kennt das nicht?
„Dolce fa niente“ – Süßes Nichtstun! Kann nur aus Italien kommen. Die Sonne, der Wein, die Lebensart … je südlicher, desto „niente“. Seit dem Ende des römischen Imperiums, seit Marco Polo die Nudel aus China mitbrachte, schlägt man sich mit Vino und Pasta einfach, aber angenehm durchs Leben. Selbst die Episode unter Benito M. war eigentlich nur ein Versehen, dass der italienischen Lebensart doch gar nicht entsprochen hat. Angeblich hatten die italienischen Panzer „zwei Vorwärtsgänge und fünf Rückwärtsgänge“, wie früher die deutschen Landser lästerten. Aber das nur am Rande …
„Leben wie Gott in Frankreich“. Alles atmet die Eleganz von Paris, l'amour und das gute Essen tun ein Übriges und gäbe es nicht die Globalisierung, die Franzosen würden auch heutzutage in der Arbeitswoche mittags weiterhin Wein trinken und die Mittagspause bequem auf zwei Stunden ausdehnen. Hat es ihnen geschadet?
„Diogenes in der Tonne“, der griechische Philosoph und Lebenskünstler lacht bis heute über die deutsche Arbeitswut und auch die Griechen lassen bei Gyros und Retsina den lieben Gott einen guten Mann sein. Sparta? Ein Betriebsunfall der griechischen Geschichte, der sich nur kurz gehalten hat. Das ist bei denen so Ouzo …
Auch die Orientalen wissen mit großer Gelassenheit zu leben. „Inschallah“ – „so Gott will“ – bringt klar zum Ausdruck, dass ohne göttliche Hilfe nichts mit reiner Arbeit erzwungen werden kann und ein kräftiger Zug aus der Shisha bestätigt die Richtigkeit dieser Haltung. Gut so!
Nur Deutschland hat es irgendwie nicht auf die Reihe gekriegt.
„Leben wir Gott in Deutschland“? Ein Widerspruch in sich! Scheinbar. Graues, Wetter. Viel Regen. Wurst und sssteife-norddeutsche Zurückhaltung prägen den Alltag. Kein feuriges Blut in den Lenden … Noch hängt der Gleichschritt des Kasernenhofs, das „Ping“ der Stechkarten und der Lärm deutscher Stahlwerke in der Luft und Deutschland zehrt noch von den Resttugenden seiner Vergangenheit. Noch rennt der deutsche Michel brav zur Arbeit, um mit seinen Steuern die ganze Welt zu beglücken. Noch.
Der Freie Mann kann aus den Haltungen unserer Nachbarvölker viel lernen. Sicher, Drecksköter hat leicht reden, weil ihn keine Unterhaltsschulden quälen, er nicht verheiratet ist, keine Kinder hat, keine Haus- und Unterhaltsschulden und dann auch noch ein finanzielles Polster hat. Und wer seinen Beruf wirklich liebt, soll ihn um Gottes willen beibehalten. Denn zum Leben brauchen wir halt Geld. Da kommt niemand drumherum. Faul zu sein, muss man sich leisten können. Wie auch immer :-)
Für widerwärtige Unterhaltspreller ist daher mit „alles an die Wand klatschen“ ein erster, guter Anfang gemacht. Stunden reduzieren, Arbeitseinsatz runterfahren. Alles Weitere findet sich … Zum Erhalt der neugewonnenen Seelenruhe mag ansonsten für den frei-faulen Mann gelten:
„Was ist der beliebteste Schiffstyp des faulen Mannes?“
„Der Schoner!“
(Wird fortgesetzt!)
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