Gastautor: Icecube
Die Lösung kam in Form einer Eingebung, die Bequemia während einer ihrer ausgedehnten Wellnesstage in einem teuren Spa hatte (bezahlt von Maximilian, versteht sich): "Ich werde Influencerin!"
Diese moderne Berufung, so erklärte sie begeistert, vereinte alles, was ihr wichtig war: Kreativität, Selbstverwirklichung und die Möglichkeit, andere Menschen zu inspirieren, ohne dafür das Haus verlassen zu müssen.
"Das ist brilliant!", rief sie aus und umarmte Maximilian stürmisch. "Ich kann über Lifestyle, Fashion, Feminismus schreiben... Ich kann die Welt verändern!"
Die Tatsache, dass sie bisher noch nie einen Text verfasst hatte, der länger als eine WhatsApp-Nachricht war, und dass ihr Verständnis von Feminismus hauptsächlich darin bestand, dass andere für sie arbeiten sollten, schien irrelevant.
Kapitel X: Die Hochzeit des Jahrhunderts
Die Verlobung kam, wie alle wichtigen Ereignisse in Bequemias Leben, überraschend und doch völlig vorhersagbar. Es war an einem Sonntagmorgen, als Maximilian beim Frühstückmachen (während Bequemia noch im Bett lag und "Instagram checkkte") plötzlich erkannte, dass er seine Zukunft nicht ohne diese wunderbare Frau verbringen wollte.
"Bequemia", sagte er, als er ihr das Frühstück ans Bett brachte, "willst du mich heiraten?"
Bequemia ließ fast ihr Handy fallen. Nicht vor Überraschung, sondern vor Aufregung. Endlich! Nach all den Jahren des geduldigen Wartens war der große Moment gekommen!
"Oh Maximilian!", hauchte sie mit Tränen in den Augen, "das ist so romantisch! Ja, natürlich will ich!"
Was folgte, war die Planung der Hochzeit des Jahrhunderts – zumindest aus Bequemias Sicht. Während Maximilian davon träumte, eine kleine, intime Feier zu organisieren, hatte Bequemia bereits Visionen von einer Veranstaltung, die Pinterest zum Leben erwecken würde.
"Schatz", erklärte sie, während sie auf dem Sofa lag und durch Hochzeitsmagazine blätterte, "das ist der wichtigste Tag in unserem Leben! Da können wir nicht sparen!"
Die Hochzeitsplanung wurde zu Bequemias erstem echten Vollzeit-Job. Zwölf Stunden am Tag beschäftigte sie sich mit der Auswahl der perfekten Blumen, der idealsten Location und dem ultimativen Kleid. Dabei zeigte sie eine Organisationsfähigkeit und Entschlossenheit, die ihre Familie seit Jahren vermisst hatte.
"Es ist, als wäre sie wie verwandelt", staunte ihre Mutter, als sie Bequemia dabei beobachtete, wie sie mit militärischer Präzision Sitzpläne erstellte und Caterer koordinierte. Tatsächlich war Bequemia nicht verwandelt, sondern endlich in ihrem Element. Die Hochzeitsplanung war die perfekte Kombination aus wichtigtuerischer Aktivität und tatsächlicher Untätigkeit: Sie konnte den ganzen Tag beschäftigt wirken, ohne etwas Produktives zu tun, und gleichzeitig alle anderen dazu bringen, ihre Träume Realität werden zu lassen.
Kapitel XI: Der große Tag
Die Hochzeit fand im Schloss Neuschwanstein statt – nun ja, nicht im echten Schloss, aber in einer Location, die aussah, als hätte Disney sie entworfen, nachdem sie zu viele Märchenfilme gesehen hatten. Bequemia trug ein Kleid, das mehr kostete als ein Kleinwagen und so unpraktisch war, dass sie drei Brautjungfern brauchte, nur um zur Toilette zu gehen.
"Du siehst aus wie eine echte Prinzessin!", flüsterte ihre Mutter mit Tränen in den Augen.
Bequemia strahlte. Nach fünfundzwanzig Jahren harter Arbeit – der Arbeit, andere für sich arbeiten zu lassen – hatte sie endlich ihr Ziel erreicht: Sie war eine echte Prinzessin geworden. Die Hochzeitsfeier war ein Triumph der Ästhetik über die Praktikabilität. Jeder Tisch war mit Blumen dekoriert, die mehr kosteten als der Monatslohn einer Krankenschwester. Das Essen wurde von einem Sterne-Koch zubereitet, der normalerweise nur für Staatsoberhäupter kochte. Die Musik kam von einer Band, die gerade einen Grammy gewonnen hatte.
"Das ist der schönste Tag meines Lebens", verkündete Bequemia in ihrer Hochzeitsrede, während sie in ihrem elfenbeinfarbenen Kleid strahlte wie eine Göttin der Konsumkultur. "Und das Beste ist: Ab morgen kann ich endlich das Leben führen, von dem ich immer geträumt habe!"
Maximilian, der inzwischen ahnte, was dieses Leben beinhalten würde, lächelte tapfer und dachte an die Rechnung, die am nächsten Tag eintreffen würde.
Kapitel XII: Das Leben nach der Hochzeit
Die Flitterwochen in den Malediven (first class, versteht sich) waren für Bequemia wie ein Vorgeschmack auf das Paradies. Zwei Wochen lang musste sie nichts tun außer am Strand zu liegen, während Maximilian die Ausflüge organisierte, die Restaurants auswählte und sich um alle praktischen Belange kümmerte.
"Weißt du, Schatz", sagte sie eines Abends, während sie auf der Terrasse ihrer Villa saß und einen Cocktail schlürfte, der mehr kostete als ein Monatseinkauf, "ich glaube, ich bin für dieses Leben geboren."
Als sie nach Deutschland zurückkehrten, begann Bequemias neue Karriere als "Content Creator" und "Lifestyle Influencerin". Ihr Instagram-Account "PrincessBequemia_Official" dokumentierte ihr Leben als frischgebackene Ehefrau mit einer Mischung aus strategischer Naivität und kalkulierter Spontaneität.
"Good morning, my beautiful souls!", war ihr täglicher Gruß an ihre (hauptsächlich von Maximilian gekauften) Follower. "Today I want to share with you my morning routine for a positive mindset!"
Diese Morning Routine bestand darin, bis zehn Uhr zu schlafen, während Maximilian bereits seit drei Stunden arbeitete, dann eine Stunde im Bett zu verbringen und zu "meditieren" (Instagram zu checken), bevor sie sich endlich erhob, um einen Smoothie zu trinken und dabei über "Selbstliebe" zu philosophieren.
Kapitel XIII: Die Kunst des modernen Feminismus
Bequemias Interpretation des Feminismus war ein Meisterwerk kreativer Umdeutung. In ihren Blog-Posts und Instagram-Stories erklärte sie ihren Followern, wie wichtig es sei, dass Frauen ihre eigenen Entscheidungen treffen und sich nicht von der Gesellschaft vorschreiben lassen, wie sie zu leben haben.
"Feminismus bedeutet Wahlfreiheit!", verkündete sie in einem ihrer meistgelikten Posts, während sie in ihrer maßgeschneiderten Designerküche posierte, die Maximilian finanziert hatte. "Ich habe mich dafür entschieden, meinen Mann zu unterstützen, indem ich das Zuhause schön mache und positive Energie ausstrahle!"
Diese "Unterstützung" bestand hauptsächlich darin, dass sie da war, wenn Maximilian von der Arbeit nach Hause kam, bereit, ihm von ihrem anstrengenden Tag zu erzählen, der aus einem Yoga-Kurs, einem Lunch mit den Mädels und einer ausgiebigen Shopping-Tour bestanden hatte.
"Du verstehst nicht, wie stressig es ist, immer positiv zu sein", erklärte sie Maximilian, wenn er nach einem zwölfstündigen Arbeitstag erschöpft nach Hause kam. "Ich muss ständig inspirierend sein! Das ist emotionale Arbeit!"
Emotionale Arbeit – dieser Begriff wurde zu Bequemias Lieblingswaffe. Alles, was sie tat, war emotionale Arbeit: Das Aussuchen ihrer Outfits (schließlich repräsentierte sie damit die Familie), das Planen von Dinner-Partys (auch wenn die gesamte Organisation und Durchführung an Maximilian oder das Catering-Team delegiert wurde), sogar das Schauen von Netflix war emotionale Arbeit, weil sie dabei "über das Leben reflektierte".
Kapitel XIV: Das Imperium schlägt zurück
Nach zwei Jahren Ehe hatte sich ein eingespieltes System etabliert. Maximilian arbeitete härter denn je, um den Lifestyle zu finanzieren, den Bequemia für "angemessen" hielt, während sie ihre Rolle als "Influencerin" und "Hausfrau" immer weiter ausbaute.
Ihr Instagram-Account hatte inzwischen 50.000 Follower (okay, 30.000 davon waren Bots, die Maximilian gekauft hatte, aber das zählte nicht), und sie erhielt sogar gelegentlich Kooperationsanfragen von Unternehmen, die ihre "authentische" Art schätzten.
"Ich bin praktisch Unternehmerin!", erklärte sie stolz ihren Freundinnen beim wöchentlichen Prosecco-Brunch. "Ich habe meine eigene Brand aufgebaut!"
Diese Brand bestand hauptsächlich aus Fotos von ihr in verschiedenen Outfits, kombiniert mit Weisheiten wie "Choose happiness every day!" oder "You deserve the life of your dreams!" – Sätze, die so inhaltslos waren wie ein Luftballon, aber genauso bunt und auffällig.
Das wahre Genie von Bequemias System lag darin, dass sie es geschafft hatte, ihre komplette Untätigkeit als Form von Aktivismus zu verkaufen. Sie war nicht faul – sie praktizierte "Slow Living". Sie war nicht verwöhnt – sie "wertschätzte die schönen Dinge des Lebens". Sie war nicht manipulativ – sie war "emotional intelligent".
Kapitel XV: Die nächste Generation
Als Bequemia achtundzwanzig wurde, begann ihre biologische Uhr zu ticken – oder besser gesagt, ihr Instagram-Feed wurde zunehmend von Freundinnen mit süßen Babys überschwemmt, und sie realisierte, dass sie das nächste Level ihrer Prinzessinnen-Karriere erreichen musste.
"Maximilian", sagte sie eines Abends, als sie gemütlich auf der Designer-Couch lag und dabei zusah, wie er das Abendessen zubereitete, "ich glaube, ich bin bereit."
"Bereit wofür?", fragte Maximilian, während er den Herd bediente und gleichzeitig E-Mails auf seinem Handy beantwortete.
"Für ein Baby", verkündete sie mit der feierlichen Stimme einer Orakelpriesterin.
Maximilian ließ dieses Mal fast sein Handy fallen. Ein Baby! Das war der natürliche nächste Schritt, nicht wahr? Er hatte immer davon geträumt, Vater zu werden, auch wenn er sich in letzter Zeit manchmal fragte, ob er nicht bereits praktisch der Vater einer sehr verwöhnten Erwachsenen war.
"Das ist... das ist wunderbar!", stammelte er. "Aber meinst du, wir sind bereit? Ich meine, finanziell und so?"
Bequemia schaute ihn an, als hätte er gefragt, ob sie bereit wäre, auf den Mond zu ziehen: "Schatz, man ist nie wirklich bereit für ein Baby. Aber ich spüre einfach, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist!" Was sie wirklich spürte, war, dass ihr Content zu langweilig wurde und sie dringend neues Material brauchte. Ein Baby würde ihre Instagram-Präsenz revolutionieren: Baby-Fashion, Mama-Lifestyle, Family-Goals – die Möglichkeiten waren endlos!
Epilog: Die Moral von der Geschicht'
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute: Prinzessin Bequemia in ihrer selbstgeschaffenen Märchenwelt, wo jeder Tag ein Spa-Tag ist und jedes Problem von jemand anderem gelöst wird, und Maximilian in seiner selbstgewählten Rolle als Prinz Gemahl, der arbeitet, zahlt und schweigt.
Ihre Geschichte zeigt, dass in Zeiten von Instagram, Influencer-Kultur und therapeutischem Vokabular die alte Kunst, andere für sich arbeiten zu lassen, neue, kreative Formen angenommen hat. Wo früher direkte Manipulation nötig war, reichen heute Begriffe wie "emotionale Arbeit", "Selbstfürsorge" und "Work-Life-Balance".
Bequemia hat bewiesen, dass es möglich ist, ein Leben in kompletter Verantwortungslosigkeit zu führen und dabei noch als fortschrittliche, selbstbestimmte Frau zu gelten. Sie hat die perfekte Symbiose aus traditioneller Prinzessinnen-Mentalität und modernem Feminismus-Speak geschaffen.
Und das Schönste an ihrer Geschichte? Sie glaubt tatsächlich selbst daran. In ihrer Welt ist sie wirklich eine starke, unabhängige Frau, die hart für ihren Erfolg gearbeitet hat. Die Tatsache, dass diese "harte Arbeit" hauptsächlich darin bestand, andere davon zu überzeugen, dass sie ihre Arbeit machen sollten, ist nur ein Detail am Rande.
So endet die Geschicht‘ nicht mit "und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage", sondern mit der viel realistischeren Moral: "Und sie lebte bequem bis ans Ende ihrer Tage, während alle anderen für ihr Glück arbeiteten." Denn das wahre Genie von Prinzessin Bequemia liegt nicht darin, dass sie faul ist – faul sind viele Menschen. Ihr Genie liegt darin, dass sie es geschafft hat, ihre Faulheit als Tugend zu verkaufen, ihre Manipulation als Empathie zu tarnen und ihre komplette Selbstbezogenheit als Selbstliebe zu vermarkten.
Und während wir über ihre Geschichte amüsieren, sollten wir uns vielleicht fragen: Kennen wir nicht alle eine Prinzessin Bequemia?
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