Der Staranwalt aus Bregenz ist ein harter Kämpfer
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Es ist Mittwochmorgen, 04.30 Uhr. Mein Wecker klingelt. Zu dieser unchristlichen Zeit muss ich aufstehen, damit ich pünktlich um 08.00 Uhr beim Gericht bin. Heute steht wieder einmal ein Verhandlungstermin wegen meiner Scheidung an. Die Autobahn ist leer und so kann ich mit 220 km/h, der optimalen AMG Reisegeschwindigkeit, zügig fahren.
Das Gerichtsgebäude ist ein schlichter Bau und ich sitze alleine im Flur vor dem Verhandlungssaal. Eine Akte oder Schriftstücke habe ich nicht dabei. Die Schmuddel-Anschuldigungen meiner lieben Ehefrau muss ich nicht nachschlagen, die habe ich im Kopf. Meine ist satirisch durchaus als wertvoll einzustufen, als juristisches Dokument wohl weniger. Der Anwalt meiner lieben Ehefrau wird als Jurist die Gesetze sicherlich beachtet haben.
Aus meinem Halbschlaf werde ich unsanft geweckt, als der gegnerische Staranwalt die Treppe hoch hechelt. Er scheint unter der Last der schweren Scheidungsakten zu leiden. Als er an mir vorbeiläuft, hält er einen ungewöhnlich großen Abstand. Sein Anzug funkelt im Neonlicht, was auf einen respektablen Polyesteranteil im Zwirn schliessen lässt. Er rückt seine eigentlich tadellos sitzende Brille zurecht und blättert geschäftig in seiner Akte, einer losen Blattsammlung. Ich wundere mich, denn bei den letzten Terminen begrüßte er mich stets mit Handschlag und einem freundlichen, siegessicheren Lächeln. Das ist heute nicht der Fall. Gut, nicht jeder Tag ist gleich und er wird seine Gründe haben.
Der Flur füllt sich. Der Dolmetscher meiner Ehefrau schlendert fröhlich zu den Sitzgelegenheiten. Ein junger Mann mit Block, der später als Gerichtspraktikant vorgestellt wird, steht schüchtern an der Wand und nun, 2 Minuten vor Beginn der Verhandlung, hetzt auch meine ehemals nette Ehefrau die Treppe hoch. Pünktlich betritt die neue Richterin den Flur und schließt den Verhandlungsraum auf. Eine schöne Frau, die ich auf Mitte 30 schätze. Das ist eine echte Qualitätsverbesserung zur bisherigen Richterin, die nach der letzten Verhandlung aus mir nicht bekannten Gründen das Handtuch geworfen hat. Die neue Richterin gefällt mir ausgesprochen gut und wenn es langweilig werden sollte, dann werde ich mich an ihrem Anblick erfreuen. Schöne Frauen haben bei mir einen besonderen Bonus. Einen Ehering trägt sie nicht.
Der kleine Sitzungssaal ist gut gefüllt. Immerhin sind wir zu sechst. Und es geht gleich zur Sache. Der Staranwalt möchte, mich noch immer keines Blickes würdigend, gleich zu Anfang die fetten Points einsammeln. Angeblich war ich ein sauschlechter Ehemann, aber seine Beweisführung dazu liess bisher sehr zu wünschen übrig.
Nun kündigt der Staranwalt mit entschlossener Mine und fester Stimme seinen Hauptbeweis an - ein Video. Wow, denke ich mir, na da bin ich mal gespannt. Seine Brust schwillt an und sein Gesichtsausdruck wirkt siegessicher. Da muss ich kurz lachen, aber aus Respekt kichere ich dann nur vor mich hin. Anwalt macht sein iPad fit und wir schauen uns den siebenminütigen Filmbeitrag an. Als der Film zu Ende ist, warte ich vergeblich auf eine Erklärung, was dieses Beweismittel beweisen soll. Er sagt nichts und die Richterin fragt nichts.
Zu sehen in dem Video war ich, der in einer anständigen Wohnung lebt und Unterhalt verweigert. An sich ein sehr schöner Beweis, dass es meiner Liebsten an nichts fehlte. Wenn es mir gut geht, dann geht es auch meiner Ehefrau gut. Dieses Video war ein echter Knaller und ich musste den Anwalt einfach nur anlächeln. Was für ein Marketing für mich und das vom gegnerischen Anwalt, noch dazu kostenlos. Der Anwalt wurde still, denn erst jetzt begriff er sein Eigentor. Mit dem Video war klar, dass meine Ehefrau mehr als gut bei mir lebte und er sein Anwaltshonorar abschreiben kann. Ein Unterhaltspreller zahlt kein Anwaltshonorar. Das waren die wesentlichen Botschaften des Videos.
Nunmehr sichtlich nervös blätterte der Staranwalt in seiner losen Blattsammlung und präsentierte weitere, aus seiner Sicht handfeste Beweise, einen daumendicken Stapel Papier, alles Ausdrucke aus dem Internet. Dabei handelte es sich um meine Lieblingsartikel aus einem Blog. Ein weiterer schöner Unterhaltsprellerartikel über mich durfte natürlich nicht fehlen. Die attraktive Richterin nahm den Packen wortlos entgegen. Keine Frage der Richterin und keine Begründung vom Anwalt, was diese Ausdrucke beweisen sollen. Er ließ das offen. Sicherlich geht er davon aus, dass die Richterin und ich schon wissen werden, was es beweisen soll. Ein netter Zug vom Anwalt, die Richterin zum Lesen des Blogs zu bewegen.
Die Richterin forderte nun beide Seiten auf, ihre Kosten geltend zu machen. Da ich mich selbst verteidige und ich für eine Kostenaufstellung zu faul war, machte ich exakt 0,00 € geltend. Der Anwalt war da schwer auf Zack und überreichte der Richterin mit demütig gesenktem Kopf seine Kostennote und mir eine Kopie davon. Ich konnte mir ein kurzes lautes Lachen nicht verkneifen. Insgesamt 6.114,01 €, das ist ja richtig günstig. Gar geschenkt. Für mich ist alles kostenlos, da ich eh nichts zahle. Dabei grinste ich ihn an, während der realisierte, dass ich auf seine Kosten schon wieder extrem viel Spass habe. Das machte den Anwalt noch einmal merklich unsicherer. Seine linke Hand zitterte nun nervös. In die Augen konnte er mir während der gesamten Verhandlung nicht schauen.
Ein echtes Highlight war die Befragung durch die Richterin. Sie belehrte beide Parteien, die Wahrheit zu sagen. Das konnte nur eine Sternstunde für mich werden. Meine Ehefrau sprach verbittert über ihr hartes Dasein als Ehefrau. Sie durfte keiner Arbeit nachgehen, musste mir Frühstück machen und im Urlaub durfte sie nicht mit an den Strand. Ihr großes Leid untermauerte sie mit verzerrter Miene und glasigen Augen. Dann kam ich an die Reihe und ich konnte beweisen, dass sie sehr wohl arbeiten ging. Einige Fotos von mir am Strand belegten, dass meine Frau mit mir dort war, denn auf Nachfrage der Richterin gab sie zu, die Bilder gemacht zu haben. Einfach nur köstlich. Die Richterin registrierte diese Unstimmigkeiten. Meine Ehefrau log rotzfrech, doch ermahnt wurde sie dafür nicht. Sicherlich war der Richterin das zu blöd.
Dann setzte der Staranwalt einen weiteren fetten Point. Ich hätte meiner Frau während der Ehe angeblich keinen Unterhalt gezahlt. Mir blieb nichts weiter übrig, als mich ausdrücklich dafür zu entschuldigen, dass ich als Deutscher die Regeln der ausländischen Eheführung nicht kenne. Ich habe es versäumt, mir die Geldübergaben an meine Ehefrau von ihr wöchentlich und monatlich quittieren zu lassen. Ebenso fehlen die Belege, dass sie von mir stets ausreichend Kleidung und Nahrung bekam. Im Ausland ist es wohl üblich, über die ehebedingten Zuwendungen an die Ehefrau eine revisionssichere Buchhaltung zu führen. Da hat mich der Anwalt erwischt. Bei meiner Entschuldigung konnte ich ein kurzes Lächeln der attraktiven Richterin sehen.
In diesem Zuge habe ich mich weiterhin dafür entschuldigt, meine Frau einfach zu einem Deutschkurs angemeldet zu haben, ohne sie zu fragen. Das war nicht in Ordnung und im Nachhinein gesehen auch sinnlos, weil sie nach 4 Jahren noch immer kein Deutsch sprechen kann. Aber das soll nicht mehr mein Problem sein.
Ein Punkt interessierte mich dann noch, weil mir die Behauptung meiner Ehefrau, dass sie in der Ehe meine Dienstleisterin für Sex gewesen war, keine Ruhe liess. Meine Frau antwortete, dass ich ihr einmal beim Blasen den Kopf nach unten gedrückt hätte. Da war ich sprachlos, die Richterin auch, bis sie mich mit strengem Blick fragte, ob das stimmen würde. „Blasen ja, Kopf nach unten drücken, nein.“ Das war mir echt peinlich. Der Anwalt meiner Frau schaute betreten auf die Tischplatte. Es lief nicht besonders gut für ihn. Meine Frau sprach Englisch, aber das Wort "Blasen" gab sie akzentfrei in Deutsch wieder.
Beeindruckend waren für mich die vielen Widersprüche. Die Klageschrift vom Anwalt und die Aussagen meiner liebsten Ehefrau differierten so stark, dass der Scheidungsanwalt sich genötigt sah, einen letzten wirksamen Joker zu ziehen. Er wollte die Nachbarn vorladen, um sie zu befragen. Ich stimmte sofort begeistert zu, denn gerade meine Nachbarn können mein freundliches Wesen bezeugen. Die Richterin, nun sichtlich genervt, hielt das für Unsinn und der Anwalt wollte daraufhin doch keine weiteren Zeugen mehr. Der letzte Strohhalm des Anwalts schwamm davon. Seine Stirn glänzte und das Neonlicht spiegelte sich darauf. Der harte Kampf hinterlässt seine Spuren.
Am Ende der Verhandlung sagte der Dolmetscher, dass es eine schöne Verhandlung war, wofür er sich bedankte. Da stimme ich ihm zu. Endlich mal eine hübsche und sachkundige Richterin, die auf der Höhe der Sachlage war. Ob sie meiner Bitte nach einem geschlechtsneutralen Urteil entspricht, das wird sich zeigen. Sie wolle nach dem Gesetz urteilen und das macht mich ein wenig nachdenklich. Aber ich kann mich auf jeden Fall damit trösten, dass weder meine Ehefrau, noch ihr Anwalt jemals einen Cent von mir sehen werden.
Der Anwalt hat alles gegeben und sich voll verausgabt. Die Richterin wird das Urteil sicherlich aus Mitgefühl so formulieren, dass er einen Sieg auf dem Papier verbuchen darf. Immerhin hat er fast 10 Jahre studiert und gilt als einer der besten Juristen. Das Gericht wird ihn nicht doppelt bestrafen, indem er kein Honorar sieht und obendrein den Prozess verliert. Ein Unterhaltspreller wie ich kann nicht gewinnen, aber meinen Hohn und meinen Spott über die juristische Leistung des Anwalts kann ich nur sehr schwer verbergen. Das Jahr endet so einfach nur köstlich.
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