Goldschniedel 2
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Gastautor: Megatherium
[Rückblende]
Elf Uhr vormittags am schönen Schwabenmeer. Wie jeden Tag um diese Stunde ist auf ihrem Balkon mit Meerblick Jane Leatherskin (Hanne Lederhaut) im Morgenmantel zu bewundern, wie sie raucht, Eierlikör schlürft und ihre neuesten Weisheiten in die Welt shittert. Dabei wird sie von dem besonders dummen ihrer drei Kinder gestört.
„Mama, warum kannst du nicht arbeiten wie andere Mütter auch?“ fragt er.
„Du siehst doch, dass ich arbeite“, erwidert sie nachsichtig. „Ich stelle Anträge, sitze im Stadtrat und speake, und anschließend shittere ich alles an meine Follower. Das schafft einen ganz schön!“
„Nein, ich dachte, dass du vielleicht im Supermarkt Regale auffüllst, an der Kasse sitzt oder so etwas. Wenn mich dann jemand fragt, was du machst, könnte ich antworten: Mama arbeitet!“
Jane Leatherskin winkt ab. „Das verstehst du nicht, du bist ja ein besonders dummes Kind.“
„Das war ich bisher, aber jetzt bin ich draufgekommen, was hier falsch läuft. Da habe ich im Internet einen Film von so einem komischen Kerl mit Glatze und Moscot-Brille gesehen.“
„Das heißt Moscot-Brille, du besonders dummes Kind“, belehrt die Mutter.
„Ja, gut. Und einen hässlichen Kampfhund hatte er neben sich auf dem Sofa sitzen. Der, also der Typ, nicht der Köter, erklärte genau, wie die Sachen laufen. Da habe ich mich kundig gemacht, und gleich beim ersten Arzt hat es geklappt.“
„Was hat da geklappt?“
„Na, ich erzählte, wie es hier zugeht, und der Arzt stimmte mir zu, dass ich eine besonders dumme Mutter habe. Wir sind übereingekommen, dass ich das schriftlich haben kann. Ab dem nächsten Ersten bekomme ich für dich Geld und kann mir einen faulen Lenz machen und dir nacheifern. Es heißt ja bekanntlich: Von Mutter lernen heißt Lebenskunst lernen!“
Jane Leatherskin ist verwirrt und fragt ungläubig nach. „WAS hast du gemacht?“
„Ja, wie gesagt, so war das. Aber beruhige dich, es wird dir an nichts fehlen. Für Nudeln mit Ketchup wird es immer für dich reichen. Bin ich glücklich, ist Mama glücklich. Außerdem haben wir abgemacht, dass sie erst heute Abend kommen, wenn es dunkel ist. Die Nachbarn müssen ja nicht gleich merken, was mit dir los ist.“
Diese Eröffnung versetzt die Mutter in Panik. „Weg von hier, bevor die mich in die Klapse bringen“, spricht sie beiseite. Ihrem Sohn entgegnet sie: „Das ist aber dumm, da ich heute noch in die Schweiz muss, da habe ich einen wichtigen Termin. Du weißt ja: Mama arbeitet!“
„Fahr nur, aber vergiss nicht, dass es mit der Schweiz ein Auslieferungsabkommen über besonders dumme Mütter gibt.“
Jane Leatherskin hört schon gar nicht mehr hin, ruft ein Taxi, packt eilig ihre Sachen und verschwindet. Kaum ist die Tür hinter ihr ins Schloss gefallen, klatschen sich die drei Kinder ab.
„Nie wieder Nudeln mit Ketchup“, ruft die Kunststudentin, „und eine sturmfreie Bude! Schwanzkarussell, ich komme!“
Da klingelt es. Der Besucher ist der Besitzer des Chinarestaurants um die Ecke. Einige Geldscheine wechseln den Besitzer. Ehe der Kater begreift, wie ihm geschieht, steckt er im Sack, den der Chinamann sich über die Schulter wirft und alsdann vergnügt von dannen geht.
„Gehen wir zur Feier des Tages Freitagabend essen?“
„Ja, warum nicht zum Chinesen? Dort war es letztens doch sehr gut, besonders diese Frühlingsrollen mit argentinischem Wildkarnickel gefüllt.“
„Ich weiß nicht. Was macht der mit dem Kater?“
„Den braucht er als Mäusefänger.“
„Der Kater hat doch noch nie in seinem Leben eine echte Maus gesehen!“
„Da kann uns doch egal sein! - Für die Frühlingsrollen ist ab morgen übrigens eine neue Füllung angekündigt, aus Yakfleisch. Das möchte ich gern mal probieren.“
„Na gut, gehen wir am Wochenende zum Chinesen.“
Draußen eilt der Chinamann fröhlich kichernd dahin. An der Ecke trifft er einen Landsmann. Der hört das Fauchen aus dem Sack.
„Hast du Katel im Sack gekauft oder vorher angesehen?“
„Habe ihn selber in den Sack gesteckt, hihihi. Fetter Katel gibt gute Füllung für Frühlingsrollen, hihihi.“
„Sind Ratten schon alle, hihihi?“
„Fast alle aufgefressen von dummen Langnasen. Glauben, es war argentinisches Wildkarnickel, hihihi.“
„Was gibt es demnächst als Füllung, hihihi?“
„Geschnetzeltes von tibetischem Grunzochsen aus ökologischer Zucht, hihihi!“
„Ist sehr gesund, hihihi!“
Sie enteilen in verschiedene Richtungen.
[Szenenwechsel]
WER IST GOLDSCHNIEDEL? Diese Frage, von einem renommierten Revolverblatt mit vier Buchstaben gestellt, beschäftigt alle im Lande – besonders die Frauen, denn ein Gewinner von 150 Millionen im Eurolotto steigt in deren Augen im Werte ungemein. Goldschniedel – so nannte ein unbekannter Redakteur des renommierten Revolverblattes den Gewinner, und dieses Pseudonym wollen wir weiterhin verwenden, denn es scheint uns treffend, und selbstverständlich ist es eine Ehrensache, seinen wahren Namen zu verschweigen. Aufgrund eines Eingriffs an delikater Partie trug er nebenbei den Ehrennamen „der Gemurmelte“.
Es wäre nichts durchgesickert, wenn nicht eine Frau im Spiel gewesen wäre. Ein Angestellter der Lottogesellschaft will einer mittelalten AE imponieren und seine Chancen bei ihr verbessern und verrät ihr die Identität des glücklichen Gewinners. Damit sinken seine Chancen allerdings auf Null, denn die AE gedenkt sich diesen fetten Happen zu sichern statt dieses mäßig vermögenden Verehrers und serviert Letzteren ab.
Frauen sind schwatzhaft, alle Welt weiß es. So kommt es, dass binnen dreier Tage alle den Namen kennen und eine hysterische und fieberhafte Jagd auf Goldschniedel einsetzt. Frauen verlassen ihre Männer und Familien, binden ihre Kinder einfältigen Verwandten oder dem Jugendamt ans Bein oder setzen sie gar aus – wenn eine Frau Geld wittert, ist sie zu allem fähig! Und alle machen sich auf die Jagd nach Goldschniedel, dem Gewinner der 150 Millionen.
„Ein Mann hat so viel Geld gar nicht verdient“, krakeelen sie, „der kann nichts damit anfangen und verschwendet es für unnütze Dinge! Das steht uns Frauen zu!“ Und jede meint damit natürlich sich selbst.
All das wird in einer Fernsehsendung aufbereitet, welche eine Moderatorin leitet, die Goldschniedel schon manches Mal zu Gast gehabt und dabei seine geistige und moralische Überlegenheit nur zu sehr zu spüren bekommen hatte. Als Gäste sind die vier Exen Goldschniedels eingeladen, die nichts Gutes über ihn zu sagen wissen.
„Er ist ein Sexsklavenhalter!“ quäkt der Zierfisch.
„Ein übler Rassist ist er!“ keift die Venus von Wakanda. „Da fliehe ich als Schönheitskönigin vor schlimmen Machos in dieses Land und gerate an einen Kerl, der mich schamlos ausnutzt und an nichts als an Sex denkt. Mit der Stoppuhr hat er die Zeit gemessen, die ich brauchte, bis ich es ihm mit dem Mund besorgt hatte!“ Empörung unter den Zuschauern.
„Das ist ja ungeheuerlich!“ echauffiert sich die Moderatorin mit rotem Kopf.
Der Zierfisch hingegen fragt: „Wie lange hast du gebraucht?“
„Etwas über drei Minuten!“
„Anfängerin!“ winkt der Zierfisch ab. „In der Zeit hätte ich es einem halben Dutzend besorgt!“
„Früh übt sich und so weiter, du kennst es ja“, erwidert die Venus von Wakanda süffisant.
Irgendwo in einem Provinznest sitzt ein Mann (nur von der Seite in der Halbtotalen zu sehen) rauchend vorm Fernseher, neben ihm auf dem Sofa ein Kampfhund.
„Hä-hä-hä“, kommentiert er.
Der Kampfhund: „Wuff!“
Der Mann: „Halt‘s Maul, Petty!“
„Im Übrigen steht alles mir zu“, verkündet der Zierfisch, „schließlich sind wir verheiratet!“
Die anderen hören diese Nachricht mit ungläubigem Staunen.
„Ihr seid im Ausland geschieden“, ruft die Erste, die ihrem schmückenden Kosenamen „Plattenbaubratze“ alle Ehre macht, „aber ich war die längsten unter seiner Fuchtel, daher steht mir die größte Entschädigung zu!“
„Nein, mir“, ruft die Zweite (in romantischen Stunden zärtlich „Preßwurst“ geheißen, was sich inzwischen nur noch auf ihr Aussehen bezieht) dazwischen, „ich habe am meisten unter ihm gelitten!“
„Die Scheidung zählt nicht“, quäkt der Zierfisch.
„Und ob die zählt“, wirft die Venus von Wakanda ein und drapiert ihre Körperfülle auf dem Sofa. Die Regie zeigt in Nahaufnahme den Inhalt ihres Dekolletés, der bedeutend größer ist als jener der anderen drei zusammen. „Du bist aus dem Spiel, Schätzchen! Im Übrigen bekomme ich als die Mutter seiner Kinder alles, denn wenn es Mama gut geht, geht es den Kindern gut!“
Dem widersprechen die anderen heftig. Die Moderatorin hat Mühe, sich zu behaupten. Da meldet sich aus dem Publikum ein Herr Bödi zu Wort, stellt sich als Chefarzt im Ruhestand und Immobilienbesitzer vor und macht einen Vorschlag: „Die Damen können sich auf die einfachste Weise gütlich einigen. Herr Goldschniedel wird Mohammedaner, dann kann er alle vier heiraten und jeder 30 Millionen überlassen.“
Der Mann vorm Fernseher: „Von mir kann es nichts geben!“
Der Kampfhund: „Wuff!“
Der Mann: „Halt‘s Maul, Petty!“
„Unmöglich!“ keifen die vier im Chor, „da bleiben dem Arsch ja noch dreißig Millionen!“
„Die stehen mir als der Hauptfrau zu“, schreit die Plattenbaubratze.
„Ich werde die Hauptfrau“, zetert die Preßwurst, „denn ich bin von uns allen die Schönste!“
„Ich bin immer noch mit ihm verheiratet und daher die Erste!“ quäkt der Zierfisch.
„Ich bin die Erste“, krakeelt die Venus von Wakanda, „denn ich habe seine Kinder!“
„Das ist aber auch alles“, entgegnet der Zierfisch vielsagend, „abgesehen von delikaten Leiden, wie sie bei euch in Afrika ja weit verbreitet sind.“
„Willst du Ärger, du verseuchtes Filzlausnest? Mit wie vielen hast du es denn getrieben, seit du mit zwölf damit angefangen hast?“
„Soll ich dir eine kleben, du Tripperfalle, du Fettarsch, du -?“ Plattenbaubratze und Preßwurst mischen sich ebenfalls ein, und alle belegen einander mit derben aber passenden Schimpfworten als da sind: „Lastermilbe!“ „Zauche!“ „Fettarschantilope!“ „Puffbiene!“ „Schwarzes Loch!“ „Pißdohle!“ „Schwanzklemme!“ „Pimpertrine!“ „Golddiggerin!“ „Wackelarsch!“ „Schwanzkarussellreiterin!“ „Beutelratte!“ „Bumsflittchen!“ „Bettwanze!“ „Dreilochhure!“ „Arschfickerin!“ „Dickärschige Zellulitisqualle!“ „Dörrpflaume!“ „Nuttenaas!“ „Rammelscheinken!“ „Fickmamsell!“ „Spermamülleimer!“ „Groschenhure!“ „Gossenschlampe!“ und so weiter.
So geht es hin und her, jede beglückt jede mit Komplimenten, das Live-Publikum lacht übers ganze Gesicht, ermuntert die Streithennen mit Zurufen zu weiteren Äußerungen.
„Los, kloppt euch!“ ruft ein Zuschauer.
Die Moderatorin ist hilflos und bekommt einen hochroten Kopf. Die Regie bleibt drauf. „Das ist mal eine gute Sendung von der alten Langweilerin“, urteilt der Aufnahmeleiter und ignoriert das Signal der Sendeleitung nach einer Unterbrechung der Übertragung, „sogar noch besser als damals, als Goldschniedel persönlich zu Gast war!“
Schließlich sieht eine von den Vieren, wie Bödi sich ins Fäustchen lacht. „Der Arsch da hat uns reingelegt!“ keift sie „Dafür soll er büßen!“
„Reißt dem Miethai die Eier raus!“ „Hackt ihm den Schniedel ab!“
Unter solchem Gebrüll springen sie auf und stürmen ins Publikum. In diesem schönen Moment kommt der Sendeleiter in den Regieraum, legt den Schalter für eine Bild- und Tonstörung um und staucht die Mannschaft zusammen. So bleibt dem Zuschauer am Fernseher verborgen, dass Bödi glücklich entkommt.
Der Mann vorm Fernseher: „Hä-hä-hä!“
Der Kampfhund: „Wuff!“
Der Mann: „Halt‘s Maul, Petty!“
Geschätzter Leser! Nun hatte Goldschniedel bereits drei Auftritte, der nächste folgt sogleich im dritten Teil dieser unvergleichlichen Saga. Ideen und Vorschläge der geschätzten Leser sind weiterhin ausdrücklich erwünscht und willkommen.
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