• 07.03.2025

Das Männermagazin

Freie Männer kommentieren

Reif für die Insel (Teil 1)

malleberge

» Artikel vom

Gastautor: eisfreak

Freunde der Eisenpfanne, es war mein erstes Mal. Es wurde auch penibel auf die Sicherheit geachtet, ohne dass ich mich ganz ausziehen musste. Ja, am Anfang war es ein wenig eng. Tja, wer es billig mag, darf sich nicht beschweren. Aber am Ende, als der längliche Körper sich immer schneller bewegte, hat es einfach nur noch Spaß gemacht!

Natürlich rede ich vom Fliegen. Pfui, was ihr wieder denkt!?! Es ist Anfang Januar und der irische Flixbus der Lüfte lässt die Triebwerke röhren, voller Schub. Und ich bin schockverliebt – ins Fliegen! Das ist besser als Sportwagen fahren. Dank der komplett verlogenen grünen Zerstörungspolitik habe ich nun auch die letzten Reste jedweder Hypermoral und Besserwisserei über Bord geworfen.

Es ging nicht mehr. Meine Selbstregulierungsfähigkeit reicht nicht mehr aus: 5 bis 6 Mal die Woche Sport, vornehmlich Eislaufen, ätherische Öle, Luftfilter, … vier Jahre Bürotätigkeit haben mich an mein Limit gebracht. Die allergischen Symptome haben mich im Winter fest im Griff, meine Lebensqualität ist im steten Sinkflug.

Da muss ich eine Schippe drauflegen, und so kommt Wandern auf Mallorca in mein Blickfeld. Noch weiter südlich – und die Flugpreise schießen in die Höhe. Nach kurzer Recherche finde ich den längsten Wanderweg der Insel, den GR 221 mit weit über 100 km, das sollte genug Potenzial bieten. Es soll ein System aus Berghütten geben, aber mit Lücken. Draußen biwakieren ist an sich untersagt, wird aber gemacht, also mal sehen, wie es sich vor Ort darstellt.

Wir sind gelandet, ich angle meinen kompakten Leichtwanderrucksack aus dem Gepäckfach – mehr habe ich nicht mit – und quetsche mich aus der Röhre. Da stehe ich mit Blick aufs Rollfeld und kann es immer noch nicht begreifen. Ich bin einfach so nach Malle gedüst, für einen lächerlichen Preis. Zack, Bumm, da. Allen Schauergeschichten Lügen strafend lief das alles ziemlich reibungslos ab. Das ist so einer DER Momente im Leben, ich könnte eigentlich direkt zurückfliegen. Obwohl, wo ich schon mal hier bin, lass uns mal die Gegend erkunden.

Das muss noch etwas warten, da ich zunächst ganz unromantisch im Gewerbegebiet am Flughafen die Decathlonfiliale frequentiere und erstmal innerlich feixe angesichts der Beschriftung: „Gimnastik infantile“. Manchmal ist das wirklich infantil, oder?
Ich schieße mir erstmal das ganze Zeug, das nicht ins Bordgepäck darf oder Probleme verursachen könnte: ein kleines Klappmesser und ein Wanderstock mit Hartmetallspitze. Leider haben die keine 100g-Gaskartuschen, also geht die Suche in Palme de Mallorca in der Innenstadt weiter.

Bei der Suche nach einem Outdoorgeschäft stolpere ich in ein Café hinein, lasse es mir erstmal gut gehen mit köstlichem hausgemachten Cheese Cake. So langsam komme ich in den Urlaubsmodus. Es ist 18 °C, ich bin durch enge, romantische Gassen spaziert, man sieht durchweg nur schlanke Leute und unverwokte Frauenzimmer, man sitzt draußen und genießt den Tag. Auf Kaffee folgt ein Bier und irgendwann komme ich mir vor, als sei ich einer Kriegszone entkommen und hier eine Woche auf Fronturlaub. Niemand kommt mir hier mit Gesinnungsjustiz, keine Regenbogenflaggen, kein Aufeinandergehaue, nichts dergleichen. Hier bin ich nur ein harmloser Tourist mit Durst und Geld.

Mir wird wieder mal schlagartig klar: wir Deutschen, wir können nur malochen, uns schuldig fühlen, saufen und fressen. Leben, nein, das können wir nicht. Jeder Penner vor dem Netto lebt mehr als wir. Die haben wenigstens volle Zeitautonomie. Da diskutieren wir über die anstehende Reorganisation. Wir wollen im Grunde alle dasselbe, nämlich die Firmenziele erreichen. Warum streiten wir uns? Warum sitzen wir stundenlang da und gönnen uns gerade mal ein Glas Leitungswasser? Wo sind wir, um alles in der Welt, falsch abgebogen? Ich bin schon bekannt dafür, nach einer Stunde Meeting die Pinkel-Kaffee-Dampfe-Pause einzufordern. Ja, stimmt, hast ja recht, haben wir alle nötig. Warum sitzen wir nicht in einem Clubsaal, mit hohen Wänden und endlosen Regalen voller alter Wälzer, saugen genüsslich an der kubanischen Zigarre und gestalten unsere Zukunft wie zivilisierte Gentleman? WARUM?

Wie ich so weiter durch die endlosen, verwinkelten Gassen schlendere, stehe ich plötzlich vor einem stattlichen Gebäude, das eine Herberge zu sein vorgibt. Tipitap, 3 Minuten später habe ich mir eine Koje im Hostel gebucht und schlendere weiter. Muss ja nicht gleich in die Berge hetzen, die stehen morgen auch noch da.

Aufgrund einer Schnapsidee eines Freundes suche ich nach einer Eisfläche. In Palma de Mallorca. Die es tatsächlich gibt, unweit der Zentralhaltestelle! Da steht tatsächlich ein Zelt mit einer kleinen Indoor-Eisfläche. Ich traue meinen Augen kaum. Mit grottigen blauen Leihschuhen stolpere ich da über das Eis, Freestyle kann man vergessen, aber man macht das aus Prinzip. Bis ich auf die Knie fliege, weil die blauen Teile vorne völlig sinnbefreit Zacken haben. Ich pfeife auf das Prinzip und verlasse das Eis.

Ich checke ein, beziehe das Bett in der Schlafkoje. Mein bisschen Zeug ist schnell verstaut. Zeit, um auf Essensjagd zu gehen. Da ungefähr die Hälfte aller Kneipen zu hat, taugen die ganzen Empfehlungen aus dem Internet nichts. Irgendwann gehe ich irgendwo rein, wo Platz ist. Die machen da Pasta der Spitzenklasse. Nicht das Trockenzeug, mit dem Charme eines gut abgelagerten strategischen Bundeswehrvorrats, nein, tagesfrisch handwerklich zubereitet und sorgsam in Leinentücher gehüllt wartet die Teigware auf die finale Zubereitung.

Ich habe mich für Pasta Pappardelle con Pesto di Barbabietole entschieden. Im Grunde Bandnudeln mit Rote-Beete-Pesto. Himmlisch! Abgerundet durch Tiramisu, Espresso Lungo und einer Hopfenbrause vom Fass bette ich mich dann sehr zufrieden in meiner Koje im Hostel zur Nacht.

Am nächsten Tag muss ich sogar eine Windjacke anziehen, es sieht zunächst nicht nach T-Shirt-Wetter aus. Der Regionalbus bringt mich nach Port d'Antratx, dem südlichen Ausgangspunkt des GR 221. Nachdem ich gebührend die Hafenromantik gewürdigt habe, geht es zum Wanderweg, der auch gleich zackig steil die Berge erklimmt. Hier ist der Ausbau noch nicht ganz fertig, aber dank vorab gespeichertem Track auf dem Handy kann man sich kaum verlaufen.

Da taucht auch schon die erste Trockensteinmauer auf, das Thema des Wanderweges. Ganz ohne Mörtel wurden so unzählige Terrassen errichtet, um nutzbare Flächen zu schaffen. Ich erreiche eine erste Anhöhe, und stelle fest: Berge und Meer sind einfach eine geile Kombination. Der Weg ist durchgehend anspruchsvoll, man sollte sich nicht von den absoluten Berghöhen leiten lassen. Durch die dünne Erdüberdeckung wandert man faktisch immer auf einer Felsstruktur, was ich trotz spezieller Einlagen an meinem gealterten Fußquergewölbe doch durchaus spüre.

Kurz vor dem nächsten Ort ist erstmal der gespeicherte Wegverlauf gesperrt. So etwas wurde auch in den Berichten dargestellt, da sich Privatgelände teils bis zum Gipfel erstreckt, ein allgemeines Betretungsrecht existiert nicht. Die Regionalverwaltung musste sich einmal sogar das Wegerecht frei klagen. Allfällige, auch dezente Hinweise sollte man beherzigen, so der Tenor. Die Mallorquiner sind da dem Vernehmen nach nicht zimperlich und halten einem auch gerne mal die Flinte unter die Nase.

In Sant Elm ist es schon höchste Kaffeezeit, ich finde eine offene Restauration mit zwei verkuschelten Hunden (Nur kurz streicheln? Das funktioniert nicht!) und stärke mich noch einmal, bevor der Wanderweg nun richtig und durchgehend markiert anfängt. Es dunkelt schon, als ich eine Klippe hoch über dem Meer erreiche, der Wanderweg ist durch Ketten gesichert, der Wind pfeift ordentlich und der Blick schweift immer wieder über eine vorgelagerte Insel ins schier unendliche Meer.

Ja, da frohlockt das Wanderherz! Das sind ordentliche Berge und steile Steige! Die Baumgrenze ist hier deutlich niedriger als etwa in den Alpen, sodass man zur Erlangung einer Aussicht nicht erst auf einen Gipfel krauchen muss. Entsprechend windet sich der Weg eher zwischen den Gipfeln entlang, verbindet kleinere Pässe miteinander, bietet mit fast jedem Schritt neue Perspektiven.

Es wird schon dunkel, ich hätte mal lieber ortsgenau die Hütten vorher recherchiert und kann kaum eine ebene Stelle zum Biwakieren finden. Zum Glück scheint der Mond wie ein Stadionscheinwerfer auf die Landschaft, es blendet regelrecht. So ein klarer Himmel nach dem deutschen Trübsinn, Wahnsinn. Es geht wieder hinab und dann in eine andere Berggruppe, an einer Ansammlung von Wochenendhäusern im typischen Flachdachbaustil mit Mönch-Nonne-Dachziegeln vorbei. Immer höher führt mich der Weg, es ist schier kein ebenes Fleckchen zu finden. Eine halbwegs plane Weide ist mit Stacheldraht gesichert. Mist.

Endlich finde ich ein einigermaßen geschütztes Plätzchen, 22 Uhr ist schon vorbei. Ich muss zwar ein paar lose Steine entfernen um eine Art „Planum“ herzustellen, aber ich passe im Schutze einer kleinen Trockensteinmauer gerade so in die Nische zwischen einer niedrigen Trockensteinmauer und stacheligen Gewächsen. Nach einem kleinen Snack aus dem Rucksack liege ich dann im Schlafsack, eingehüllt in einen leichten Biwaksack. Der würde nicht viel Regenschutz bieten, aber hält mir den spürbar kalten Küstenwind vom Leib.

… Fortsetzung folgt!



Diskutiere über diesen Artikel und teile Deine Erfahrungen mit anderen Lesern!

Beachte bitte die Kommentarregeln!

Wenn Du selbst spannende Themen oder interessante Erfahrungen hast, dann schreib doch einen Gastartikel darüber, natürlich völlig anonym. Unser Gastartikelportal mit weiteren Informationen findest Du hier.

Hast Du auf dieser Seite einen Fehler entdeckt? Auf unserer Fehlerhinweisseite kannst Du uns darauf aufmerksam machen und eine Korrektur vorschlagen.

Alle Artikel im Archiv lesen - Das Männermagazin

»Goldschniedel 6

klappe

Gastautor: Megatherium Pöbel-Lerby trinkt aus, knallt den Becher auf den Tisch und verkündet: „Ich weiß ein radikales…

»Bio, Bio

honig

"Bio" sieht aus wie eine ungebrochene Erfolgsgeschichte, deren Ende nicht absehbar ist. Vor über 150 Jahren begann es bei…

»Klimawandlungen

pbanner

Zur Weihnachtszeit und zum neuen Jahr häufen sich die Rückblicke und Ausblicke. Und es ist auch eine Gelegenheit, in manche…

Das Männermagazin

Freie Männer kommentieren


Über uns
Impressum
Datenschutz