• 17.11.2024

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Der Glaube, die Psyche, das Wissen

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» Artikel vom

Gastautor: ibamvidivici

Der Glaube ist männlich, die Psyche ist weiblich, und das Wissen ist unparteiisch. Die weibliche Psyche wurde in einem vorigen Artikel besprochen, und so soll es hier um Glaube und Wissen gehen. Und darum, wie man beides auseinander halten kann. Dieser Artikel ist damit gänzlich unwichtig für das Leben und dessen Fortpflanzung. Allerdings wird gerade im großen Maßstabe die Wissenschaft zur Hure der Politik gemacht. Und da könnte es einen aus Jux doch mal interessieren, ob dies noch 'Wissen' oder doch nur 'Glaube' ist.

Stell Dir vor, Du gehst durch die Stadt und am örtlichen Marktplatz sitzt eine Gruppe von Menschen, die da kampieren und die ganze Zeit Halleluja und Lobet den Herrn singt. Du weißt sofort, es ist Glaube. Doch weil die Menschen dort so überzeugt sind, interessierst Du Dich, woher diese Überzeugung kommt! Was für Dich eindeutig Glaube ist, ist für sie Wissen. Und so fragst Du sie, warum sie sich so sicher sind? Und Du bekommst die Antwort: Es steht geschrieben! In der Bibel! Da steht die Wahrheit drin!

Das stimmt natürlich, es steht ja wirklich in der Bibel, das kann jeder nachlesen, also muss es wahr sein, und damit Wissen, oder? Es ist aber dennoch Glaube, obwohl es geschrieben steht. Wenn Du jetzt im letzten Absatz „Bibel“ durch „IPCC-Bericht“ ersetzt, dann gilt das nicht mehr als Glaube, sondern als gesichertes Wissen. Dies ist daher noch nicht der Unterschied zwischen Glaube und Wissen, sondern an der Stelle bist Du noch ein Gläubiger, egal ob Dir jemand „Bibel“ oder „IPCC-Bericht“ (oder allgemeiner: Eine Quellenangabe) nennt. Auch mit dem Wissen um die Quelle einer Aussage bist Du ein Gläubiger, egal worum es geht.

Doch als Ungläubiger hakst Du nach: Woher wisst ihr denn, dass der, der das aufgeschrieben hat, wusste, dass das, was er schreibt, auch der schwer ergründlichen Wahrheit entspricht?

In der Bibel kann man diese Frage schon nicht mehr beantworten. Verweise fehlen, und den Autor einfach direkt nach seinen Quellen zu fragen, ist nicht mehr möglich. In der Bibel ist daher an dieser Stelle Schluss, und man kann nur daran glauben oder nicht.

Im IPCC-Bericht oder der Wissenschaft im Allgemeinen gibt es für diese Frage Verweise und weitere Angaben, die auf andere Quellen verweisen. Oftmals wird in diesen genannten Quellen wiederum weiter auf vorangegangene Publikationen verwiesen, zuletzt kann man den Autor direkt anschreiben und die von ihm analysierte Datenlage selbst einsehen und die gemachten Erkenntnisschritte nachvollziehen. Und dabei gleich nachprüfen, ob auch andere Rückschlüsse anhand der Datenlage möglich sind (ja, sehr oft ist das so!). In der Praxis antworten angeschriebene Studienautoren selten, und die Datengrundlage bekommt man in der Regel gar nicht. Warum sollte er mir was geben, was nicht mal der Peer Reviewer sehen wollte?

Eine Quellenangabe oder der Verweis auf weitere Quellenangaben macht den 'Glaube' noch nicht zum 'Wissen', sondern es bleibt Glaube. Würde die Bibel einfach auf andere noch ältere Bibeln oder Inschriften verweisen, die ebenfalls die Erschaffung der Erde in sechs Tagen enthalten, dann bekommt diese Aussage dadurch nicht mehr Wahrheit. Man muss tatsächlich überprüfen, wie das in der Aussage enthaltene entstanden ist.

Welcher Politiker, welcher Journalist, welcher Fürsprecher hat das gemacht? Mit Sicherheit keiner. Für die Aussage eines Politikers ist es daher unerheblich, ob er die Bibel zitiert oder eine wissenschaftliche Publikation: Er hat die wissenschaftliche Publikation sowieso nicht weiter nachgeprüft, als wie es auch in der Bibel möglich wäre. Der Politiker ist daher ein Gläubiger! Wenn ein Politiker mit Wissenschaft argumentiert, ist das immer lächerlich, weil er nicht mehr Wissen hat, als jemand, der in der Bibel nachgelesen hat und festgestellt hat, dass das vom Priester Gesagte da wirklich drin steht.

Politiker rekrutieren sich zumeist aus Anwälten und für die ist es ausreichend, sich für einen Wissenden zu halten, wenn sie doch nur Gläubige sind. Aber Du willst wissen, wie Du von einem Gläubigen zu einem Wissenden wirst.
Das ist einfach: Du prüfst die Quelle nach. So schaffst Du kein neues Wissen, keine neuen Erkenntnisse, aber Du siehst auf welchen Grundlagen das Vorhandene beruht. Zur Überprüfung einer behaupteten Wahrheit ist das ausreichend: Wir werden damit am Ende nicht die Wahrheit rausfinden, aber wir werden rausfinden, ob die getätigte Behauptung tatsächlich wahr ist – oder nur wahr sein könnte. Wenn mit einer wissenschaftlichen Aussage Politik gemacht wird, dann sollte die Quelle eine Tatsache festgestellt haben, nicht etwas, was wahr sein könnte. Ein „möglicherweise ist es so“ reicht uns als politische Begründung nicht aus. Das liegt auf der Hand: möglicherweise wollte mich der unbekannte Mann dort drüben schlagen, deswegen habe ich ihn präventiv zusammengeschlagen, um mich zu schützen. Darauf fällt keiner rein.

Nun, jetzt prüfst Du also die Quellenangabe, die jedoch wiederum auf fünf weitere Quellen als Grundlage der getroffenen Annahmen verweist. Und dort wird wiederum auf 20 weiter Quellen verwiesen. Und dann ist da noch das Handbuch der verwendeten Messtechnik, das gelesen werden muss, um die Messmethodik zu überprüfen. Denn die Frage – was wurde überhaupt direkt gemessen, was indirekt, und was ist nur ein Rückschluss aus einer Messung und eigentlich gar keine objektive Messung, weil der Rückschluss auf getroffene Annahmen oder angenommene Zusammenhänge beruht – muss geklärt werden, um etwas beurteilen zu können.
Besonders intelligent muss man dafür nicht sein. Gutes Englisch ist Voraussetzung und viel Zeit.

Dem Handwerker kannst Du weiterhin glauben, dass er die Rohre schon richtig verlegt hat, Du musst nicht wissen, ob es tatsächlich so ist, indem Du jeden Handgriff selbst überprüfst. Bei einem komplexeren Sachverhalt wie dem Klima hast Du gar nicht mehr die Zeit, alles im Detail zu überprüfen. Es reicht aber, ein paar Ungenauigkeiten zu finden, die das Ergebnis beeinflussen:
Beweist das Haar des vermeintlichen Täters am Tatort, dass er der Täter ist? Natürlich nicht. Das Haar könnte auch am Tatort sein, ohne dass er der Täter ist. Das ist so einfach, dass manche gar nicht erst darauf kommen. Wenn ein anderer Rückschluss möglich ist, ist das getroffene Urteil kein gesichertes Wissen, sondern nur eine Möglichkeit von Vielen und kann lediglich geglaubt werden.

Betrachten wir die seit Coronavirus berühmt gewordenen Aerosolmessungen in der Praxis. Die Messgeräte stammen eigentlich aus den Klimawissenschaften, um Partikel in der Atmosphäre zu messen und wurden nun für Innenraumaerosolmessungen adaptiert. Am Ende dieser Messung steht die Aussage der Anzahl an Virenpartikel im Innenraum. Direkt gemessen wird in diesem Gerät aber ein elektrisches Signal, das sich automatisiert in einem Speicher erfassen lässt. Wie kommt man jetzt von einem Partikel auf ein elektrisches Signal? Nun, das steht im Handbuch, die Methode im Physikbuch und Chemie benötigt man auch. Kurz: es sind indirekte Messungen und Annahmen, die zudem einige weitere Vereinfachungen und Einschränkungen enthalten.
Ja, das ist jetzt sehr flüchtig beschrieben von mir, und jemand, der dieses Gerät genau kennt, würde mir jetzt Ungenauigkeiten vorwerfen. Und er hat recht: Ich habe nur einen Satz zur Beschreibung verwendet. Das Handbuch des Gerätes ist hunderte Seiten lang, es gibt noch viel mehr zur Messmethodik zu sagen. Aber: hat der örtliche Agenda-Kämpfer dieses Handbuch gelesen? Kennt er das überhaupt? Weiß er, inwieweit seine Parolen durch die verwendete Messmethode eingeschränkt werden? Nein. Er ist nur ein Gläubiger. Hat die Angestellte am Umweltbundesamt oder der Wissenschaftler vom Meeresforschungsinstitut die physikalischen Prozesse bis zum Erhalt des Messwerts verstanden? Und die Handbücher aller anderen Messgeräte? Der Messgeräte aus den 60er Jahren, deren Handbücher nicht mehr zu kriegen sind, die Firmen nicht mehr existieren? Haben sie die vielen indirekten Messungen verstanden und wissen, was das für die Messungen und für seine Hochrechnung auf die ganze Welt bedeutet? Welche riesigen Messtoleranzen auftreten, wenn man die Annahmen einfach mal etwas anders denkt?

Ich denke, die Anzahl dieser umfassend Bescheid wissenden Wissenschaftler ist winzig klein. Die meisten verwenden ein Gerät einfach und formulieren aus einer Messung ein Ergebnis. Die Grundlagen sind ihm bekannt, aber im Detail sind ihm die Methoden nicht geläufig. Mit „can“ (engl. könnte) wird auf die (unbekannten) Ungenauigkeiten seines Forschungsergebnisses hingewiesen. Eine Ungenauigkeit, die der Forscher auch nicht beziffern konnte, denn sonst hätte er das in seiner Forschungsarbeit getan. Stattdessen gibt es nur Standardabweichungen, eine statistische Unsicherheit, keine tatsächliche. So wie der p-Wert nur ein statistischer Zusammenhang ist.
Dann wird in der Wissenschaft schnell die Arbeitsgruppe gewechselt, Erfahrung über einen langen Zeitraum kaum aufgebaut. Neue Forscher übersehen Details, der leitende Forscher, der länger dabei ist, beschäftigt sich nicht mit den Details. In Studien zu komplexen Themen fällt das oft auf, dass im Detail einige unbekannte Ungenauigkeiten übergangen wurden, um ein Ergebnis zu formulieren, das dafür dann mit einem „könnte“ abgeschwächt wurde. Die winzig kleine Anzahl an Wissenschaftler, die sich vom Detail zum großen Ganzen tatsächlich gut auskennt, formuliert eigentlich kein eindeutiges Ergebnis, sondern eher, dass ein Zusammenhang bestehen könnte und weitere Forschung nötig ist. Und sie schmähen nicht andere mögliche Ergebnisse, weil sie wissen, dass bei einer anderen Gewichtung der bekannten und unbekannten Parameter ein anderes Ergebnis rauskommen könnte. Zweifler sind für sie kein Sakrileg. Von diesen selten guten Wissenschaftlern gibt es Zitate wie: Ich misstraue der Wissenschaft, denn ich weiß, wie sie arbeitet.
Quotenfrauen und Musterschüler an Institutionen oder Behörden sind nicht selten weit weg von der tatsächlichen Forschung und der Praxis. Was in den für Bienen zuständigen Amtsstuben über Bienen bekannt ist, wird unter den Lesern hier oft belächelt. Die Fernseh-Wissenschaftler brauchen einfache Aussagen für ihre Lehrfilme, kein „könnte auch ganz anders sein“.

Was soll man daraus jetzt schließen?

Wir glauben mehr als wir denken. Gesichert wissen tun wir fast nichts, wenn es sich um eine komplexe Thematik handelt. Erzählt uns jemand was, was nicht zu fantastisch ist, nehmen wir das als Wissen in uns auf, obwohl wir es ihm nur geglaubt haben. Erzählt uns ein Date, sie hat ein Pferd, dann "wissen" wir, dass sie ein Pferd hat, obwohl wir es nur glauben. Sagt sie, sie reitet ein Dinosaurier, glauben wir es nicht, obwohl es die gleiche Erzählung ist wie vorher mit dem Pferd. Wenn wir ihr das glauben, dann wüssten wir doch, es wäre nur ein Glaube, die Überprüfung steht noch aus.
Wenn wir dachten etwas zu wissen, weil wir 500 Seiten zum Thema gelesen haben, dann ist es bei vielschichtigen Verhältnissen dennoch Glaube. Ist das Thema komplex, sind selbst ein paar 1000 Seiten zu wenig Wissen, um Aussagen sicher zwischen 'richtig' oder 'unbekannt' einzustufen. Bei einfachen Themen reichen ein paar hundert Seiten, aber die werden politisch nicht missbraucht, weil zu leicht durchschaubar.

Stimmen die Gesetze der Schwerkraft? Jeder prüft das täglich, wenn er z.B. sein Besteck auf den Teller legt oder ein Schritt vor den anderen setzt. Zudem ist der Sachverhalt noch sehr einfach und wird von Millionen täglich im Experiment bestätigt. Die Bestätigung der Theorie 'Gravitation' ist von sehr guter Qualität. Trotzdem fällt die Feder nicht nach unten, sondern fliegt nach oben weg. Weil es mit dem Wind noch weitere Faktoren mit Einflüssen gibt.
Wird es komplex, dann ist die Bestätigung nun mal nicht so einfach. Wissenschaftler haben mal geglaubt, dass Fliegen unmöglich ist, weil der Mensch schwerer ist als Luft. Sie hatten – damals unbekannte – Faktoren unberücksichtigt gelassen. Unbekannte Einflussgrößen gibt es heute genauso.
Jemand, der Dir in schwierigen Fragen sagt, er wüsste, was Sache ist, der erzählt nur seinen Glauben. Ihm diesen Glauben zu widerlegen erfordert enorm viel Zeit, denn Du musst tausende Seiten Text besorgen, lesen und verstehen (Englisch!). Wenn Du ihm dann Deine Ergebnisse präsentierst, will er aber ein One-Pager als Zusammenfassung, es ist ihm zu aufwendig den ganzen Text zu lesen. Dann weißt Du, dass er nicht viel Ahnung von Wissenschaft haben kann, denn für ein komplexes Thema sind ein paar tausend Seiten Text wenig!
Gibst Du ihm dann aber tatsächlich einen kurzen und knappen Text, wie den hier vorliegenden, um ihm zu zeigen, dass sein als gesichert angenommenes Wissen in Wirklichkeit sehr unsicher ist und viele Ungenauigkeiten bei der Erforschung beinhaltete, dann sagt er Dir, dieser kurze Text sei zu oberflächlich und er ihn nicht an seinen Überzeugungen zweifeln lässt. Auch wenn diese Überzeugungen noch oberflächlicher gewonnen oder nur von einer Lobbygruppe abgeschrieben wurden. Die Psyche ist weiblich. Überzeugte verstehen nicht, dass sie nur Gläubige sind.

Was Du mitnehmen kannst: Mit den hier genannten Kriterien wirst Du keine Wahrheiten finden. Aber Du findest heraus, ob das, was Du "weißt", doch nur ein Glaube ist.


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