Geheimnisse des Lebens auf Japanisch

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Gastautor: P.
Japan ist ein Land der unerwarteten Erkenntnisse. Auch für mich in meiner Zeit dort, auf allen Ebenen. Eine war die oft flache Ebene der Landestöchter, die sich zu meiner eigenen Überraschung erstaunlich gern mit mir beschäftigten, auch wenn passende Schutztüten für die tiefgehenden Erkundungen nicht einfach zu bekommen waren und gewisse körperliche Unterschiede gelegentlich befremdlich wirkten. Das war einerseits ein für meine Massstäbe etwas zu kindlicher Körperbau samt Stimme, andererseits der Hang zu etwas viel Spachtelmasse an der Außenhülle auch in intimen Situationen. Aber einmal Alphorn in der kleinen Besenkammer sein, in Japan geht das.
Abwechslung ist die Würze des Lebens, es hat zudem hinreichend Spaß gemacht und wir wollen auch nicht die geistigen Werte vergessen, die bei diesem spritzigen Austausch mit im Gepäck waren. So erzählte mir eine nicht mehr blutjunge Dame, der ich länger nahe war von ihrer Familie, die Eltern lernte ich dann auch kennen. Sehr gebildete und kultivierte Leute waren das, die Gespräche mit ihnen waren ein Erlebnis, auch wir hatten Spaß miteinander – auf geistiger Ebene. Das ging so weit, dass sie mich besuchten, als ich zurück nach Deutschland ging und sie später eine Europareise machten. Zu meiner Überraschung lebte auch noch die vorige Generation, hochbetagt, aber gesund und munter, selbständig – in einem Alter, in dem 98 % der Deutschen schon lange ein Sargnickerchen macht oder mit Windel, leerem Blick und sabbernd das Bett im Pflegeheim nicht mehr verlässt. Auch in der japanischen Öffentlichkeit waren ältere Leute präsenter und durchaus nicht als hinfällige Verwirrte.
Das ist kein Zufall. Die weltweit längste Lebenserwartung aller Flächenstaaten weltweit hat Japan. Im Schnitt werden die Menschen dort 85 Jahre alt. Deutschland liegt auf einem schlechten Platz 38, wobei speziell deutsche Männer im großen Vergleich besonders schlecht dastehen. Das wurde hier schon in einem Artikel thematisiert.
Innerhalb Japans gibt es zusätzlich noch regionale Unterschiede. In den südlichen Landesteilen liegt die Lebenserwartung noch höher, auf den Ryukyu-Inseln ist sie beispielsweise ein weiteres Jahr länger. Auch der welweite höchste Anteil von Hundertjährigen ist dort beeindruckend. Was weniger bekannt ist, ist die Tatsache, dass die Menschen in Japan nicht nur länger leben, sondern auch gesünder sind, und zwar in allen Altersgruppen, schon in der Kindheit. Fettleibigkeit, damit auch Diabetes und andere Folgekrankheiten sind in Japan für ein Industrieland beispielsweise selten. Junge Damen sind meinen Feldstudien zufolge äußerst beweglich. Alte Menschen sind länger selbständig, Demenzkrankheiten sind seltener, Krebserkrankungen sind deutlich seltener (aber mit höherer Morbidität, wenn sie dann auftreten), Herz-Kreislauf-Erkrankungen gibts es extrem wenig, etwas häufiger sind Schlaganfälle.
Warum ist das so? Beginnen wir mit den Dingen, an denen es nicht liegen kann. An der Herkunft liegt es zum Beispiel nicht: Wandern Leute aus solchen langlebigen Gegenden aus, nähert sich ihre Lebenserwartung des Zielgebiets und der Zielkultur an. Am Wetter liegt es nicht, Japan hat Klimazonen von tropisch bis kalt und schneereich, Lebenserwartungsunterschiede sind vorhanden, aber nicht so drastisch, dass man das Klima verantwortlich machen kann. An den Fähigkeiten der Medizin liegt es auch nicht, die japanischen gesamten Gesundheitsausgaben sind pro Kopf deutlich niedriger als in Deutschland, auch die privaten Gesundheitsausgaben pro Kopf sind viel geringer. Vergleichbar sind die Zahlen mit Dänemark. Liegt es an den Ärzten? Auch das stimmt nicht, pro 1000 Einwohner hat Japan 2,5 praktizierende Ärzte – Deutschland jedoch fast doppelt so viele, nämlich 4,3. Probleme im Gesundheitswesen sind wie in Deutschland der Personalmangel in der Pflege. Wie schaffen Sie es nur, mit weit weniger Geld gesünder zu leben und viel länger zu leben?
Zwei ganz andere wichtige Dinge sind mir in Japan aufgefallen, die das Land sehr von Europa und Nordamerika unterschieden, eines am Anfang des Lebens und eines am Ende des Lebens.
Lange Jahre lag das japanische reguläre Renteneintrittsalter trotz der hohen Lebenserwartung und niedrigen Geburtenrate bei 60 Jahren, heute beträgt es 65 Jahre, mit der Möglichkeit, mit Abschlägen ab dem 60. Lebensjahr in den Ruhestand zu gehen. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Wer nicht will, muss nicht, aber in Japan arbeiten die Menschen durchschnittlich noch fünf bis sieben Jahre freiwillig über das gesetzliche Renteneintrittsalter hinaus. Insgesamt ist jeder vierte Rentner noch erwerbstätig, unter 69 Jahren sogar jeder zweite. Und das nicht aus Armut. Die Leute arbeiten meistens nur noch Teilzeit, machen sich keinen Stress, weil sie sich nicht mehr im hektischen Rattenrennen des Lebens sehen, bevorzugen nun Sinn an der Arbeit. Leute vom Land, die für die Arbeit jung in die Städte gezogen sind, ziehen als Rentner auch gern wieder zurück in ihre alte Heimat, viele werden dann Hobbybauern und produzieren einen gar nicht so geringen Anteil der Lebensmittel auf dem Markt. Auch ehrenamtliche Arbeit ist sehr verbreitet. Kurz und gut: Man bleibt durchgängig aktiv, nimmt das Wichtig, aber nicht verbissen, hat Motivation und schafft dabei auch nicht wenig Werte, die der Gesellschaft nutzen. Der Umgang mit alten Menschen ist anders. Einschließlich des Umgangs der alten Menschen mit sich selbst.
Ein Element am Anfang des Lebens ist Ausländern noch verborgener. Es sind die Details der Schulbildung. Was optisch den Ausländern mehr auffällt als die von außen kaum beobachtbaren Geschehnisse in den Schulen, sind die schlanken Menschen von Anfang an, während sie noch in ihren Schuluniformen stecken. Es gibt in Japan nicht einmal halb so viele übergewichtige Kinder wie in Deutschland, und der Vergleich zu Ländern wie den USA ist schon fast peinlich. Das zieht sich durch das ganze Erwachsenenleben hindurch weiter. Trotzdem sind Schnellfressketten überall präsent, auch amerikanische wie McDonalds, Burger King, KfC ist vielleicht am populärsten und flächendeckend vorhanden. Auch eigene Burgerketten gibt es, Mos-Burger etwa oder der überraschte Esel "Bikkuri Donkey" oder Saizeriya mehr italienisch angehaucht. Ketten in japanischem Stil sind zum Beispiel Yoshinoya mit Gyudon oder Marugame Seimen mit Udon-Gerichten. Und schließlich stehen an jeder Ecke in unglaublicher Dichte Automaten, die künstliche Süßgetränke aller Art anbieten. Wer je in Japan war, kennt das Zeug, sehr japanisches Musterbeispiel ist "Pocari Sweat". Ja, das heißt wirklich so. Enthält Wasser, Zucker, Geschmacksverstärker, Säuren, Natriumchlorid, Kaliumchlorid, Laktate und Magnesiumkarbonate. Isotonische Limonade ohne Frucht. Ein großes Angebot an Schrott ist also vorhanden. Aber die Menschen gehen mäßig statt unmäßig damit um und stehen auf ganz anderer Grundlage.
Woher kommt diese Grundlage? An den Schulen läuft ein für die restliche Welt ungewöhnliches Programm, immer schon, durchgängig, und zwar nicht nur in Einzelfaktoren, sondern systemisch. Es fängt damit an, dass die Kinder kochen lernen. Selbst, praktisch, echt und dauerhaft. Japanische Schulen haben eine große Schulküche, ein richtiges Kochklassenzimmer. Gelernt wird "Ernährungserziehung" im Schulfach Hauswirtschaft ("katei-ka"), in dem der Kochunterricht stattfindet, was keine Mode der Gegenwart, sondern immer schon so war, seit 20 Jahren auch per Gesetz festgelegt. Begonnen wird damit in der Grundschule und es findet durchgängig samt Noten statt. Es wird nicht nur gekocht, sondern auch Theorie gelernt und Gemüse angebaut, in vielen Schulen gibt es dafür einen Schulgarten, sogar im sehr engen und teuren Tokyo existieren einige Schulen mit Garten. Und dann wird gegessen: Was die Klasse kocht, isst die Klasse mittags gemeinsam. Gegessen wird in Japan oft im Klassenzimmer, die Klasse bleibt immer zusammen. Auch an anderen Tagen isst man gemeinsam, wenn sie nicht selbst kocht, sondern in der Schule vom Küchenteam gekocht wird. Anschließend geht der Unterricht weiter, japanische Schulen laufen bis in den Nachmittag.
Die Gemeinschaftsverpflegung in der Schule liegt ebenfalls auf völlig anderem Niveau, wie das in Deutschland üblich ist. In den Schulen meiner Kinder habe ich es eindringlich miterlebt: Nirgends wird gekocht. Zu teuer. Das schaffen nur drei staatliche Schulen im Land, die mit Internat. Und auch dort moniert es der Landesrechnungshof als zu teuer, obwohl meistens nur tiefgekühlte Fertigware erhitzt wird. Dem entkommen kann man nur Richtung Privatschule, etwa Waldorfschulen. Es wird ansonsten stundenlang heiß gehaltener qualitativer Megaschrott angeliefert, der in der Schulmensa nur verteilt wird. Regelmäßig gibt es Beschwerden, sodass die Anbieter mit der Zeit reihum gewechselt werden, bis man irgendwann wieder am Ausgangspunkt ist. 80 % der Schüler hassen das Essen. Ein Teil nimmt sich lieber etwas von zu Hause mit, ein anderer Teil misstraut ihm und frisst sich lieber mit Halal-Dönern um die Ecke voll. Gegessen wird oft in Schichten, weil die Räume klein sind. Die Kosten sind trotzdem hoch, in den letzten vier Jahren hat sich das bei meinen Kindern verdoppelt. Was dort abläuft, ist eine Expressfahrkarte in ein fettes, krankes, kulturverlorenes und vor allem kurzes Leben. Es setzt auch für später Markierungen und sorgt dafür, dass die Gemeinschaftsverpflegung in Deutschland im internationalen Massstab im Schnitt als unterklassig betrachtet wird. Ja, es gibt gute Ausnahmen, aber in der Regel läuft es eben anders.
Japanische Austauschschüler, die in Deutschland waren, kommen ebenfalls oft fett und krank zurück, wird berichtet. Ob der Schüleraustausch überhaupt noch lange stattfindet? Sie kommen in Schulen mit Messerkontrollen, werden morgens von ausgefallenen Bahnen zur Schule überrascht, die Deutschen sind arabisch stammelnde oder verschleierte Mitschüler, zeitweise fällt Sport aus, weil in den Hallen frisch angekommene junge "Fachkräfte" untergebracht werden. Den neu angelegten Schulgarten an der Schule meines Sohnes hat man gemeinsam aufgebaut, dann wurde er mit maximaler Brutalität nach genau zwei Wochen komplett verwüstet. Die Hälfte oder mehr der Schulen in den Städten hat 80-100 % Schüler mit Migrationshintergrund, ist einem Slum in Kabul viel ähnlicher als einer deutschen Schule der Vergangenheit. Deutsch lernen, kulturelle Reste erleben? Nicht mehr in Deutschland. Das ist die Gegenwart und Zukunft, das "deutsch" darin ist längst erloschen in einem irren Wahn der Selbstzerstörung. Spreche ich mit Leuten, die vor 20 Jahren mal in Deutschland waren und dann jetzt wieder, höre ich durchweg von schockierter Fassungslosigkeit. Gerade von Japanern, denn dort geht die Bevölkerung durchaus zurück, was aber weder Land noch Lebensqualität schadet und auch gänzlich ohne Masseneinwanderung gelingt, ein Zustand der nach den Vorstellungen der unendlich weisen deutscher Politiker überhaupt nicht existieren kann.
Der Marsch Richtung fett, krank und Selbstaufgabe wäre kein Schicksal gewesen, das zeigen Beispiele wie Japan. Und die deutsche Lebenserwartung? Ist gesunken. Und auch das wird als Schicksal akzeptiert.
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