• 28.03.2024

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Der unverhoffte Absprung

ameise

» Artikel vom

Gastautor: em. Prof. Rainer Pudel

Es ist sehr lange her, ein warmer Sommertag in einer europäischen Hauptstadt, wo ausgiebige Shoppingmöglichkeiten die Augen einer Frau zum Glänzen und um deren meist nicht vorhandenen logisch denkenden Verstand bringen.

Den heißen weiblichen Wunsch, in solch einer Stadt einzukaufen als Ehemann nachzugeben, bringt den Haushalt zwar um das bisher Ersparte, aber ... da der Verstand des Ehemannes über Tage, Wochen, Monate und sogar Jahre von der Ehefrau zielgerecht dafür mürbe gemacht wird, wird er schon mal abgeschaltet und so packt der Ehetrottel am Shoppingtag sogar selbst die leeren Einkaufstaschen ins Auto.

Damals noch als braver Ehemann und reichlich davon frustriert, die Ehefrau beim Schnuppern in den Einkaufsläden der großen Stadt zu begleiten, beschloss ich, was mir als einzig logisch erschien: eine Pause davon einzulegen, um den aufkommenden Frust nicht ins Unendliche ansteigen zu lassen. Ja. So ist sie nun mal, die Pudel-Logik. Statt die Ehefrau ins Auto zu packen und zurück nach Hause an den Herd zu karren, wo ihr natürlicher Platz ist, hatte ich mich entschieden, in der strahlenden Sonne eines schönen Parks mich auf eine leerstehende Bank zu setzen, um auf den Ladenschluss zu warten. Vor der Umsetzung der Entscheidung die Erlaubnis dafür von der Ehefrau einzuholen war mir eine Selbstverständlichkeit, die ich damals nicht gewagt hätte, infrage zu stellen. Da ich ein sehr schlechter Shopping-Begleiter war, hatte ich diese Erlaubnis problemlos bekommen und wurde anschließend im nah liegenden Park auf eine Sitzbank entsorgt.

Nun saß ich alleine auf einer Parkbank und hatte eine Menge Zeit, meine Aufmerksamkeit der Umgebung zu widmen. Ich fand in der Nähe der Sitzbank ein längeres Stöckchen und als ich dann auf dem Boden laufende Ameisen entdeckt hatte, heckte ich einen teuflischen Plan aus, der mir die Langeweile des Wartens versüßen sollte. Ich ließ eine der Ameisen auf das Stöckchen klettern und der Spaß konnte beginnen. Die Ameise inspizierte detailliert das Stöckchen und lief darauf hin und her. Das Teuflische an meinem Plan war, dass ich für die Ameise eine in der Natur nicht vorkommende Situation kreierte: ein in der Luft schwebendes Stöckchen. Immer wenn die Ameise an eines der Enden des Stöckchens kam, hielt ich es nur am anderen Ende fest. Die Ameise war auf dem Stöckchen gefangen und lief unermüdlich hin und her, hin und her, hin und her ... Der Tag war gerettet, das Schmunzeln auf den Lippen zog die Mundwinkel hoch bis zu den Ohren.

Nun glaubte ich, dieses Spiel beliebig lange hinziehen zu können und konzentrierte mich darauf, das Stöckchen möglichst ruhig zu halten, damit die Ameise nicht runterfällt. Das ging eine sehr lange Zeit gut und mein Glaube, ich hätte das perfekte unsichtbare Gefängnis für eine Ameise erschaffen, begann langsam unumstößlich zu werden. Als mir dann das Spiel mit der Zeit doch langsam langweilig wurde und ich fast so weit war, es zu beenden, passierte das völlig Unverhoffte. Die Ameise sprang plötzlich vom Stöckchen. Sie ist nicht abgerutscht und auch nicht runtergefallen. Sie ist eindeutig gesprungen!!! Sie konnte sicherlich nicht wissen, wohin sie springt, aber das war ihr offensichtlich egal. Hauptsache weg vom Stöckchen.

Dass ich selbst in der Ehe wie eine Ameise auf solch einem Stöckchen in einem nicht wahrgenommenen Käfig eingesperrt war, das erkannte ich erst viele, viele Jahre später. Nach und nach wuchs in mir mit der Zeit der Hoffnungslosigkeit die Risikobereitschaft, bis mir dann irgendwann egal geworden ist, wie und wohin ich gehe. Hauptsache weg vom Stöckchen. Es war ein mutiger Absprung ins Ungewisse, der aber aus der Perspektive der Zeit sich als die beste Lösung für die hoffnungslose Situation herausgestellt hat.

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