Angelika - Teil 1
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Gastautor: Santerra
Vorwort:
Ich möchte gerne vorausschicken, dass diese Geschichte ein Tatsachenbericht ist und sich in meinem Umfeld tatsächlich so zugetragen hat. Dinge, die Rückschlüsse auf die beteiligten Personen zulassen würden, wurden natürlich geändert.
Also liebe Haterschaft, lest im Folgenden in zwei Teilen die Geschichte von Angelika.
Angelika war eine grossartige Zukunft vorausgesagt. Beste ihres Abiturjahrgangs, anschliessend ein Stipendium für ein hervorragendes Studium der Betriebswirtschaftslehre an einer renommierten Universität. Angelika lernte an dieser Uni Reinhardt kennen. Reinhardt war ein stattlicher Mann. Gross, breitschultrig, lustig und nicht auf den Kopf gefallen. Reinhardt studierte Architektur und war, obwohl erst im Studium, bereits an einem Architekturbüro beteiligt, in das er direkt nach dem Studium einsteigen sollte. Kurzum, er war ihr absoluter Traummann. Die Liebe wurde mit der Zeit immer grösser, vor allem als Reinhardt sein Studium abschloss und direkt als Partner in das Architekturbüro einstieg.
Jetzt wurde es Zeit für den nächsten, grossen Schritt. Der Tag der Hochzeit war der schönste Tag in Angelikas Leben. Gut, sie hätte sich das Ganze etwas grösser vorgestellt und auch die Lokalität hätte wirklich etwas exklusiver sein können, aber das akzeptierte Angelika ihrem Reinhardt zuliebe. Er war schon immer ein wenig sparsamer als sie, aber in Anbetracht des grossen Tages konnte sie das akzeptieren. Sie schwebte auf Wolke sieben und schon bald war sie schwanger. Auch Reinhardt freute sich sehr über den Nachwuchs und gab aber zu bedenken, dass sie jetzt noch mehr auf das Geld achten müssten als vorher. Reinhardt nannte das immer "Sicherheit für schlechte Zeiten", Angelika nannte es schlicht und einfach "Geiz".
Ihr ältester Sohn kam zur Welt und das Glück des jungen Paares wurde perfekt, als ihr zweiter Sohn geboren wurde.
Während Angelika zu Hause blieb, um sich voll und ganz um die Kinder zu kümmern, arbeitete ihr Mann derweil weiter in seinem Architekturbüro und fing auch selbst an in Immobilien zu investieren. So baute er ein grosses Mietshaus in der deutschen Grossstadt, in der sie lebten. Zwar legte Angelika lautstark Protest ein, denn ihr wäre eine hübsche Villa am Stadtrand tausendmal lieber gewesen als dieses unansehnliche Mietshaus, von dem sie gar nichts hatte, aber wieder sprach ihr Reinhardt von Vorsorge, Absicherung und einem sorgenfreien Leben im Alter. Es war nicht so, dass sie schlecht lebten, nein, ihr Reinhardt hatte ihr ein gemütliches Einfamilienhaus am Stadtrand erbauen lassen, aber Angelika wäre eine Villa lieber gewesen. Auch das rote Porschecabrio, das Reinhardt ihr zu ihrem 40. Geburtstag schenkte, war da nur ein geringer Ausgleich.
Und so zogen die Jahre ins Land. Die Kinder wuchsen zu jungen Männern heran und gingen ihrerseits studieren, lernten die Frau fürs Leben kennen und gründeten selbst eine Familie. Angelika war derweil aber nicht mehr glücklich mit ihrer Situation. Rückwärtig betrachtet bildete sie sich ein, war sie bis auf wenige Momente noch nie so richtig glücklich gewesen. Ihr Reinhardt war immer noch so geizig wie früher und ausserdem war er den ganzen Tag nur mit seiner Arbeit beschäftigt, während sie zu Hause sass und sich langweilte. Lediglich zum 30. Hochzeitstag war er einmal grosszügig und sie machten eine gemeinsame Weltreise, so wie Angelika sie immer erträumt hatte. Sie flogen nur erster Klasse, stiegen nur in den besten Hotels ab und erlebten ganz viele tolle und spannende Abenteuer. Weisser Sandstrand auf Bali, Safari in Afrika, ja, das war das Leben, das Angelika immer führen wollte, davon träumte sie nachts.
Angelika versuchte ihren Reinhardt zu überzeugen, das Leben so weiterzuführen, seine Firmenanteile zu verkaufen, in den Ruhestand zu gehen und das gemeinsam angesparte Geld für Reisen und Abenteuer zu nutzen, aber das lehnte er ab. Die Firma sei sein Lebenswerk, das er niemals verkaufen werde. Er ging wieder den ganzen Tag in sein Büro und sie sass wieder alleine zu Hause und langweilte sich. Nein, so konnte es nicht weitergehen. So hat sie sich ihr Leben nicht vorgestellt. Sie musste sich jetzt einfach trennen und ihr Leben selbst in die Hand nehmen. Just in dem Moment, in dem die Anwältin das Schreiben für die Trennung aufsetzte, bekam Angelika einen Anruf. Reinhardt! Er hatte einen Herzinfarkt erlitten. Tot. Gestorben in seinem Büro. Diese Nachricht war ein Schock für Angelika. Zwar wollte sie sich scheiden lassen, aber dass es so endete, wollte sie nicht.
Auf die Zeit der grossen Trauer folgte auch bald die grosse Testamentseröffnung. Ihr Reinhardt hatte wirklich gut gewirtschaftet und ein ansehnliches Vermögen, fast schon im 8-stelligen Bereich angehäuft. Donnerwetter! Jetzt verstand Angelika noch weniger, warum Reinhardt immer so geizig zu ihr war, sie hatten doch offensichtlich Geld wie Heu? Die Nachlassregelung sah vor, dass der Kompagnon ihres Mannes ein Vorkaufsrecht für die Firmenanteile bekommt, wollten die Kinder die Firma doch nie übernehmen. Der Erlös aus dem Verkauf der Firma an den Kompagnon, das Bargeld und die Aktien fielen an die Kinder, Angelika erbte das hässliche Mietshaus in Toplage der deutschen Grossstadt.
Die Kinder investierten den neugewonnenen Reichtum ihrerseits sofort wieder in Immobilien in der Stadt, verfügten sie doch durch das Netzwerk ihres Vaters über beste Verbindungen in der Immobilienwirtschaft. Dank dieser Investitionen mussten sich die Söhne und ihre Familien nie wieder Sorgen um Geld machen. Sie gingen beide nur noch Teilzeitjobs nach bzw. machten sich selbstständig und verbrachten ein glückliches und sorgenfreies Leben. Auch die Kinder ihrer Kinder mussten sich wohl in Zukunft keine Geldsorgen machen.
Ganz anders Angelika. Jetzt war ihr Leben in Geiz und Zurückhaltung endlich zu Ende und sie erinnerte sich, wie glücklich sie auf der Weltreise gewesen war. Und da das Mietshaus jeden Monat einen beachtlichen Haufen Geld auf das Konto spülte, konnte sie sich das auch locker leisten. Ab jetzt jettete sie das ganze Jahr erster Klasse von A nach B, stieg nur in den teuersten Hotels ab und erlebte wieder viele tolle Abenteuer. Sie lernte auf einer ihrer unzähligen Traumreisen sogar wieder einen neuen und viel jüngeren Mann kennen. Auch Thomas war gross und breitschultrig und er war freischaffender Künstler. Dass Thomas kein Geld hatte, störte Angelika nicht, sie hatte ja genug Geld geerbt und zu zweit Reisen ist schöner als alleine. Und so reiste sie mit ihrem Thomas gemeinsam um die Welt. Auch lernte sie auf ihren Reisen viele neue Freundinnen kennen. Auch deren Männer waren sehr wohlhabend und so verbrachten sie die Sommer bei Champagner gemeinsam an der Côte d’Azur und die Winter beim Langlauf in St. Moritz.
Teil 2 folgt.
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