• 29.11.2024

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Adipositas - Was tun?

bauch

» Artikel vom

Gastautor: Strandläufer

Ja, ich weiß, falsche Zielgruppe hier, denn im Männermagazin tummeln sich ja ausschließlich erfolgreiche und sportliche Alpharöhrer mit Waschbrettbauch und maximal 13% Körperfett. So zumindest das Narrativ vieler Kommentatoren. Andererseits sind in Deutschland zwei Drittel aller Männer übergewichtig (BMI >= 25) und adipös (BMI >= 30) sind 23%. Österreich mit 15% und die Schweiz mit 10% stehen etwas besser da. Spitzenreiter weltweit sind übrigens die USA mit 40%, gefolgt von Chile mit 34% und Mexiko mit 33% adipösen. In Europa an der Spitze steht Ungarn mit 30%, das ist weltweit der fünfte Platz.

In meinem Artikel vor sieben Monaten, damals noch unter dem Pseudonym Anton, habe ich über mein Projekt Atlantiküberquerung berichtet. Die Grundvoraussetzung dafür war, abzuspecken und körperlich wieder leistungsfähig zu werden. 40 Kilo Gewichtsverlust waren und sind mein Ziel. Bei einem Startgewicht von 125 kg (BMI 39) im Oktober 2022 waren es nach sechs Monaten wie im Artikel erwähnt 16 Kilo weniger, nun sind es nach weiteren acht Monaten bereits 29 Kilo. Nur noch 11 Kilo müssen runter, der Endspurt des Marathons sozusagen.

Die meistgestellte Frage aus meinem Umfeld dazu lautet: wie hast du das geschafft? Ganz einfach, sage ich immer, nach der Scheidung von meiner Liebsten muss ich nicht mehr ihren ungesunden Fraß essen. Spaß beiseite, ihr Fraß spielte zwar auch eine Rolle, war aber nur eine von vielen Ursachen.

In meiner Jugend war ich stets schlank und sportlich, doch mit der Bundeswehr ab 1982 im Alter von 21 Jahren begann mein Gewicht zwar langsam, aber stetig zu steigen. Elf Jahre später wog ich bereits 99 kg. Die drohende Schallmauer von 100 kg hatte mich damals wachgerüttelt und innerhalb eines Jahres habe ich dann durch „Friss die Hälfte“ und viel Radfahren 25 Kilo abgenommen. In jungen Jahren geht das noch relativ leicht. Sieben Jahre habe ich danach mein Gewicht gehalten, bis zur Hochzeit mit meiner ersten Ehefrau. Bei jeder Schwangerschaft meiner Liebsten wuchs mein Bauch solidarisch mit, doch bei ihr verschwand der nach der Geburt wieder, bei mir nicht. Ständige Geschäftsreisen und -essen sowie 80-Stunden Arbeitswochen mit wenig Lust auf Bewegung nach Feierabend taten ihr Übriges. Durchschnittlich zwei Kilo pro Jahr nahm ich zu, bis ich im Oktober 2022 schließlich 125 Kilo auf die Waage brachte.

Ich wusste, ich musste etwas tun. Ich konnte mich kaum noch richtig bewegen. Lag oder kniete ich auf dem Boden, so konnte ich nicht mehr aufstehen, ohne mich irgendwo mit den Armen mühsam hochzuziehen. Starker Bluthochdruck, ein Zuckerbelastungstest an der Grenze zu Diabetes 2, das war Alarmstufe rot. Ich wusste, von alleine wird das nicht mehr besser. Doch was konnte ich tun? Die Ärzte wussten außer Operationen auch keinen Rat. Zu fortgeschritten sei meine Adipositas und dazu das Alter. Da geht konventionell nichts mehr. Ich empfand meine Situation als aussichtslos und habe die Probleme meistens verdrängt. An Ratschlägen guter Freunde mangelte es nicht, doch einen Plan hatten die alle auch nicht. Plattitüden wie „mach Sport und iss weniger“ waren mir, der keine einzige Kniebeuge mehr schaffte und zu Fuß alle 100 Meter eine Verschnaufpause einlegen musste, wenig hilfreich. Sobald ich konkret nachfragte, was ich in meinem Zustand denn genau mit welchem Sport und mit welcher Ernährung nach welchem Plan und mit welchem Ergebnisverlauf machen soll, kam nichts außer mitleidigem Schulterzucken. Im Netz ist zwar viel, aber wenig Konkretes zu finden. Zehn Quellen, zwanzig Meinungen und jede Menge Geschäftemacher, jeder mit einem anderen ultimativen Abnehmwundermittel. Ein sehr sportlicher Freund versuchte sich mit der Brechstange an mir und scheuchte mich im Kasernenton durch Wald und Flur. Möglichst schnell und möglichst lange, das sollte nach seiner Meinung helfen. Stell dich nicht so an, du schlaffer Sack. Seine Trainingsmethodik machte körperlich und psychisch mehr kaputt, als sie nützte.

Magenband? Magenbypass? Qualifiziert für den operativen Weg war ich allemal, doch nachhaltigen Erfolg bringen diese keineswegs risikoarmen Eingriffe ohne dauerhafte Veränderung von Ernährung und Lebensweise nicht. Die Pfunde purzeln zwar schnell, kommen danach aber genauso schnell wieder. Prominentes Beispiel: Reiner Calmund. Der hat 2020 nach einem Magenbypass 97 kg abgenommen und wog dann nur noch 83 kg. Nun ist das Leckermäulchen schon wieder bei 100. Schließlich habe ich mich für den Versuch der konventionellen Methode bestehend aus Sport und Ernährung, jedoch unter fachlich qualifizierter Begleitung entschieden, auch wenn der konventionelle Weg zum Erfolg mit zunehmendem Alter immer länger und schwieriger wird.

Los ging es im Oktober 2022 in einem renommierten Fitnessstudio mit Kraft-Ausdauer Zirkeltraining, immer montags, mittwochs und freitags. In den ersten Monaten war es die reinste Tortur, meinen schlaffen verfetteten Körper durch den Zirkel zu quälen. Er rebellierte massiv bis zum Erbrechen. Kein Tag ohne Schmerzen am ganzen Körper. Nur mit der freundlich sachlichen Motivation der geduldigen Fitnesstrainer habe ich das durchgestanden. Nach vier Monaten fühlte sich mein Körper bereits deutlich besser an und veränderte seine Kontur, doch hatte ich erst zwei Kilo abgenommen. Die Pfunde purzelten erst, als ich ab Februar 2023 meine Ernährung umstellte.

Den Sport musste ich einfach nur konstant weitermachen, doch bei der Ernährung waren zuerst einige Grundlagen und Zusammenhänge zu verinnerlichen, um plan- und messbare Ergebnisse erzielen zu können. Darüber möchte ich hier berichten, als Motivation für diejenigen, die es gerne möchten, aber noch nicht geschafft haben, sich auf diesen Weg zu begeben.

Grundumsatz

Der Grundumsatz ist die tägliche Anzahl an Kalorien, die der Körper alleine für seine lebenswichtigen Körperfunktionen benötigt. Der persönliche Grundumsatz lässt sich nach der Harris-Benedict-Formel leicht berechnen. Die Formel für den Mann ist:

66,47 plus (13,7 * Körpergewicht in kg) plus (5 * Körpergröße in cm) minus (6,8 * Alter in Jahren)

Bei mir aktuell zum Beispiel:

66,47 plus (13,7 * 95) plus (5 * 179) minus (6,8 * 62) = 1.841 Kalorien Grundumsatz

Der Grundumsatz ist eine extrem wichtige Größe, weil er nicht für längere Zeit unterschritten werden darf. Wenn man seinen Grundumsatz länger unterschreitet, dann geht der Körper in eine Art Mangelmodus über, d.h. er fährt Körperfunktionen herunter, um mit der reduzierten Energiezufuhr überleben zu können. So senkt er beispielsweise die Körpertemperatur, reduziert die Herzfrequenz und verlangsamt den Stoffwechsel, um sich seine Energiereserven zu bewahren. Der Grundumsatz nimmt dadurch ab und jede überschüssige Kalorie wird primär in Form von Fett eingelagert. Deswegen funktioniert es nicht, mit Hungern abzunehmen. Stattdessen kommt es zum gefürchteten Jo-Jo-Effekt.

Kalorienbedarf

Das ist die Anzahl an Kalorien, die der Körper pro Tag mit all seinen Aktivitäten verbraucht. Diese sind einerseits Schlafen und Ruhen, andererseits jede Form von Bewegung. Ein Mann benötigt im Schlaf und beim Ruhen rund 1 Kalorie pro Stunde und Kilogramm Körpergewicht, in meinem Fall sind das also 95 Kalorien pro Stunde. Liege ich den ganzen Tag im Bett und auf dem Sofa herum, so verbraucht mein Körper 2.300 Kalorien. Bewege ich mich durch Sport oder durch körperliche Arbeit, dann kommen die dabei verbrauchten Kalorien zu diesen 2.300 Kalorien hinzu. Grundsätzlich gilt oberhalb des Grundumsatzes: Verzehre ich mehr als meinen Kalorienbedarf, dann nehme ich zu, verzehre ich weniger, dann nehme ich ab.

Fettabbau vs. Muskelabbau

7.000 Kalorien entsprechen etwa einem Kilogramm Körperfett. Jede Bewegung erhöht also meinen Kalorienbedarf und damit die Anzahl an Kalorien, die ich oberhalb meines Grundumsatzes als Kaloriendefizit einsparen kann. Damit der Körper nun möglichst nur Fett und keine Muskelmasse abbaut, ist Bewegung nötig. Kraft-Ausdauertraining ist ideal. Mein Gewichtsverlust seit Oktober 2022 von 29 Kilo entspricht bei unveränderter Muskelmasse einem Kaloriendefizit von rund 200.000 Kalorien, durchschnittlich also etwa 500 Kalorien pro Tag, 3.500 Kalorien pro Woche, was einem Fettabbau von rund 500 Gramm pro Woche entspricht.

Fettabbau vs. Muskelaufbau

Fettabbau und Muskelaufbau gleichzeitig ist nicht möglich, denn Fettabbau benötigt ein Kaloriendefizit, Muskelaufbau einen Kalorienüberschuss.

Ausgewogene Ernährung

Ohne eine ausgewogene Ernährung kann man nicht gesund und nachhaltig abnehmen. Sie sollte die Grundnährstoffe in angemessenem Verhältnis enthalten, im Einzelnen idealerweise 55% Kohlehydrate, 30% Fett und 15% Eiweiß. Vitamine, Mineralstoffe, Ballaststoffe und Wasser sind neben diesen Hauptnährstoffen weitere wichtige Komponenten, die täglich mit der Nahrung in empfohlener Menge aufzunehmen sind. Dabei sollten ungesunde Stoffe wie gesättigte Fettsäuren, gehärtete Fette, Transfette, Zucker, Salz, Softdrinks und Alkohol möglichst gemieden werden. Damit der Stoffwechsel befeuert wird (Stichwort: Insulinhaushalt) sollte man täglich 5 Mahlzeiten jeweils im Abstand von 3 bis 4 Stunden zu sich nehmen. Das entspricht unserer biologischen Uhr, deshalb schreien Babys etwa alle 3 Stunden nach Nahrung. Bei mir sind die Mahlzeiten ein kohlehydratreiches Frühstück, eine Zwischenmahlzeit, das Mittagessen, nochmal eine Zwischenmahlzeit und schließlich ein kohlenhydratarmes Abendessen, wobei ich mein spätes Abendessen und die zweite Zwischenmahlzeit gerne tausche, um nicht mit vollem Bauch schlafen zu gehen.

Flüssigkeitszufuhr

Um gut abzunehmen, sollte man über den Tag verteilt drei Liter Wasser, Tee, Kaffee, etc. trinken, beim Sport noch einen Liter Wasser zusätzlich. Trinkt man zu wenig, dann können die Nieren die Schadstoffe nicht richtig abführen. In dieser Not hilft zwar die Leber aus, doch die kann nun die Aufgabe des Fettstoffwechsels nicht mehr ausreichend erfüllen. Das mindert den Abnehmerfolg und schadet der Gesundheit durch Dehydrierung.

Kaloriendichte

Ein Sättigungsgefühl ist für das Wohlbefinden und einen aktiven Stoffwechsel unverzichtbar. Dieses erreicht man beim Abnehmen jedoch nur mit Mahlzeiten von geringer Kaloriendichte, d.h. ein möglichst großes Nahrungsvolumen bei möglichst kleiner Kalorienzahl. Je höher der Verarbeitungsgrad einer Mahlzeit, umso höher ist die Kaloriendichte. Um damit satt zu werden und dennoch unterhalb seines Kalorienbedarfs zu bleiben, muss man sehr viel zusätzlichen Sport machen. Besser ist es selbst zu kochen, mit möglichst unverarbeiteten Rohstoffen und so mit geringer Kaloriendichte richtig satt zu werden. Zum Wohlbefinden gehört aber auch, dass man sich zwischendurch einen Schlemmertag gönnt, an dem alles erlaubt ist. Bei mir ist das ein Tag pro Monat, an dem ich alles ohne Limit in beliebiger Menge esse und trinke, was mir schmeckt. Selbst wenn ich an so einem Tag 7.000 Kalorien reinfresse, nehme ich höchstens 1 kg Fett zu. Die Gewissheit, dass dieses Kilo bei meinem generellen Kaloriendefizit schnell wieder weg ist, vermeidet ein schlechtes Gewissen und der kurzzeitige Hochgenuss liefert neue Motivation für die Wochen bis zum nächsten Schlemmertag.

Meine Ernährung, meinen Sport und meinen Gewichtsverlauf plane und erfasse ich mit einer App, die in der völlig ausreichenden Basisversion kostenlos für Android, iOS und auch im Web verfügbar ist. Diese App liefert mir meinen Grundumsatz, meinen Kalorienbedarf, Nährwerte aus einer umfangreichen Lebensmitteldatenbank sowie mein Kaloriendefizit. Auch meinen Trainingsplan habe ich in der App hinterlegt, was automatisch meinen üblichen Bewegungsverbrauch beisteuert.

An einem Trainingstag beträgt mein Kalorienbedarf 3.000 Kalorien, an einem Ruhetag 2.300 Kalorien. Üblicherweise nehme ich 1.800 Kalorien zu mir. Das ergibt ein Kaloriendefizit von 1.200 Kalorien an Trainingstagen, sonst 500 Kalorien. Pro Woche generiere ich so ein Kaloriendefizit von gut 5.000 Kalorien.

Mit dem Kochen mache ich es mir relativ einfach. Am Wochenende bereite ich immer ein Gericht in größerer Menge vor, so 10 bis 15 Portionen. Die friere ich portionsweise ein. Gemüse, Salate und Obst esse ich frisch, Gebratenes wird direkt zur Mahlzeit zubereitet. Grundsätzlich koche und esse ich alles, was mir schmeckt, ersetze dabei lediglich ungesunde durch möglichst gesunde Zutaten, z.B. Butter durch fettarmen Frischkäse, Speck durch Räuchertofu, Fett beim Backen durch Protein, Zucker durch Honig oder Xylit, Diätwürze statt Salz, Rind statt Schwein, Fisch statt Fleisch, Tartar statt Hackfleisch, generell stets die möglichst fett-, salz-, zucker- und kalorienarme Alternative. Und als Beilagen natürlich möglichst oft Salat, Gemüse und Obst. Das sind über den Tag viele kleine Einsparungen, die in Summe große Wirkung entfalten. Natürlich habe ich auch mal meinen schwachen Moment, wo ich der Verlockung von Currywurst oder Pizza erliege. Dann setze ich mich eben auf meine Rudermaschine und schraube in einer halben Stunde meinen Bedarf um 400 Kalorien hoch. So passt die Bilanz am Ende des Tages wieder.

Zur Erfolgskontrolle mache ich alle drei Monate eine Körperzusammensetzungsanalyse, um meine Fortschritte zu dokumentieren und meinen Trainingsplan durch den studioeigenen Arzt anpassen zu lassen.

Sicher, gerade am Anfang ist es sehr mühsam, seinen verfetteten schlaffen Körper durch den Sport zu quälen und die Disziplin aufzubringen, sich bei jedem Wetter ins Fitnessstudio zu begeben, die passenden Lebensmittel zusammenzutragen und seinen Koch- wie auch seinen Lebensstil zu ändern. Doch zahlen sich die Mühen in vielerlei Hinsicht aus, psychisch, physisch, gesundheitlich und sogar finanziell. Zwar kostet das Fitnessstudio mit meinem monatlich kündbaren Flexvertrag 100 Euro pro Monat, doch spare ich die alleine durch meine nun sehr selten gewordenen Restaurantbesuche locker ein.



Weiterführender Link: TrennungsFAQ
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