Die Großen
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Gastautor: Der Minimalist
Es hat doch einige Vorteile, groß zu sein. Ich spreche hier von 192 cm – nicht sonderlich groß, aber auch nicht sonderlich klein.
Die Schränke kann man so natürlich ohne Leiter, bis ins oberste, hinterste Eck befüllen, sogar auf die Schränke kann ich Dinge ablegen ohne große Verrenkungen. In jeder Ansammlung von Menschen kann ich zuhinterst stehen und sehe immer noch alles Notwendige (Niederlande ausgenommen). Im Süden kann ich im Ausverkauf meine Kleidergröße finden und im Failed State Schweden gilt meine Größe als mittlere. Im hippen Modeladen gibt es meine Kleidergröße eh im Ausverkauf (die meisten Männer sind offenbar Untermesser, wie wir Fischer zu sagen pflegen). Beim Streichen der Wohnung brauch ich eine Leiter nur, um den nötigsten Plunder hinzulegen und wenn ich irgendwo auftauche, schauen die Menschen förmlich zu mir auf. Weiber stehen eh auf Große, womit das ebenfalls keine Hürde darstellen würde, wenn ich mir überhaupt sowas ins Haus holen wollen würde. Aber mit niederen Kreaturen gebe ich mich nicht ab.
Warum ich so groß wurde, liegt wahrscheinlich am Essen und im Lebenswandel. Gesundes Fleisch, viel Kohlenhydrate, Gemüse (Wäähhh), Zucker und mit Freunden draußen, Musikinstrumente und Bücher. Also damals zumindest hat das noch funktioniert. Heute ist nur noch Vegi, Vegan, und der ganze Bullshit. Erkennbar an der Größe der Menschen. Die werden nicht nur geistig, sondern gefühlt auch körperlich immer kleiner. Der Standard-Mensch hat ja 172 cm und 70 kg.
Süß …
Und genau da fängt das Problem an. 172/70. Das tönt wie die Masse der AE vom unteren Stock, ist aber auch das Hauptproblem von größeren Typen.
In der Küche sind die Arbeitsflächen so niedrig, dass ich mich übelst bücken muss, wenn ich da was mit meinem handgeschmiedeten Messer schnipple. Geschirr und Zubehör in den untersten Schränken oder ganz zuhinterst kann ich beinahe nur mit der Werkstatt-Rollliege erreichen. Auch meine Eisenpfanne ist da aus logistischen Gründen zu finden, aber vor der knie ich mich natürlich gerne hin. Das ist ja auch der größte Schatz in meinem Leben. Im Büro ist der Tisch auf maximaler Höhe und Du kommst Dir trotzdem vor, wie an Frodo Beutlins Arbeitstisch. Stühle sind auch zu niedrig und Mäuse, die in meine Hand passen würden, gibt es praktisch nicht. Maus-Tastatur-Kombis sowieso ausgeschlossen.
Auf dem Klo ist die Schüssel ebenfalls zu niedrig. Meine Sitzposition erzeugt zwar den optimalen Scheißwinkel, laut einer Studie von drüben, aber ans Aufstehen hat wieder mal niemand gedacht. Gut, das war jetzt für Europa etwas übertrieben (außer dem Winkel), aber wer schon mal in Portugal ein Scheißhaus besucht hat, der weiß, dass es Dich nach dem wohligen Kalben wie ein Blitz beim Scheißen trifft: Wie komme ich da wieder hoch? Und warum ist der Türgriff über meiner Augenhöhe auf der tiefergelegten Ferguson 1000? Der Badezimmerspiegel in Deutschland zeigt mir nur das Kinn und die Hälfte meiner Brust, zum Friseur gehe ich, wenn meine Augenbrauen so weit runterhängen, dass sie mein Kinn berühren. Ich warte noch auf den Tag, wo ich mich selber im Spiegel sehe. Das wird mit Sicherheit ein verstörendes Erlebnis. Angeblich soll ich dunkle Haare haben.
Im Tram, Flugzeug und Bus fahren, ist die Hölle. Meine Knie drücken da an die Rückbank der vorderen Reihe und ich muss in gepflegter Mansplaining-Pose da sitzen – weil es anders eben nicht geht. Wenn so eine Tucke neben mir sich wieder mal beschwert, zeige ich ihr, dass das von der Größe her schon nicht geht und merke jedes Mal an, dass es eine besondere Last ist, einen so großen Schwanz mit Eiern zu haben, dass man nicht gerade sitzen kann. Außerdem möchte ich noch anmerken, dass Frauen extrem auf Große stehen. Also Brieftaschen natürlich. Woran habt ihr Schweine wieder gedacht?
Im präferierten Schuhladen sind die größten Nummern zuunterst angesiedelt. Versuch das mal einer Verkaufstusse da im Laden zu erklären, dass es völlig unsinnig ist, die größten Nummern zuunterst und die kleinsten zuoberst anzusiedeln. Ist für Große und Kleine mühsam. Betonung auf ‹versuch›; genauso gut kannst Du einer Stubenfliege Kernfusion erklären. Dasselbe in den Kleidermärkten. Die großen Größen sind innerhalb von ein paar Tage weg, denn der pragmatische, logische, durchdachte und kluge Mann kauft sich gleich mehrere Hosen in der passenden Größe. Eine anprobieren – passt – und dann werden gleich drei genommen. Ergo: es hat keine großen Größen mehr. Aber von den kleinen und mittleren gibt es regalweise, die sie dann für % im Ausverkauf haben. Ja «%». Ob die da 20/40/70/oder 95 % schreiben, kann eine Frau sowieso nicht mal mit dem Taschenrechner ausrechnen. Geschweige denn im Kopf. Müsst mal acht geben, in den Weiberläden steht meist nur eine %-Tafel an einem Gestell. Stelle mir das immer so vor, wenn ich einen Laden hätte: Das Teil kostet regulär 39,90, aber mit 20 % Rabatt nur 38,90. «Gekauft, ich hab ein Schnäppchen gemacht!!!» Aber dass die den größten Teil der Ware schließlich für Lau rauswerfen müssen und die großen Größen noch für den vollen Preis verkaufen hätten können, darauf kommt eine Frau nie. Auch, wenn ich es diesen Hochvakuum-Röhren hie und da erkläre.
Beim Auto auch immer die gleiche Scheiße: Je größer der Wagen, desto weniger Platz für die Fahrer. Der Bayerische Müllwagen fällt da besonders auf, da sind sogar die Sitze zu kurz, falls man es überhaupt schafft in diese Kiste einzusteigen. Komme mir da jeweils vor, die Mr. Incredible in seinem Kleinwagen. Auch Audi bekleckert sich da nicht mit Ruhm, da musst Du eher Rum saufen, dass Du Dich da wie ein besoffener reinwälzen kannst. Deutsche Kleinkunst eben. Da bin ich mit den Reisschüsseln immer besser gefahren, obwohl die Japaner (Männer) noch kleiner sind, als die Deutschen.
Aber ich weiß, dass das die Kultur hier ist: Je kleiner der Mann, desto größer der Karren, im Umkehrschluss müssen also kleinere Leute da Platz haben. Völlig logisch. Witzige Anekdote zur Anfangszeit des Smarts: Ich habe mal mit den Armen einen Smart «vermessen», also meine Arme ausgespannt (knapp 2 Meter), um das grob zu prüfen, da meinte ein Fußgänger «ich dachte, sie wollen den in ihre Hosentasche packen». Männer eben, immer einen Spruch auf Lager. Ganz nebenbei möchte ich erwähnen, dass ich im Smart luxuriös viel Platz auf der Fahrerseite habe.
Nun aber auch etwas Ernsthafteres: Es ist auch als großer Jugendlicher schwierig. Diese dummen Sätze wie «Du bist ja schon so groß, das solltet Du doch können (unabhängig vom Alter)» oder mein Lieblingssatz als Antisportler «Mit Deinen langen Beinen solltest Du doch sehr schnell rennen können» und ähnlicher Bullshit, soweit das große Auge reicht (nach diesen hirnverbrannten Aussagen, müsste das große Auge ja auch besser sehen …), können Jugendliche ganz schön zu schaffen machen. Da werden Erwartungen gemacht, die große Junge einfach noch nicht erfüllen können. Ganz allgemein ist man eh der Schuldige, weil man der größere unter den Freunden ist, wenn wieder mal Scheiße gebaut wurde. Aber das kann man locker durch eine gute Argumentation jemand anderem in die Schuhe schieben, wenn man schon wieder und unter Vorsatz Scheiße gebaut hat. Möglicherweise gibt es eine Korrelation (keine Kausalität) zwischen Körpergröße, Hirngröße und Denkvermögen. Das würde auch erklären, wie man mit weniger Gehirn weniger logisch denken kann. Ich weiß nicht, ob ihr das wusstet, aber das männliche Gehirn ist 100gr. schwerer, bei gleicher Posture von Weibern. Hat mir Rüdiger Hoffmann mal gesteckt.
Alles in allem ist es in der zwischenmenschlichen Beziehung sehr und ausgeprägt förderlich, groß zu sein. Man hört auf solche Leute eher (was ich oft nicht für wünschenswert halte, ich habe eine Meinung, die wie alle anderen auch zählt), aber letztlich und unter dem Strich ist das ein Krampf im Leben, vom Kind bis zum Erwachsenen. Nebenbei bin ich unter meinen besten fünf Freunden der Zweitkleinste.
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