Die Færørene - ein Reisebericht (Teil 2)
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Gastautor: Master Chief
Frisch abgeröhrt ging es von Süd-West nach Nord-Ost über alle größeren Inseln hinweg. Endpunkt: Viðareiði.
Macht zusammen 3 Atlantiktunnel und EUR 45,- weniger in der Tasche, selbstredend one-way. Der König unter den Tunneln ist der Eysturoyartunnilin. Der ist breit und gut ausgeleuchtet und beherbergt den wohl einzigen roundabout des Planeten unter dem Atlantik. Der Kreisel ist ein Kunstwerk von Tróndur Patursson, der Tunnel selbst ist 11,2 km lang und wurde gebaut von 2016 bis 2020 für EUR 134.408.602 und 15 cents (ungefähr). Wieviel allein das Dynamit gekostet hat, um Löcher in den mittelatlantischen Rücken in 189 m Tiefe zu sprengen, konnte ich nicht herausfinden.
Zum Vergleich: Für den 18,1 km langen Fehmarn-Belt-Tunnel werden in 30 m Tiefe ein bisschen Sand gebuddelt und Fertigsegmente zusammengesteckt. Kosten: runde 9 Milliarden Euro, Tendenz stetig steigend.
Bauzeitlich sind 8 Jahre geplant und da die Dänen den Hut aufhaben klappt das wohl auch. Stuttgart 21 (die Zahl steht übrigens für das Jahr der Fertigstellung 21XX), A20, Elbquerung und alles andere in D: eher nicht.
Aktueller Stand Fehmarn vs Faröer in Kostenfaktor/km-Tunnel:
41,43 : 1, oder auch Kosten mit EU-Bürokraten vs ohne EU-Bürokraten
Oberirdisch ging es allerdings auch nicht ohne Tunnel bis nach Viðareiði. Die Straße 70 hat eine ziemlich schräge Doppel-Tunnel-Kombi im Angebot und die geht folgendermassen: One-way gibt es Grün alle 15 Minuten für 2 Minuten und Du musst dann da durch, kurz im Hellen 90 Grad Kurve (Achtung: Schafe/Abgrund!) und ab in den Nächsten. Beide Tunnel sind überragend schlecht ausgeleuchtet und vielleicht(!) 3 m "breit", die Fahrbahn selbst ist mit Schlaglöchern übersät. Ausserdem sieht die Tunneleinfahrt aus wie das Tor aus dem Herrn der Ringe (Moria/Khazad-dûm), also das passt.
Über den Havanna(!)sund hinüber auf die letzte Insel der Tour, am Aussichtspunkt auf die nächste Insel rübergucken und weiter (ich hatte echt Hunger nach dem Abröhren am Morgen). Auf dem Weg nach Klaksvik, hier am Arsch der Færøer, hatten wohl deutsche Einwanderer ein "Herzlich Willkommen"-Schild am Wegesrand geparkt. Drumherum war ein leidlich gepflegtes, abgezäuntes Gelände am Hang eingerichtet, welches allerlei Federtier (Enten, Gänse, ein Truthahn), kleine Häuschen und Blumen beherbergte. So eine Art Miniatur-Wunderland am AdW.
Es nieselte leicht und ich begutachtete die Straße, die uns hier herbrachte, ein wenig genauer. Einspurig, grober Asphalt, an der Kante aufgespalten und brüchig. Hinter der völlig zerdellten Leitplanke ging es 100m steil hinunter ins Meer. An manch sensiblen Punkten war die Leitplanke gleich gänzlich von herabstürzenden Felsen hinweggefegt worden, an anderen Stellen nur teilweise perforiert.
Wir wechselten und ich sollte dieses Mal die Tunnel von Moria in Angriff nehmen. Da ich Hunger hatte, ging es flott voran und nach dem 90-Grad Knick waren die Verfolger meilenweit abgehängt. Klaksvik Hafen hat im Preis/Leistungsverhältnis die besten Fish & Chips des Landes. Der Fang des Tages war leider Kabeljau, aber der war trotzdem richtig gut. Man bestellt und holt am Foodtruck ab, kann sich dann aber in einer warmen Bude mit Tischen und Stühlen über das Essen hermachen. Wer es lieber mag sich sein Essen vollregnen und vom Winde verwehen zu lassen, der bleibt selbstverständlich draussen am Wagen.
Da wir noch nicht genügend Wasserfälle gesehen hatten, ging es weiter zum Fossá und Kluftáfossur auf Kvivik. Die Straße 594 dorthin ist einspurig. Bei entgegenkommendem Verkehr wird in einer Bucht gehalten, die gerade ausreichend Platz für einen PKW bietet. Leitplanken gibt es hier keine, schließlich geht es auch nur im 45 Grad-Winkel 50m tief in den Atlantik. Dazu kommen noch Nebel, Regen, Wind und Schafe. Das mit dem Wind hatte ich aber schon erwähnt, oder? Die beste Frau der Welt hinter dem Steuer war es jedenfalls etwas unwohl. Mir auch. Schnauze voll von Wasserfällen und ab nach Hause. Wir ahnten zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass wir nur einen kleinen Vorgeschmack von den Straßen bekommen hatten, die noch folgen sollten. Nach dem völlig verregneten Tag haben wir uns eine TK-Mahlzeit aus dem Supermarkt verpasst und wollten nur noch trocken sein.
Am nächsten Morgen fiel die Fähre aus.
Starker Wind verhinderte wieder einmal die Überfahrt. Wenigstens hatte es heute nur Schauer und die Sicht war gut. Als Alternativplan hatte ich mir den Puffin-Geheimtip Nr. 2 zurechtgelegt. Die Straße dorthin führte uns auf der anderen Seite des Fjords entlang, den wir gestern auf der Einspurigen bewältigten. Hier war es zweispurig, also kein Problem. Bis wir in Eiði abbogen. Von Oktober bis April ist die Strasse ab dort gesperrt. Aus Gründen.
Sie ist winzig, uneben und ohne Leitplanken. Dass es auf einer Seite steil ins Meer geht, muss ich wohl nicht zusätzlich erwähnen, oder?
Und zwar geht es von knapp Meereshöhe auf geschätzte 400 m steil bergauf. Und je höher es geht, desto mehr geht der Stift. Endlich oben auf einem winzigen 3-Auto-Parkplatz angekommen erstmaldurchschnaufen. Wird schwierig, denn die Tür geht nicht auf. Achja, ist ja nur der Wind. Also ich fahr den Kwatschkwei, oder wie der Plastikhaufen heisst, nicht wieder da runter. Frau auch nicht. Also weiter den Berg entlang. Das Terrain ebnet sich jetzt. Kein Abgrund, der einen das Blut in den Adern gefrieren lässt. Größter Stausee des Archipels zur Rechten.
Wir kommen zum ersehnten Abzweig hinunter nach Gjógv. Hier geht es die erklommenen 400 Höhenmeter zwar wieder bergab (natürlich einspurig), aber wesentlich flacher und es geht auch nur im 45 Grad-Winkel in ein Tal, falls einem das Talent ausgeht.
Gjógv heißt Felsspalte und die 58 Einwohner haben dank selbiger einen Naturhafen von Mutter Natur quasi kostenfrei erhalten. Passt zwar nur ein Boot hinein, aber schließlich sind deren Häuser auch alle winzig, so wie die Gassen im Ort. Drüben am Felsen gibt es auch die versprochenen Puffins zu bestaunen. Was für putzige, kleine Kerle. Da hat sich der Ausflug doch schon gelohnt. Die beste Frau der Welt will die Klippe auf der anderen Seite noch weiter hinauf, mein niedriger Blutzuckerspiegel, der Blick hinunter in den Hafen aus 30 m Höhe, der sturmstarke Wind und gelegentlicher Regen hielten mich jedoch davon ab, den schlammigen, nassen Trampelpfad zu bezwingen.
Zu sehen gab es eh nicht viel, also ab ins lokale Guesthouse welches eigentlich ein gut geführtes Hotel am Rande des Universums ist. Die Fischsuppe sei hier der Brüller, so das Internet. Hab ich doch glatt das Personal wuschig gemacht, dass sich wohl nach Abreise einer Reisegruppe erstmal ausgiebig am Tisch stärkte, als ich anhub, eine Bestellung bezüglich einer Suppe mit Fisch zu platzieren. Auszuführen selbstverständlich erst, nachdem sich das Personal ausreichend gestärkt hat, denn ich habe schließlich Manieren beigebracht bekommen. "Fischsuppe ist aus", sagte die MILF zu mir, die hier wohl das Kommando hatte. Aber im Handumdrehen wurde durch Koch, MILF, Personal und meine Wenigkeit das Ganze in Hummersuppe umgemünzt und 5 Minuten später konnte sich mein Blutzuckerspiegel selber mal im Arsche lecken. Leicht abgerundet mit Trüffelöl war das die Hummersuppe meines Lebens.
Als wir zum Auto zurückkehrten, vernahm ich noch den Klang eines Porsche-Motors. Ihr wisst, so wie wenn leere Blechdosen weinen könnten. Meine Netzhaut machte einen 911 Carrera in Weiss und Neu aus. Ich kenne mich da bei der Marke nicht so aus, aber ist wohl einer von den Teueren gewesen. " Was macht denn der hier am AdW? ", dachte ich mir so. Wir sollten ihn jedenfalls bald wiedersehen. Auf dem Weg zurück auf dem Hochplateau wollten wir dann noch aussteigen und wieder Klippen/Abgrund/Abhauen spielen, aber ihr wisst ja: Regen, Wind, das wurde nichts. Klassische Serpentinen auf dieser Seite auf dem Weg nach unten machten die Fahrt entspannter, auch wenn es immer noch steil auf einer Seite hinuntergeht. Aber wenigstens nicht mehr direkt ins Meer. Dabei ein paar mietwagenfahrende Asiaten auf die Seite empfohlen und ab durch den Fjord, auf dem Weg ins Basislager gefahren. Die Sonne kam sogar stellenweise durch. Nesvik, Hvalvik, Nosvik – der Eingeborene gibt seinen Dörfern halt gerne Schnakselnamen. Am Abend beim Inder am Flughafen dem Regen noch beim Plätschern an die Scheiben zugeschaut und dann Bettchen.
Am nächsten Morgen fiel die Fähre aus.
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