COL (4) - Los geht's
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Gastautor: Pancho
Die Uhr zeigt 06:45 an. Ich wasche die Tasse vom morgendlichen Kaffee ab und gehe in Gedanken nochmals alles durch. Alle Buchungen und Transporte sind eingetütet und bestätigt. Selbst das letzte Geschenk für die süsse COL Maus ist rechtzeitig eingetroffen und eingepackt. Die Nachbarin sammelt die Post ein, der beste Kumpel kümmert sich um die Wohnung und giesst die Pflanzen.
Hast Du sonst alles? Wische die Gedanken beiseite und besinne mich auf meine Grundregel zum Verreisen: Im Prinzip braucht man nur wenige Sachen: Pass, etwas Bargeld und zwei bis drei Kreditkarten. Was man vergessen hat, kauft man einfach vor Ort. Zwei bis drei Kreditkarten empfehle ich jedem. Es sollte mindestens eine Master- und eine Visakarte dabei sein, denn nicht alle werden überall genommen. Devisen tauschen? Dollar mitnehmen? Kann man sein lassen. Euro werden weltweit mit Handkuss genommen. Meiner Erfahrung nach fährt man mit Euros besser, als mit Dollar. Nur darauf achten, dass die Euro-Scheine makellos sind, sonst kann es sein, dass sie nicht angenommen werden.
Kurz vor 07:00 Uhr. Ich stehe unten und warte auf das Taxi, das pünktlich erscheint. Der Flieger geht um 08:35. Der eine oder andere mag Stunden vor Abflug am Flughafen sein, ich halte das anders. Kenne den Flughafen gut, um diese Uhrzeit ist mit wenig Verkehr zu rechnen, also werde ich spätestens um 07:30 am Flughafen sein. Das reicht dicke. Bei Business-Class muss man keine Warteschlangen bei der Gepäckaufgabe befürchten. Es gibt ja einen eigenen Schalter für BC/FC an dem schlimmstenfalls ein Passagier vor einem ist.
07:20 komme ich am Flughafen an. Irgendwas ist anders, als sonst. Es herrscht arger Betrieb und es liegt eine Aufregung in der Luft. Wundere mich. Es ist keine Saison, was ist hier los? Wo wollen die alle hin? Egal, ab zum Lufthansa-Schalter. Erste Überraschung: Sie haben den Flieger getauscht, mein BC-Platz ist weg, ich werde auf Eco umgebucht. Ok, der Flug dauert knapp 40 Min., da ist es mir egal. Ich bekomme 90,– Euro erstattet und auf die Bordkarte Prio eingetragen. Wozu, weiss ich nicht. Macht in dem kleinen Flughafen keinen Unterschied. Beim SecCheck herrscht reges Treiben. Es geht Ratzfatz und es wird kaum was kontrolliert. Die Dame vor mir erweist sich als Volldepp. Sie schafft es nicht, sich richtig in den Körper-Scanner zu stellen. Wie blöd kann man sein? Es sind deutliche Markierungen am Boden für die Füsse und an der Seite, wie man sich hinzustellen hat. Sie kapiert es nicht. Unbeholfen, wie ein Fisch im Trockenen. Man erwischt sich bei dem Gedanken, ihr eine Ohrfeige verpassen und sie in die richtige Stellung bringen zu wollen. Stattdessen schaut man sich an, wie der Sec-Mitarbeiter der Hohlbirne zum x'ten Mal versucht zu erklären, wie sie sich hinstellen muss. Nein, ich rege mich nicht auf. Auch nicht über die andere Tusse, die sich vordrängeln wollte. Ich bin seit dem Einstieg ins Taxi im Urlaubsmodus und nichts wird mir das versauen.
Am Gate herrscht auch Aufregung und Antrag, wir schaffen es aber mit minimaler Verspätung zu starten. Bleibe entspannt, schliesslich habe ich vier Stunden Aufenthalt in Frankfurt, bevor es weiter geht.
Ankunft in Frankfurt. Es ist die Hölle los. Auch hier war ich schon etliche Male, so habe ich das aber noch nie erlebt. Massen an Leuten. Überall beschwert sich irgendwer über irgendwas. Rette mich in die LH Lounge. WTF, auch hier ist die Hölle los. Kaum ein Platz frei. Egal, es gibt ein Raucherraum und genug zu trinken, also Plananpassung: Ich gegen den Biervorrat. Nach etlichen Weissbieren bin ich mehr als smooth. Sollen sie alle stressen, ich bin fein. Kriege Hunger, es gibt unter anderem Kassler mit Sauerkraut, was meine Stimmung weiter anhebt. Die nächsten drei Wochen werde ich eine völlig andere Küche erleben, da kommt mir ein typisch deutsches Essen gerade recht. War auch lecker. Noch ein Hefeweizen hinterher, bis es Zeit wird, zum Gate zu gehen.
Am Gate höre ich erstmal Leute Spanisch sprechen. Jetzt wurde mir erst klar, dass das Ganze tatsächlich stattfindet. Bisher war alles wie ein Projekt. Weitgehendst emotionslos wurde der komplette Urlaub durchgeplant und gebucht. Zum ersten Mal kribbelt es im Bauch. Die Idee nach COL zu fliegen ist über ein Jahr alt. Endlich ist es so weit und nichts hält mich mehr auf. Ich freue mich wirklich darauf. Von Erzählungen weiss ich schon viel über COL. Erzählungen sind das eine, selbst vor Ort erleben, was anderes.
Eine COL neben mir kennt jemand bei der Airline. Ich kriege am Rande mit, dass sich der Flug verspätet. Das Einladen des Essens würde noch fünf Minuten dauern. Nach 30 Min. war klar, irgendwas läuft mächtig falsch, daher kurzerhand zurück LH-Lounge, eine geraucht und noch ein Bier rein und zurück zum Gate. Es geht nicht weiter, keiner weiss was, keiner sagt was. Ich, inzwischen mega drauf mit MESA Einstellung. „Ruft mich, wenn es weiter geht.“ und zurück zur LH-Lounge. Der Mann am Empfang schaut betreten und schickt mich in die First Class Lounge. Nett dort, viel weniger los, bessere Sitzmöglichkeiten, ansonsten wie die BC-Lounge. Weiter ging es mit dem Kampf gegen die Hefeweizen-Vorräte. Lustig und betrullert irgendwann wieder zum Gate. Mit zweistündiger Verspätung starten wir.
Hab’ etliche BC / BCFC hinter mir. Lufthansa verliert in Sachen Service auf ganzer Linie. Der Steward hat kaum was auf die Reihe bekommen. Nachdem er die Essenswünsche notiert hatte, hat er seinen Zettel verloren, wusste also nicht mehr, was die Leute bestellt hatten. Beim Verteilen der Vorspeise hat er den Korb mit den Brötchen irgendwo hingestellt und komplett vergessen.
Egal, ich bin gut gelaunt und lasse mir die Lust nicht nehmen. Die Sitze sind ok, es gab alles Zubehör, was es so in der BC gibt und die Decke war gut. Kurznachrichten gescheckt und schlafen gelegt.
Ich hatte vorab Internet für den Flug gekauft. Deutlich nach dem Start ging immer noch nichts, also den Steward befragt: „Ja, mal geht’s, mal nicht. Vielleicht später.“ Ah, Danke, das ist also Euer Verständnis von Service?! Habeck-Style? „Das Internet ist nicht kaputt, geht nur gerade nicht? Vielleicht später wieder.“ Aufgestanden, zur Chefstewardess, kurzes Gespräch: Siehe da, das System war ausgefallen. Sie hat es neu gestartet und schon ging es.
Der Pilot meldet sich und auf einmal ergibt alles Sinn. Ich bin am Tag nach dem Wahnsinns-Sturm geflogen. Es wurden über 70 Flüge gecancelt, sagt er, die nun nachgeholt werden. Deswegen das ganze Durcheinander und das erhöhte Aufkommen, die Verspätungen, usw. Hauptproblem waren die Caterer, die mit den Essenslieferungen nicht mehr nachgekommen sind. Angesichts dessen, bin ich froh im Flieger zu sitzen, keine weiteren Anschlussflüge zu haben und mit der Chance in Bogotá, wenn auch verspätet, anzukommen. Jetzt kann nichts mehr schiefgehen.
Dachte ich zumindest.
Die süsse COL Maus meldet sich. In COL bebt es, und zwar ordentlich. Epizentrum war gar nicht weit von Bogotá, die Stadt ist in Panik. Na Bravo, was denn noch alles? Komme ich an? Steht Bogotá noch, wenn ich ankomme? Werden wir umgeleitet?
Am Ende mehr Panik, als tatsächlicher Schaden. Die süsse COL Maus ist aber aufgeregt und ihre Katze dreht durch. Sie ist, wie alle anderen, aus dem Haus gegangen und steht mit ihrer Katze vor dem Gebäude und wartet ab, ob die Welt untergeht. Eine Frau war wohl so panisch, dass sie aus dem Fenster klettern wollte und dabei abgestürzt ist. Hat’s nicht überlebt.
Schlafe noch eine Runde. Wache auf, der Flugbegleiter fragt, ob ich Frühstück möchte. „Ja, gerne“ „Dann holen Sie den Tisch raus!“ Bin kurz sprachlos, habe aber keine Lust auf Diskussionen – sein Glück –, hole den Tisch raus und wische seine Unverschämtheit beiseite.
Ankunft in Bogotá.
Hurra, ich bin da, endlich! Lob an den Flughafen „El Dorado“, der mit jedem Top-Flughafen der Welt locker mithält und viele toppt. Sauber, geordnet, strukturiert, man findet sich sofort zurecht.
Hinweis an dieser Stelle an COL-Reisende: Rechtzeitig CheckMig absolvieren (online, nicht weiter schlimm, nur Basic-Fragen), sonst kann man nicht mal los, wird nämlich von der Airline am Abflugort abgefragt. Der CheckMig ist nicht nur für die Einreise, sondern auch für die Ausreise obligatorisch.
Gepäck ist Dank BC schnell da, ab zu Migration. Die Schlange ist endlos. Hier fällt mir schon etwas auf. Die meisten Kolumbianer nehmen den Schnellschalter. Im Prinzip, wie in Europa, wo man seinen Pass scannt, sich hinstellt, das Gesicht gescannt wird, und fertig. In COL läuft das anders. Iris Scan. Ein kurzer Blick und man ist durch. Bin etwas verwundert. Wie viele COLs haben bedenkenlos ihre Iris scannen lassen? Ohne Gedanken, was das bedeutet? Nur, um schneller durch die Migration zu kommen?
Bei Migration werde ich noch gefragt, ob ich beruflich oder als Tourist da bin. Lege eine Mail mit dem kompletten Reiseplan inkl. Hotels, Transports, Telefonnummern, usw. vor. Die hatte ich dem besten Kumpel geschickt. Wenn hier irgendwas schiefläuft, ist das mein Notfallkontakt und er würde alles tun, um mich zu retten. Der Beamte blickt kurz drauf, nickt und wünscht mir einen angenehmen Aufenthalt.
Komme raus aus dem Flughafen. Wer schon mal in Bangkok war, hat eine Vorstellung, wie es zugeht. Gefühlte 100 Menschen stürzen sich auf einen und wollen einem ein Taxi andrehen. Endlos viele Autos blockieren die Strasse. Es wird gehupt, was das Zeug hält. Dazwischen irgendwelche Polizisten, die sich mit ihren Trillerpfeifen die Seele aus dem Leib pusten. In BOG ist das Ganze auch noch doppelt, da der Flughafen Zufahrten auf zwei Ebenen hat. Wie ich später erfahre, sind unten die Taxis, oben die Uber.
Ich suche und suche und werde nicht fündig. Die süsse COL Maus ist nicht da.
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