• 24.04.2024

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Sabine Sehnsucht am See

see

» Artikel vom

Gastautor: 1WO

Liebe MM-Leser,
aus sicherer Quelle wurde mir das Manuskript eines demnächst erscheinenden Romans zugespielt. Da es hier sicherlich viele Intellektuelle gibt, die gerne mal ein Buch lesen, möchte ich es hier vorab veröffentlichen.

Sabine - Sehnsucht am See

Kapitel 1

Wütend schlug Sabine die Bürotür hinter sich zu. So hatte sie sich das nicht vorgestellt! Der Termin bei der Bank war eine Katastrophe gewesen, eine einzige Katastrophe! Ihr Kater Fiesta, der es stets genau spürte, wenn sein Frauchen mies gelaunt war und wusste, dass dann kein Knabberzeug zu erhoffen war, zog sich beleidigt maunzend in die Teeküche zurück.
Ihr kleines Unternehmen, dass sie vor einigen Jahren mit ihrer Freundin Jenny zusammen gegründet hatte, war in ernster Gefahr, wenn sie die Finanzen nicht in den Griff bekämen. Dabei hatte alles so gut begonnen: Eine neue und erfrischende Idee, ein neues Kundenbindungskonzept, ein flotter Auftritt ... Sie betrieben einen Blog namens GassenGossip, in dem sie interessante Ereignisse und Gerüchte aus dem schönen Städtchen am Bodensee, in dem sie nun schon seit über zwanzig Jahren wohnte, zu lustigen und andeutungsreichen Artikeln verarbeitete. Dazu war sie viel unterwegs. In Cafés, auf Vernissagen, Eröffnungsfeiern und so weiter; eben überall, wo interessante Leute zusammenkamen und über andere interessante Leute redeten. Dreist steckten sie und Jenny ihre Nasen überall hinein, fragten, lauschten und beobachteten. Auch die lokale Prominenz, wie beispielsweise der Direktor der Stadtwerke, die Baubürgermeisterin oder eine Stadträtin und Speakerin waren schon als Interviewpartner vor ihrem Diktiergerät gesessen und hatten über Interna der Stadt und Ähnliches geplaudert.

Und jetzt das! Gut - die Einnahmen aus dem Blog könnten wirklich etwas höher sein. Sabines und Jennys Konzept beruhte auf Freiwilligkeit. Wenn man einen Artikel zu Ende gelesen und ganz nach unten gescrollt hatte, ploppte ein Fenster auf und man konnte per Mausklick einen kleinen Betrag spenden. Da der Blog klar feministisch ausgerichtet war und stets den Finger in die Wunde legte, wenn eine weitere Ungerechtigkeit gegen Frauen auftauchte, hatten die beiden auf überwältigende Unterstützung ihrer Geschlechtsgenossinnen gehofft. Aber das Geld floss nur spärlich. Sie wären immerhin in der Gewinnzone, wenn man die Miete für das Büro sowie die Leasingraten für den mit dem "GG"-Logo beklebten zitronengelben Fiat 500 nicht mitbetrachtete.

Sabines Exmann Bernd, der als Projektleiter in der Autoindustrie ganz ordentlich verdiente, hatte einige Jahre lang monatliche "Starthilfe" für ihren Blog überwiesen, aber seit der Trennung war diese Quelle versiegt. Und mit Horst, Jennys Mann, war auch nichts los: Der war nur Elektriker und verdiente erbärmlich wenig. Kein Wunder, so wie er arbeitete: An Werktagen stand er erst um acht Uhr auf, frühstückte und stand dann rauchend auf dem Balkon. Da er so seine Arbeit natürlich nicht schaffte, musste er dafür an den Wochenenden früh raus und das liegengebliebene Zeug in rasender Geschwindigkeit abarbeiten. Die kleine Familie -Jenny und Horst hatten einen fünfjährigen Sohn- kam nur über die Runden, wenn Jenny ebenfalls arbeitete, worüber sie sich stets bitter beklagte. Sabine, die sich aufgrund ihres Studiums der Politikwissenschaft sowie des Journalismus gerne als Intellektuelle sah, verachtete Horst von ganzem Herzen, aber zum Glück hatte das ihre Beziehung zu Jenny bisher nicht beeinträchtigt.

Der Bank war die Situation natürlich nicht verborgen geblieben und so war sie gleich am Montagmorgen zu einem Termin bei ihrem Berater, einem glatzköpfigen Typen mit alberner Brille, zitiert worden. Für Sabine war dieser Termin äusserst unangenehm verlaufen; der Berater hatte einen sabbernden Hund unter seinem Schreibtisch sitzen, der die ganze Zeit versucht hatte, sich an ihrem Bein zu schaffen zu machen. Erst als der Bankmensch "Bessy, aus! Die doch nicht!" unter den Tisch geflüstert hatte, was sie übrigens sehr wohl verstanden hatte, hörte die peinliche Situation auf.

Voller Zorn pfefferte Sabine die Bankunterlagen in die Ecke. Um den Papierkram würde sie sich später kümmern! Jetzt wandte sie sich zunächst einmal dem Problem zu, das sie wirklich beschäftigte: Hakons Absage seines Besuchs!

Hakon, ihr Geliebter aus Oslo! Hakon, der vor zwei Jahren beruflich am See zu tun gehabt hatte und in den sie sich wie eine Sechzehnjährige verknallt hatte, als sie ihn zum ersten Mal sah. Lässig war er damals mit einer Eiswaffel in der Hand an der Kaimauer des Hafens gesessen, die Beine baumelnd, die Sonnenbrille hoch in die aschblonden Haare geschoben und den Oberkörper in ein enges weisses Shirt gezwängt, durch das sich seine Muskeln abzeichneten. Als GassenGossipGirl war sie es gewohnt, wildfremde Menschen anzusprechen und so zögerte sie nicht lange, kaufte sich ebenfalls ein Eis und setzte sich neben ihn auf die Mauer. Ihre Erinnerung setzte erst an der Stelle wieder ein, als sie kichernd, nackt und verschwitzt in einem Gebüsch des Stadtparks lagen und ihre Klamotten zusammensuchten, was ihr heute noch die Schamesröte ins Gesicht trieb! Die folgenden drei Tage lang erlebte sie, die zu dieser Zeit noch eine verheiratete Frau mit Thermomix, Ehebett und samstäglichen Grillpartys gewesen war, einen wahren Rausch der Gefühle!
Hakons Abreise hinterliess eine grosse Leere in ihrem Herzen als auch an einer anderen Stelle ihres Körpers. Sie versprachen, sich in exakt einem Jahr an derselben Stelle wiederzutreffen und beide hielten ihr Wort.

Obwohl Bernd nicht besonders aufmerksam war und sich lieber mit dem heimischen Computernetzwerk, seiner ehrenamtlichen Tätigkeit für die Feuerwehr und ähnlichem beschäftigte, war ihm Sabines amouröses Abenteuer natürlich nicht verborgen geblieben. Er hatte reagiert wie ein kleines Kind und war beleidigt aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen. Jetzt lebte er in einem Dorf nicht weit von der Stadt, hatte einen Hund und betrieb nebenher einen Antiquitätenhandel, wofür er sich schon immer interessiert hatte.

Und jetzt, im dritten Jahr ihrer Amour Fou, drohte Hakons Besuch zu platzen! Mitte Juli, wenn die Tage lang und heiss und noch nicht so viele Touristen am See waren, da die Sommerferien erst später begannen, war "ihre" Zeit gewesen: Drei, vier Tage, in denen alles egal war, in denen sie sich in Hotelbetten, auf Tretbooten, im Schilf, auf Parkbänken hemmungslos geliebt und ineinander verloren hatten. Lachend um Mitternacht um die Häuser gezogen waren. Sekt im Erste-Klasse-Abteil getrunken hatten, während sie keine Unterwäsche trug. Auf die Reichenau gefahren waren, wo er ihr einen riesigen Strauss Rosen gepflückt hatte, wofür er von der Parkaufsicht eine saftige Strafe aufgebrummt bekam!

Ärgerlich biss Sabine in ihre Fingernägel und ruinierte damit die Arbeit ihrer Freundin Meli, die zwei Stunden lang gefeilt und lackiert und dafür einen stattlichen Betrag erhalten hatte. Der Grund von Hakons Absage war natürlich Inka gewesen, seine Frau! Hakon war ebenfalls verheiratet und Inka ahnte nichts von ihren Eskapaden. Sie kam nie mit, wenn Hakon auf Geschäftsreise musste, da sie als Anästhesistin selbst viel arbeitete und Schichtdienst hatte. Inka sah blendend aus, modelte in ihrer Freizeit und teilte die Fotos über ihren Instagram-Account. Sabine war von diesem Account nahezu krankhaft besessen und folgte ihm voller Hass auf die Konkurrentin. Aber mehr als ein anonymes "Dislike" für besonders schöne Fotos zu geben hatte sie sich noch nie getraut.

Inka hatte zu ihrem dreissigsten Geburtstag die Idee gehabt, Hakon zu einem Urlaub nach Südafrika einzuladen. Die beiden wären einen Teil des Junis und den ganzen Juli dort! Mitten in "ihrer" Zeit! Bebend vor Hass und Eifersucht schleuderte Sabine einen Locher gegen die Tür zur Kaffeeküche, aus der Fiesta panisch miauend flüchtete. Ob sie das wohl mit Absicht so geplant hatte? Wusste sie etwa von ihnen? Hatte Hakon es ausgeplaudert? Die nagende Unsicherheit machte sie fast verrückt! Dieses Mal hatte sie vorgehabt, Hakon vor die Wahl zu stellen: Er musste Inka verlassen! Dass er seinen Besuch mit ein paar lapidaren Worten per WhatsApp-Nachricht abgesagt hatte, hatte sie zutiefst verletzt. Ihre Fragen hatte er nicht beantwortet, ihre Anrufe nicht angenommen. Nervös fuhr sie das iBook hoch und öffnete Inkas Insta-Seite, um zu sehen, ob es dort einen Hinweis gab. Aber ausser einem neuen einteiligen Badeanzug, der ihr natürlich perfekt stand, gab es nichts Aufschlussreiches zu sehen.
Seufzend nahm sie zwanzig Euro aus der Benzinkasse für den Fiat, verliess ihr Büro und beschloss, für heute Feierabend zu machen.

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