• 28.03.2024

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Angelika - Teil 2

dame

» Artikel vom

Gastautor: Santerra

Angelikas Leben war perfekt! Genau so hat sie sich ihr Leben immer vorgestellt. Die Reisen, der Luxus, ihr Thomas. Sie hatte das Gefühl, zum ersten Mal in ihrem Leben wirklich glücklich zu sein.
Eines Tages erhielt sie einen Anruf. Es war ihre Hausbank, die sie zu einem Gespräch einlud. Angelika wunderte sich nicht, als wohlhabende Kundin war sie dort immer gerne gesehen.
Leider verlief das Gespräch aber nicht ganz so, wie sie es sich vorgestellt hatte. Ihr Berater eröffnete ihr, dass sie monatlich mehr Geld ausgab, als sie einnahm und dass dies zu ganz vielen roten Zahlen führte, die sie wieder ausgleichen müsse. Ihr Berater riet ihr doch eine von ihren Wohnungen im Mietshaus zu verkaufen. Damit könnte sie alle Schulden auf einmal tilgen. Zwar rieten ihre Söhne ihr davon ab und zeigten ihr mehrere Lösungswege auf, aber diese Lösungswege gefielen Angelika überhaupt nicht. Sie solle sich zurücknehmen und mit der Bank einen Zahlungsplan aushandeln, ein paar Jahre einen Teil ihrer üppigen Mieteinnahmen an die Bank überweisen und finanziell etwas kürzertreten. Nein, das wollte Angelika auf gar keinen Fall. Schliesslich war sie schon all die Jahre mit Reinhardt kürzergetreten. Und was sollen dann bitte ihre Freundinnen von ihr denken? Sie hatte sie sich so an ihr neues Leben gewöhnt, dass sie sich kein anderes Leben mehr vorstellen konnte. Also schnell eine Wohnung verkauft, es war ja nur eine Wohnung, sie hatte ja nochmal ein paar davon. Die Schulden wurden getilgt und alles war wieder wie früher. Es kam jetzt zwar monatlich nicht mehr ganz so viel Geld auf das Konto, aber es war noch immer eine ansehnliche Summe.

Ihr Leben war wieder so schön und perfekt wie früher und alles war wieder gut. Sommer an der Côte d'Azur und der Winter in St. Moritz. Und ihr Thomas. Leider erhielt sie nach ein paar Jahren wieder einen Anruf von ihrer Bank. Das war zwar peinlich, aber sie kannte die Lösung ja bereits. Also wurde nochmal eine Wohnung verkauft und es war für ein paar Jahre wieder alles gut. Und das ging noch ein paar mal so, war aber aus ihrer Sicht nie ein Problem, die Lösung war ja wirklich einfach. Eines Tages, als die Bank erneut anrief, wollte sie wieder eine Wohnung verkaufen, aber die Bank sagte ihr das da keine Wohnung mehr sei, die verkauft werden könne und das sie jetzt noch 4 Wochen Zeit hat die roten Zahlen auszugleichen, ansonsten würde die Bank sich die Traumvilla am Stadtrand nehmen, die Angelika damals von der Lebensversicherung ihres verstorbenen Mannes gekauft hat.

Angelika war verzweifelt und für ein paar Tage lag sie nur auf dem Bett des 5-Sterne-Hotels. Aus ihrer Sicht gab es jetzt nur noch eine Lösung, ihre Söhne mussten einspringen. Ja, schliesslich war man eine Familie und sie war ganz klar in einer Notsituation! Klar, Angelika hatte nicht auf ihre Söhne gehört, die mehrfach versucht hatten, ihr die Konsequenzen ihres ausschweifenden Lebensstils aufzuzeigen, aber eigentlich waren es auch nur Neider, die ihr ihren Lebenswandel und natürlich ihren 15 Jahre jüngeren Thomas nicht gönnten.

Ihre Söhne weigerten sich aber ihre Schulden im 6-stelligen Bereich zu tilgen. Angelika war schockiert. Wenn ihre Söhne nicht innerhalb von zwei Wochen etwas unternahmen, war sie obdachlos und musste auf der Strasse schlafen! Wie konnten ihre eigenen Kinder sie so hängen lassen? Sie hatte ihre Söhne grossgezogen, ihnen ihre besten Jahre geopfert und jetzt braucht ihre eigene Mutter ein Mal Hilfe und sie lassen sie im Stich? Ihre Söhne boten ihr aber an, sie müsse sich um nichts Sorgen machen, zwar werden sie nicht die Schulden tilgen, aber sie haben eine schöne Wohnung für Angelika in einem ihrer Mietshäuser und boten ihr an, dass sie dort umsonst bis an ihr Lebensende bleiben kann. Auch die Kosten für die Krankenkasse übernehmen die Söhne und schliesslich erhält Angelika ja noch eine schmale, aber regelmässige Rente, mit der sie bei einem normalen Lebensstandard locker in der Lage ist über den Monat zu kommen. Sie solle einfach in ein geordnetes Insolvenzverfahren gehen und dann würde alles wieder gut werden.

Angelika fiel aus allen Wolken. Sie in einem Mietshaus? Und in Insolvenz? Nein, das geht auf gar keinen Fall! Und mit ihrer schmalen Rente war auch kein Sommer mehr in Frankreich drin. Angelika war bitter enttäuscht von ihren eigenen Kindern und weinte bitterlich. Das ist wohl der Welten Lohn. Und so stand ein paar Wochen später tatsächlich der Gerichtsvollzieher und die Polizei in ihrer Villa und begleitete Angelika höflich, aber bestimmt zum Auto ihres ältesten Sohnes.

Angelika bezog jetzt die kleine Wohnung in dem Mietshaus. Was für ein Abstieg. Von der Villa in eine kleine Wohnung. Angelika weinte bitterlich und wünschte sich ihren starken Reinhardt zurück. Den Reinhardt, der früher immer alle Probleme souverän anpackte und löste, der sie in seinen starken Arm nahm, wenn sie sich Sorgen machte und ihr mit ruhiger und tiefer Stimme sagte, sie solle sich nicht sorgen, er kümmere sich um alles. Aber das ging nicht mehr. Nein, so hatte sich Angelika ihren Lebensabend nicht vorgestellt.

Irgendwann schlug ihre Trauer in Wut um! Wut auf die Welt. Wut auf jeden, der sie hat hängen lassen. Auf die Bank, die ihr alles genommen hat, was sie hatte, auf die Gesellschaft, dass sie nur so eine mickrige Rente bekommt, auf ihre Söhne, die sich weigerten ihrer Mutter zu helfen. Das lag bestimmt an deren Frauen, die konnten sie ja noch nie leiden. Nicht mal eine Erdgeschosswohnung mit einer anständigen Terrasse oder eine Penthousewohnung gönnten ihr ihre Söhne! Sie musste irgendwo im dritten Stock hausen, wie die ganzen anderen Menschen! Dabei hat das Haus, in dem sie lebt, so schöne Dachterrassen, das weiss sie genau, sie hat damals die Baupläne gesehen, als ihre Söhne das Wohnhaus errichten liessen. Auch von ihren Freundinnen war sie enttäuscht. Am Anfang hatte Angelika noch versucht den Kontakt zu halten, aber sie war jedes Mal so traurig geworden, wenn sie ihre Freundinnen anrief und die grade wieder an ihrem Lieblingshotel an der Côte d'Azur waren und sie fragten, wann sie denn mal wieder mitkommen würde. Irgendwann ist der Kontakt dann eingeschlafen. Angelika war auch auf ihre Freundinnen wütend und sehr enttäuscht. Deren Männer hatten doch auch alle Geld wie Heu, die hätten sie locker mal einladen können. Und Thomas war eine falsche Schlange! Als er erfuhr, dass Angelika pleite war, zog er in einer Nacht- und Nebelaktion aus der Villa aus und sie hat nie wieder etwas von ihm gehört.

Aber vielleicht gab es ja noch eine Möglichkeit. Auf einem gemeinsamen Spaziergang erzählte ihr ihre neue Freundin, die sie in der Kneipe kennenlernte, dass auch Familienangehörige gegenüber ihren Eltern unterhaltspflichtig sein können. Und da ihre Söhne ja offensichtlich sehr wohlhabend sind, könnte dieser Unterhalt durchaus auch sehr üppig ausfallen. Die Freundin musste wissen, wovon sie da spricht, lebte sie doch seit Jahr und Tag vom Unterhalt ihres Exmannes und sie fuhr offensichtlich sehr gut damit. Jetzt keimte neue Hoffnung in Angelika auf. Gab es doch noch eine Möglichkeit, ihr altes Leben zurückzubekommen? Der Termin bei der Anwältin war schnell vereinbart und so ging Angelika voller Hoffnung in das Gespräch. Leider verlief das Gespräch wieder nicht so, wie Angelika sich das erhofft hatte. Die Anwältin machte ihr klar, dass sie von ihren Söhnen jeden Monat Unterhalt im Gegenwert von ca. 2.000 Euro bekam. Auf den energischen Einwand, dass ihre Söhne gar nichts von dem Geld auf ihr Konto überweisen und sie ja genau deswegen hier sitzt, erklärte ihr die Anwältin, dass man dazu auch den Mietwert der Wohnung und die Zahlungen an die Krankenversicherung, die ihre Söhne monatlich leisteten, mit einrechnen müsse. Und zusammen mit ihrer kleinen, aber regelmässigen Rente kann sie nicht mehr bekommen. Angelika weinte wieder bitterlich. Scheinbar gab es keine Möglichkeit, ihr altes Leben zurückzubekommen.

Auch heute noch lebt Angelika noch in der kleinen Wohnung. Anstatt an den Strand von Frankreich geht man jetzt in den Stadtpark, anstatt auf Grosswildsafari in Afrika füttert man jetzt Enten im Teich, aber sie hat sich mit ihrem Leben arrangiert. Noch oft denkt sie an ihr altes Leben zurück. An die Erlebnisse, an die Hotels, an die Reisen. Und natürlich an ihren Reinhardt. Hatte sie selbst einen Fehler gemacht? Hätte sie vielleicht etwas sparsamer sein sollen? Hätte sie auf ihre Söhne hören sollen, als diese sie mehrfach ernsthaft auf die Lage hinwiesen, in der sie sich befand? Angelika weiss es nicht, vielleicht hätte sie das. Aber vielleicht könnten ihre Söhne ihr auch einfach das Leben ermöglichen, das sie sich verdient hat. Angelika muss beim Gedanken an ihr altes Leben oft weinen. Ihre neue Freundin hat eine kleine Katze, die ist ja so süss. Vielleicht sollte sie sich eine Katze anschaffen, vielleicht gibt das ihrem Leben wieder einen Sinn.

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