• 29.11.2024

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Prinz Pablo und das Mämazi

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» Artikel vom

Gastautor: Simon Darre

Es war einmal vor langer Zeit, da lebte in einem fernen Land ein Prinz, der war schön, intelligent und hatte das Herz sowie alle anderen Körperteile auf dem rechten Fleck (nicht auf dem linken, aber dazu kommen wir noch).
Der Prinz hatte wie alle Prinzen Prinzessinnen gerne, doch hatte er sich gelobt, unverheiratet zu bleiben. Auf manche Freuden der Zweisamkeit wollte er aber auch nicht völlig verzichten und so lernte er immer wieder schöne, ja sogar bezaubernde Prinzessinnen kennen. Wegen seines guten Aussehens und seiner charmanten Art öffneten ihm viele Damen ihre Herzen und Keuschheitsgürtel und der Prinz genoss die (fleischlichen) Freuden der Liebe in vollen Zügen.
Doch alles wird einmal langweilig und so sehnte sich unser Prinz (wie es Prinzen meistens tun) nicht nur nach der Liebe, sondern auch nach Gefährten! Nach geistigem Austausch! Vielleicht sogar nach Abenteuern! Nun traf es sich, dass im Königreich, in welchem der Prinz lebte, böse Zauberer verstärkt ihr Unwesen trieben. Waren es anfangs nur Schwarz- und Rotmagier gewesen, so gesellten sich ihnen weitere böse Hexer in verschiedenen Farben zu – es gab Dunkelrotmagier, gelbe, graue und sogar grüne!

Die grünen Magier waren dabei die schlimmsten, denn sie versprachen den Menschen im Königreich eine wundervolle Zukunft, wenn man nur ihren Ratschlägen folgen wolle, und richteten es so gemeinsam mit den anderen langsam zugrunde. So ließen sie immer mehr Fremde ins Land kommen und belegten alle die mit einem Bann, die sich dagegen aussprechen wollten (denn gegen Fremde hatte per se niemand etwas, doch wurden ihre Zahlen und damit viele Probleme immer größer). Wer sich aber dagegen aussprach, wurde (vor allem von den Grünmagiern) als Fremdenfeind, Rassist und Natsi beschimpft (die Natsis waren eine Sekte von Magiern gewesen, die vor vielen Jahren das Land auf schlechte Wege geführt hatten – so war es zur Gewohnheit geworden, wann immer man einem echten oder vermeintlichen Gegner vorwerfen wollte, dass er das Land auch auf Abwege führte, diesem zu unterstellen, er sei auch ein Natsi. Wodurch man sich nicht mit den Argumenten desjenigen auseinandersetzen musste, was sehr praktisch war).

Außerdem rieten die Grünmagier den Bewohnern des Königreiches, weniger Kohlen zu verfeuern und öfter in der Kälte zu hocken. Zudem sollten die Menschen anfangen, Insekten statt Schweine zu essen und sollten auf das Reisen am besten ganz verzichten, stattdessen zu Hause bleiben und den Gott Zee-Oh-Zwei (der nach den Grünmagiern für das Wetter verantwortlich war und Reisende offenbar nicht leiden konnte) um Verzeihung zu bitten.
Zee-Oh-Zwei war nämlich ein gar strenger Gott und verlangte von seinen Gläubigen, Reisen möglichst gar nicht zu unternehmen und zudem mit allem, was verfeuerbar war, äußerst sparsam umzugehen (ausgenommen hiervon waren die Grünmagier und ihre Kollegen, welche fröhlich zu verschiedenen Konferenzen fuhren, wo sie mit ihren ausländischen Kollegen bei feinem Essen darüber nachdachten, was man noch als neue Opfer für Zee-Oh-Zwei einführen könnte).
So wurde das Leben im Königreich schleichend immer unangenehmer – alle mussten immer mehr sparen, erinnerten sich, dass doch früher das Leben einfacher und angenehmer gewesen sei und schüttelten die Köpfe über ihr Geschick. Die einzigen, die dem Irrsinn etwas entgegensetzten, waren blauen Magier, die die Menschen daran zu erinnern versuchten, dass das Leben aus guten Gründen früher tatsächlich anders und schöner gewesen war.
Sie wurden allerdings von den anderen Magiern bis aufs Blut bekämpft und beständig verleumdet, sodass sie sich selten offen zeigten, sondern meistens im Verborgenen wirkten.

Dies alles sah nun Prinz Pablo deutlich vor seinen Augen und fragte sich, ob er etwas tun könne, um dem Übel entgegenzuwirken, denn der Prinz hatte wie erwähnt ein gutes Herz. Oft hatte er in seiner Jugend anderen geholfen, war durch eigene Mühen (seine Eltern waren verarmter Adel) wohlhabend geworden und hatte es sich von jeher zur Regel gemacht, anderen gegenüber seine Sicht der Dinge darzulegen, ja, zur Wahrheit zu stehen!
Die Buntmagier waren allerdings zu zahlreich und ihre Macht zu groß, als dass der Prinz ihnen hätte irgendwie gegenübertreten können. Zudem hatten sie überall ihre Helfershelfer und Spione platziert, denn Menschen, die für etwas Geld und Nahrung bereit sind, ihren Nachbarn oder auch ihre Großmutter für einen Apfel und ein Butterbrot zu verkaufen, finden sich immer.

Der Prinz musste also vorsichtig sein – er überlegte und dachte nach, doch wollte ihm bedauerlicherweise nichts einfallen. Da beschloss er eines Tages zur Ablenkung auf seinem treuen Ross Renausante einen Ausritt in den nahen Wald zu unternehmen. Hoch oben auf seinem Pferd ließ er sich den Wind um die Ohren wehen und ritt jauchzend und jubelnd durch den Wald.
Während seines Ritts geriet der Prinz tiefer und tiefer in den Wald – schließlich kam er an eine Stelle, wo anscheinend noch niemand vor ihm gewesen war, ein verwunschener Platz mit einem Teich mit klarem Wasser. Müde und verschwitzt vom Ritt wollte sich der Prinz am Teich erfrischen – doch wie erschrak er, als er in den Teich blickte!

Nicht nur sein eigenes, sondern die Gesichter vieler Männer (allerdings keiner Frauen) konnte er da im Teich erblicken; außerdem ertönte ein Gemurmel und Gewisper wie von vielen weit entfernten Stimmen. Unser Prinz war nicht abergläubisch, doch fühlte er eine Gänsehaut auf seinen Armen – doch mutig (und neugierig) wie er nun mal war, blieb er am Teich stehen.
Nach einer Weile konnte er im Stimmengewirr eine Stimme von allen anderen unterscheiden, die Stimme wurde deutlicher – und sprach ihn auf einmal selbst an. Sie sagte: „Prinz Pablo – sei willkommen! Ich bin der Geist dieses Tümpels – zu meinen Lebzeiten nannte man mich den Ingenieur mit dem Dengel (so wie man einen Philosophen unseres Landes den Philosophen mit dem Hammer nannte) und was Du vor Dir erblickst, oh Prinz, ist das Mämazi!“
„Was ist das Mämazi, oh Ingenieur mit dem Schwengel? – Dengel, korrigierte ihn der Geist. Das Mämazi ist mein Zauberwerk, tapferer Prinz – es ist eine Verbindung über LAN – d. h. Liebliche Antennen Neuronen – oder über W-LAN – wolkig liebliche Antennen Neuronen – und dient als Verbindung zw. den Gehirnen von Männern. Es genügt, sich gedanklich im Mämazi einzuklinken, um anschließend über mein Zauberwerk kommunizieren zu können.
Wisse, oh Prinz, dass ich zu Lebzeiten lernte, dass das sogenannte schwache Geschlecht dem sogenannten starken in vielen Dingen überlegen ist. In der Kunst der Manipulation, der üblen Nachrede, der Vorwürfe ohne Worte, der Tätlichkeit ohne Gewalt und des Erzeugens von Wunden ohne Narben. Hier im Mämazi dürfen sich die Gehirne von Männern verbinden, denen von Frauen Wunden geschlagen worden sind – auf welche Art auch immer.
Das eine nur verbindet die Männer im Mämazi, weil sie beseelt sind vom Austausch unter Gleichgesinnten und dem Aussprechen ihrer eigenen Wahrheiten. Willst Du, Prinz Pablo, Dich uns anschließen?“ Der Prinz überlegte -wohl fühlte er sich vom Mämazi angezogen, doch wunderte ihn noch eines: „Oh Ingenieur mit dem Bengel – Dengel – Pardon, also Dengel – wohlfühle ich mich vom Mämazi angezogen, doch muss ich zugeben, dass mir keine Wunden von Frauen geschlagen worden sind – es war eher umgekehrt, würde ich sagen.“
„Du sprichst Wahrheit, edler Prinz, doch eben dies ist ja der Grund meiner Bitte an Dich: Das Mämazi ist auch für solche der rechte Ort, die die Wahrheit um der Wahrheit selbst sprechen wollen.
Und Du, schöner Prinz, bist einer von diesen, die so tun – habe ich recht?“ – „Ja, Teich, da sprichst Du die Wahrheit. Eben die ist mir sehr lieb – und ja, auch ich sehne mich nach Austausch mit Gleichgesinnten – also gut! Ich bin dabei!“ Sprach der Prinz und fühlte, wie sich sein Geist in selbem Augenblick erweiterte, erhöhte. Er sah die Gesichter von dutzenden von Männern ihm entgegenlächeln, hörte ihre Stimmen, die ihm ein Willkommen und anderes zuriefen (er glaubte auch ein durchdringendes: ein Neuer! Saufen! – zu hören). Und so – voller Freude und Mitteilungsbedürfnis – begann unser Prinz seine Zeit im Mämazi.

Viele Jahre vergingen – dem Prinzen wurde es zur Gewohnheit, sich jeden Tag im Mämazi einzuklinken und mit seinen Geschlechtsgenossen den Austausch zu pflegen. Manchen war tatsächlich von Frauen übel mitgespielt worden – manche waren in ihrem Wesen tief verletzt, manche waren darüber zynisch und derb geworden, wieder andere hatten sich Freundlichkeit und ein heiteres Wesen bewahrt – aber für alle war das Mämazi der Ort, an welchem sie sich gerne aufhielten!
Manche (der Prinz gehörten zu ihnen) teilten ihre Erfahrungen in Sachen der Liebe mit dem weiblichen Geschlecht mit, andere konnten Tipps zur Imkerei oder zur Baumzucht weitergeben, wieder andere glänzten in der Darstellung politischer oder gesellschaftlicher Sachverhalte. Kurz, es war ein meistenteils lebendiger, manchmal auch witziger und sogar inspirierender, oft Kraft und Mut gebender Austausch!
Bisweilen wurden auch traurige Geschichten aus dem Leben erzählt zum Tod von Eltern und Freunden, zu Schmerzen in der Kindheit – und an manchen schönen Momenten kam Dankbarkeit zum Vorschein und leuchtete den Männern im Mämazi wie es ein warmes Licht in einer kalten Winternacht vermag. Die Dankbarkeit gegenüber den eigenen Eltern oder Geschwistern, gegenüber Großeltern und Freunden. In solchen Momenten war das Mämazi fast ein Ort der Heilung.
Doch während also das Mämazi seinen Männern Trost, Freude und Lebendigkeit schenkte, ging es im Königreich immer schlimmer zu: Die Buntmagier hatten noch mehr Macht an sich reißen können und ließen das Land zunehmend verdummen und verarmen. Fremde in noch größerer Zahl, die den Bürgern des Königreiches auf der Tasche lagen, machten das Leben immer verworrener und unschöner und die Steuerlast drückte schwerer und schwerer, derweil die Preise von allem immer weiter stiegen.

Die Blaumagier, die als einzige versuchten, dagegenzuhalten, wurden von den anderen Magiern als Diener des Teufels dargestellt (während es genau umgekehrt war) und da die Zauberei der Buntmagier sehr stark war, glaubten viele Einwohner des Königreiches, dass sie sich vor den Blaumagiern hüten müssten. So wurden die Zeiten immer dunkler und Freude und Liebe immer weniger.
Schließlich ließen die Buntmagier einen besonders üblen Zauber auf das Land los: Sie erzeugten eine Krankheit, welche nur für sehr alte Menschen gefährlich war, stellten sie aber so dar, als gefährde sie das Leben von allen. So überzeugten die Buntmagier viele Menschen davon, dass sie das vermeintlich einzige Heilmittel zu dieser Krankheit von den Helfershelfern der Buntmagier entgegennehmen sollten (was nebenbei ein einträgliches Geschäft für diese, wie auch für die Buntmagier selber war).
Es war dies ein Gift, welches die Eigenschaft hatte, dass es bei jedem, der es einnahm, etwas anderes vergiftete: Bei manchen vergiftete es den Körper, bei anderen den Geist, bei wieder anderen die Seele – und bei manchen alles zusammen. Dieses Gift nahmen viele der Einwohner des Königreiches gerne entgegen, glaubten sie doch den Lügen der Buntmagier.
Ja, das Hexenwerk der Täuschung war so stark, dass selbst im Mämazi manche Männer den Lügen auf den Leim gingen und das Gift einnahmen. Dieses Gift aber hatte neben allen schon geschilderten schlimmen Eigenschaften auch die, dass es alles Schlechte noch schlechter machte: Alle schlechten Eigenschaften in einem Menschen konnten durch dieses Gift so noch schlechter gemacht werden!
Gott sei Dank war das Gift von unterschiedlicher Stärke – manche bekamen eine hohe Dosis an Gift und andere wenig – und so wurden nicht alle Menschen schlechter und/oder kränker. Doch für viele war dieses Gift ein weiterer Schritt in Richtung Dunkelheit – wohin die Grünmagier, Schwarzmagier und ihre Helfer strebten.
Viele Menschen wurden daher nach Einnahme des Giftes (manche schleichend, manche schnell) hysterischer, ängstlicher, rechthaberischer, egozentrischer, wütender, aggressiver, unleidlicher, besserwisserischer, ignoranter, verlogener und gemeiner. Und leider oft auch kränker, wenn sie nicht sogar am Gift starben. So wurde das Leben im Königreich immer schlimmer, nahmen Freude, Freundlichkeit, Mut und Liebe und vor allem Wahrhaftigkeit immer weiter ab.
Auch im Mämazi griff das Gift um sich: Die Lockerheit von einst verblasste, oft genug ging es nur noch darum, den eigenen Standpunkt wütend zu verteidigen, manche waren bitter und gallig geworden, ohne es zu merken, andere wiederum ließen unter Schichten von falscher Freundlichkeit Wut und Neid in sich gären. Frauen wurden mit derben Zotenbegriffen benannt, Beleidigungen und Schmäh Begriffe sowie das Abwerten anderer Standpunkte waren vielen zur Gewohnheit geworden.

Der Gründer des Mämazi, alt und müde geworden, suchte schließlich das Weite. Prinz Pablo übernahm gerne mit anderen das Ruder, wollte er doch das Mämazi am Leben erhalten!
Doch griff das schleichende Gift immer weiter um sich – Prinz Pablo zum Beispiel mochte es, Geschichten aus seinen Abenteuern mit schönen Prinzessinnen in fernen Ländern zu erzählen. Dies neideten ihm manche Schreiber, die auch gerne solche Abenteuer erlebt hätten, aber davor zu viel Angst gehabt oder sich schlicht solches nicht getraut hatten.
Sie gossen Zweifel und manchmal auch Häme über die Geschichten von Prinz Pablo aus. Leider war Prinz Pablo neben all seiner guten Eigenschaften nicht gänzlich frei von Eitelkeit – dass seine Geschichten nicht von allen gebührend bewundert wurden, störte ihn – auch merkte er nicht, wie er selber, durch die Veränderung der Atmosphäre, gröber und derber geworden war (wie die allermeisten im Mämazi).
Es kam der Tag, an dem Prinz Pablo schließlich entschied, seinen Abschied zu nehmen – zunächst von der Leitung des Mämazi und eines noch ferneren Tages auch vom Königreich. Der Entschluss war gefasst, die Erleichterung war da – doch bleibt die Frage bestehen, ob dies das Ende der Geschichte darstellt. Oder ob es Alternativen dazu gibt.
Denn das dem Königreich schlimme Zeiten bevorstanden, war allen im Mämazi klar – das Land war wie gesagt immer dunkler, verlogener und stickiger geworden – wie ein dichter Mehltau lag ein Nebel von Neid, Missgunst, Bigotterie und der Begrüßung von Gewalt als legitimen Mittel der Auseinandersetzung über dem Land.

Ja es war sogar so weit gekommen, dass sich die Dunkelheit nicht nur im Königreich, sondern auf der ganzen Welt ausgebreitet hatte! Das Gift der Buntmagier war überall fleißig verteilt worden und hatte seine üble Wirkung getan.
Doch merkt auf, Ihr Leser dieses Artikels und Freunde des Mämazi – mag die Dunkelheit auch mittlerweile an vielen Orten zu finden sein, so gibt es auch die Chance, dass sich Wahrheit und Gerechtigkeit, Wahrhaftigkeit und Liebe dereinst wieder im Mämazi finden lassen werden – so wie unter Umständen auch wieder in dem Land, welches einst das Herzland genannt worden war, bevor sein Herz sich verhärtet hatte. Wie es auch den meisten Männern im Mämazi gegangen ist – denn was denken sie in ihren Herzen? Gedanken des Mitgefühls? Oder solche der Häme?
Es bleibt also spannend – und wie die Geschichte endet, ist noch offen. Wird das Land auf immer in Dunkelheit und Düsternis versinken? Werden Männer im Mämazi zurückfinden zu Mut und Mitgefühl? Vielleicht. Vielleicht ist noch nicht alles verloren.

Wenn der Tod sich jemand nimmt, die Stimmung sinkt und man beginnt, sich auf das WAHRE zu besinnen, beginnt ein neuer Blick nach Innen? Ein Blick auf das, was wahr und richtig? Ein neu Erkennen von dem, was wichtig? Möglich ist es – aus Funken werden Flammen! Und vielleicht stehen sie eines Tages wieder beisammen. Gemeinsam.
Die Männer.



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